Regensburg. Es gehört in unseren Breitengraden wohl zu den alltäglichsten Dingen überhaupt: Morgens öffnet man den Kleiderschrank und überlegt, was man heute anziehen soll. Doch nicht für jeden ist es selbstverständlich einen ganzen Schrank voller Kleidung zu besitzen. Es gibt genügend Obdachlose, Geflüchtete und sozial Schwächere, die kaum mehr haben als das, was sie gerade am eigenen Leib tragen. Was macht jemand, der etwa nur ein sommerliches Hemd besitzt, wenn es draußen zu stürmen und zu schneien anfängt?
Zum Glück gibt es eine Einrichtung, auf die man in so einem Fall zählen kann: Ob Shirts, Jacken, Hosen, Schuhe, Bettwäsche oder Handtücher – die Kleiderkammer versorgt Frauen, Männer und Kinder mit dringend benötigten Anziehsachen.
Jährlich rund eine Million Tonnen Altkleider
In ganz Deutschland werden Kleiderkammern von verschiedenen Einrichtungen gestellt, darunter auch von der Caritas, der Heilsarmee oder dem Deutschen Roten Kreuz (DRK). Doch nicht jeder sammelt Spenden für eine gute Sache. Obgleich jährlich, wie der Dachverband „FairWertung“ berichtet, in Deutschland rund eine Million Tonnen Altkleider und gebrauchte Schuhe in Container und Sammelstellen gelangen, landet oft nur ein Teil tatsächlich dort, wo er auch benötigt wird. Wer sicher gehen will, dass seine ausgesonderten Klamotten bei den Bedürftigen ankommen, der sollte sie besser selbst bei der nächsten Kleiderkammer abgeben. Die dafür Verantwortlichen sortieren die gespendeten Sachen sehr sorgfältig und geben sie dann direkt an Notleidende weiter.
Oft gibt es kaum genug Spenden
Was genau machen die Helfer einer Kleiderkammer eigentlich? Es ist kurz vor Feierabend, als ein Mitarbeiter die letzten Kleidungsstücke in die hohen Metallregale einräumt, die sich durch den gesamten Raum hindurchziehen. Die freiwilligen Helfer der Kleiderkammer in der Regensburger Zeißstraße nehmen regelmäßig Spenden an und geben sie an Bedürftige aus. Sie prüfen Lagerbestände, trennen Frauen- und Männerbekleidung voneinander, unterteilen die Kleider nach Größen und räumen die fertig sortierten Spenden in die Regale ein. Und natürlich wird der gesamte Ablauf auch genau dokumentiert. Wenn man den Raum betritt, sieht man Hemden, Jacken, Hosen und Schuhe, die in Regalen, Kisten und auf Kleiderbügeln ausgestellt sind, geordnet nach verschiedenen Größen und Geschlecht. Sogar ein paar Umhängetaschen und Kinderspielsachen sind dabei.
Auf der Suche nach einer warmen Jacke oder Schuhen ohne Löcher ist die Kleiderkammer an den Tagen der Spendenausgabe stets gut besucht: Etwa 50 Menschen kommen jedes Mal dorthin, wobei es im Winter meistens mehr sind als im Sommer, wie Brigitte Werner, Ansprechpartnerin für jegliche Belange rund um die Kleiderkammer, erklärt. Oft gibt es kaum genug Anziehsachen, um alle zu versorgen: „Frauenkleider haben wir etwas mehr, für Männer sind es sehr wenige Bestände“, sagt sie. Da die Spenden nicht ausreichen, findet die Ausgabe nur noch im zweiwöchigen Rhythmus statt: freitags an Frauen und Kinder, mittwochs an Männer.
Die eigene Freizeit opfern – lohnt sich der Aufwand?
