Gute Güte! Was ist das denn für ein altmodisches Stück Musik? Die Berliner von Kadavar sind zwar keine Newcomer mehr und durchaus bekannt dafür, es mit einer Vintage-Herangehensweise ganz genau zu nehmen. Aber „For The Dead Travel Fast“, so der neue, der fünfte, Streich von Lupus (Gesang, Gitarre), Dragon (Bass) und Tiger (Schlagzeug), ist eine derart konsequente Fortführung von wirklich großartigen Stoner-Vintage-Horror-Hardrock-Alben wie „Abra Kadavar“ (2013) oder „Rough Times“ (2017), dass man wirklich nur anerkennend den Bart sprießen lassen kann.
Angefangen vom Sound, über die Instrumente, den Hall auf der Stimme, das Songwriting bis hin zum absolut anbetungswürdigen Coverartwork, für das das Trio eigens in Transsilvanien gewesen ist, um vor des Grafen Draculas Hausburg Bran sich selbst als Vampirjäger in bester Hammer-Film-Studios-Kostümierung ablichten zu lassen, ist dieses Album eine einzige, bodentiefe Verneigung vor den 1960er und 1970er Jahren.
Inspiriert vom italienischen Horror-Geniestreich „Suspiria“
Lupus singt sich auf „For The Dead Travel Fast“ durch die neun Songs, darunter das quasi-instrumentale – und etwas irreführend betitelte – Intro „The End“, mit einer Stimme, die sich so anhört, als käme sie geradewegs aus dem nächsten Vampirgrab gekrochen. Das geht mal zu eher schleppenden Riff-Orgien wie „The Devil’s Master“ mit einem schlichtweg grandios explodierenden Gitarrensolo. Oder im Midtempo beim bitterbösen „Evil Forces“. Inspiriert wurde „For The Dead Travel Fast“, so Lupus, vom italienischen Horror-Geniestreich „Suspiria“ von Dario Argento. Beziehungsweise von den Giallo-Soundtrack-Königen Goblin, die den genialen Soundtrack zu Argentos Hexen-Epos geschaffen hatten. Auf Kadavars fünftem Album hört man das besonders gut im Intro zu „Children Of The Night“ – das ansonsten wie ein verlorener The-Devil’s-Blood-Song daherkommt und auf jeden Fall einen Höhepunkt auf „For The Dead Travel Fast“ darstellt.
Ebenso wie „Dancing With The Dead“, das nicht nur wegen seines wie aus einer Jam-Session heraus entstandenen Gitarrensolos überzeugt. Auch die Melodien, die sich das Berliner Trio aus den Kifferhemdchen säbelt, sind von ausnehmend hoher Qualität. Wie etwa in „Poison“, das natürlich nichts mit dem Alice-Cooper-Gassenhauer aus den 1990er Jahren zu tun hat, sondern ganz im Gegenteil ein sich zunächst schwerfällig dahinwälzendes Ungetüm ist, das im abschließenden, im flotten Vier-Vierteltakt straight nach vorne lospreschenden Solo-Teil, die Widerhaken-Melodien im Dutzend auspackt. Ähnlich aufgebaut ist „Demons In My Mind“, das qualitativ allerdings ein klein wenig abfällt. „Saturnales“ ist dann so etwas wie eine Ballade, die jedoch dermaßen morbide daherkommt, dass einem alles einfällt, nur nicht, den/die Liebe/n in den Arm schließen zu wollen. Zu groß ist die Gefahr, dass man mit einem Holzpflock im Herzen wieder zu sich kommen könnte…
Sicher nicht das Ende der kreativen Fahnenstange
Den Abschluss unter eine gute Dreiviertelstunde Horror-Rock markiert dann der fast achtminütige „Long Forgotten Song“, ein weiterer, gar nicht mal so kleiner Horror-Trip mit langen und ausufernden Instrumentalparts, an die sich melancholische Melodien und dynamischen Wechselspiele zwischen brachial-wuchtig und zerbrechlich-zart reihen – und diesem famosen Werk ein würdiges Ende bereiten. „For The Dead Travel Fast“ ist ein im besten Wortsinne altmodisches Stück Musik, das zeitgemäß und zeitlos zugleich klingt. Das bisherige Magnum Opus von Kadavar? Das ganz sicher! Aber dennoch bestimmt nicht das Ende der kreativen Fahnenstange.
Wolfgang Weitzdörfer
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- VÖ: 11. Oktober 2019
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 9
- Spielzeit: 46:29 Minuten
- Preis: ca. 19 Euro