Es gibt längst nicht genügend Hilfskräfte, die in der Kleiderkammer mit anpacken – und das gewiss nicht nur in Regensburg. Aber was spricht eigentlich dafür seine Freizeit für die Kleiderkammer zu opfern? Immerhin gibt es so einige Engagierte, die nicht erst überzeugt werden müssen: „Während der Woche kommen zwei bis drei von insgesamt 25 gelisteten Helfern vorbei“, erzählt Brigitte Werner. Natürlich könne jeder – ganz ohne Verpflichtung – so oft und solange seine Dienste anbieten, wie es seine Zeit erlaubt: „Manche kommen zweimal die Woche, andere einfach mal für eine Stunde im Monat vorbei.“
Brigitte Werner selbst ist seit kurzem im Ruhestand und hat daher (mehr) Zeit, um sich um den Betrieb in der Kleiderkammer zu kümmern. Als sie noch zur Arbeit ging, war sie dennoch jede Woche dort tätig – nebenher. „Viele helfen einfach auch dann mit, wenn sie gerade Urlaub oder Ferien haben. Jede Stunde mehr ist wertvoll“, sagt die Einrichtungsleiterin. Es gebe genügend, die finden, dass sich der Aufwand am Ende lohnt, auch wenn es anstrengend ist. Schließlich unterhält allein das DRK mehr als 800 Kleiderkammern, die bundesweit rund zwei Millionen Menschen versorgen.
Container – Verkauf für Soziales oder Eigenprofit?
Im Gegensatz zur Kleiderkammer befinden sich die Altkleider-Container zwar gleich um die nächste Ecke, sorgen aber nicht dafür, dass die Obdachlosen oder Geflüchteten vor Ort neue Kleider erhalten. Stattdessen kommt der Erlös der verkauften Spenden meist einem sozialen Projekt zugute. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn man auch wirklich den Container einer gemeinnützigen Organisation benutzt, wie diejenigen des DRK oder der Caritas.
Die Menschen fallen jedoch häufig auf gewerbliche Sammler herein: Diese verwenden missbräuchlich für ihre Container das Logo eines gemeinnützigen Vereins, um selbst Profit daraus zu schlagen: Das Logo wird dabei ein klein wenig abgeändert, so dass es die Leute an einschlägig-bekannte, wohltätige Organisationen erinnert. Sehr oft stellen gewerbliche Sammler ihre Container auch illegalerweise auf. Packmee, ein Service, der deutschlandweit Abgabestellen für Kleidersammlungen stellt, warnt eindringlich vor jenen schein-karitativen Containern.
Die Verbraucherzentrale warnt ebenso vor unseriösen Unternehmen, die nach außen hin gemeinnützig erscheinen und damit werben, mit ihren Containerspenden eine gute Sache zu unterstützen. Tatsächlich fließt das Geld jedoch in deren eigene Taschen.
Unzweifelhafte Container erkennen
Welche Container kann man nun zweifelsfrei benutzen? Die Verbraucherzentrale erklärt, welche Sammler als vertrauenswürdig gelten: Demnach sind das grüne Zeichen des Dachverbands „FairWertung„, das orange Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) und das Qualitätssiegel „Alttextilsammlung“ vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) sichere Adressen für gemeinnützige Spenden. Diese Organisationen verwenden den Erlös stets für einen sozialen Zweck und vermieten ihre Namen auch nicht an andere Sammel-Unternehmen weiter.
Seriöse Sammler geben auf den Containern immer ihre vollständigen Kontaktdaten an, sodass ein Anruf immer klären kann, was mit den Spenden geschieht. Auch bei sog. Haustürsammlungen müssen – beispielsweise auf einem Zettel im Briefkasten – vollständige Angaben zu finden sein. Allerdings gibt es immer wieder schwarze Schafe, die in der Vergangenheit illegalerweise Container aufgestellt hatten, bei denen etwa der teils recht dilettantisch nachgeahmte Name von FairWertung rechtswidrig abgebildet war.
Verkauf ins Ausland – profitabel oder schädlich?
Oftmals werden Altkleider an Second-Hand-Läden verkauft. Doch nur etwa zehn Prozent der gesamten Spenden werden im Inland genutzt, den Großteil verkaufen die gewerblichen Sammler ins Ausland weiter, wie „Texaid„, eine der europaweit führenden Organisationen für Textiliensammlungen, in einer Verbraucherinformation zum Thema Kleiderspende erklärt. Aber: Ist das auch eine produktive Vorgehensweise? Einerseits können Menschen im Ausland Kleider von europäischem Qualitätsstandard zu Billigpreisen erwerben. Außerdem muss die Ware nach der Ankunft im Ausland erst einmal vorbereitet und dann verkauft werden. Somit schafft der Export ins Ausland viele zusätzliche Arbeitsplätze für die dortige Bevölkerung. Manche nutzen den Gebrauchtkleidermarkt sogar als ihre Existenzgrundlage, wie FairWertung mitteilt.
Andererseits kann die Billig-Ware aus Europa die lokalen Betriebe im Ausland in den Ruin treiben. Denn mit den niedrigen Preisen kann kein Unternehmen vor Ort konkurrieren. Wenn dieses dann Insolvenz anmelden muss, verlieren natürlich viele ihren Arbeitsplatz, wie auch „Utopia“, eine Plattform für nachhaltige Themen, berichtet: „Als der NDR die Altkleiderlüge aufgedeckt hat, berichtete Die Zeit, dass allein in Tansania rund 80.000 Beschäftigte der ehemals stattlichen Textilindustrie aufgrund von Kleiderspenden ihre Arbeit verloren hätten. Gegen die günstigen Preise, zu denen die gespendete Kleidung auf den örtlichen Märkten verkauft wird, kommt ein einheimisches Produkt nicht an: Jeans für zwei Dollar lassen sich auch in Afrika nicht produzieren.“
Es stellt sich demnach die Frage: Ist der Vorteil des Auslandsverkaufs groß genug um nachteilige Konsequenzen, auch auf lange Sicht, zu ignorieren?
Geflüchtete in der Kleiderkammer
Kleiderkammern haben nicht nur einen engen Bezug zu den Einwohnern vor Ort, sondern auch zur Flüchtlingshilfe. Oftmals sind sie deshalb auf einem Gelände angesiedelt, auf dem es auch eine Einrichtung zur Unterbringung von Geflüchteten gibt – so auch in Regensburg, wie Björn Reschke, Geschäftsführer der Kleiderkammer in der Zeißstraße auf Anfrage mitteilt. Ihm zufolge habe die Caritas Ende 2014 die Einrichtung eröffnet, bevor „Campus Asyl“ im Jahr darauf dieses Projekt übernahm. Sie befindet sich im sog. ANKER-Zentrum: Eine erste Anlaufstelle für Flüchtlinge, wo sie untergebracht werden, bis sie – im Falle eines positiven Asylbescheids – andere Unterkünfte zugewiesen bekommen bzw. – im Falle des negativen Asylbescheids – in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden.
Wie Brigitte Werner erklärt, leben inzwischen rund 450 Flüchtlinge auf dem Gelände. Oft helfen auch ausländische Studenten in der Kleiderkammer mit: Durch ihren Einsatz wollen sie nicht nur den Geflüchteten helfen, sondern können im Zuge ihrer Arbeit auch gleich ihr eigenes Deutsch verbessern. So lernen die freiwilligen Helfer ebenfalls zu schätzen, was sie selbst besitzen. „Ob Flüchtlinge, Obdachlose oder sozial Schwache – man ist direkt an den Menschen dran und unterstützt sie dabei ihr Leben ein Stück weit besser zu machen“, sagt Brigitte Werner.
Text und Fotos: Lexa Wessel
Wer gerne selbst in Regensburg etwas spenden möchte – ob privat oder als Unternehmen -, kann immer dienstags von 17 bis 18.30 Uhr bei der Kleiderkammer in der Zeißstraße 1 vorbeikommen. Email: kleiderkammer-mitarbeit@campus-asyl.de. Alle weiteren Städte mit Spendenannahmen können hier gefunden werden: https://www.wohindamit.org/alle-einrichtungen.html