Die 10.000er-Marke knackte Donald Trump bereits im April 2019. Genau 10.000 Mal hatte er bis zu diesem Tag während seiner Amtszeit gelogen oder die Wahrheit grob verzerrt, wie die Washington Post vermeldete. Schaden tut das dem Häuptling mit der blondierten Sturmfrisur kaum. Auch wenn die Redaktionen großer US-amerikanischer Tageszeitungen mittlerweile eigene „Fake-News“-Teams etabliert haben, die rund um die Uhr damit beschäftigt sind, ihren Präsidenten zu entlarven – laut Umfragen ist es vielen seiner Wählerinnen und Wähler schlichtweg egal, ob er die Wahrheit ab und an etwas „frisiert“. Was zählt, ist nicht, was er sagt, sondern, dass er es sagt. Ein Muster, dass auch in Deutschland immer deutlicher zu beobachten ist.
Hierzulande sind Ausländer für weniger als 35 Prozent der Straftaten verantwortlich. In den verbleibenden gut 65 Prozent der Fälle sind die Täter Deutsche. Medienforscher aus Hamburg und Leipzig untersuchten unlängst 242 Presseaussendungen der AfD zum Thema Kriminalität. Die Rechtsaußen-Partei konstruiert dabei ein Bild, das mit der ursprünglichen Statistik nur noch wenig gemein hat: In 95 Prozent der monierten Fälle seien demnach Ausländer straffällig geworden. Das ist absurd – doch entscheidend ist nicht, was gesagt wird, sondern wer es sagt.
Die Ewiggestrigen unter den Ewiggestrigen
Um zu verstehen, was hinter der gezielten Realitätsverzerrung der AfD steckt, muss man die Partei AfD erstmal etwas beiseite lassen. Denn die Partei AfD ist lediglich der parlamentarische Arm dessen, was wir heute etwas irreführend als „die Neue Rechte“ bezeichnen. Rechtsextremistisches Gedankengut wandelt heute nur noch selten in Springerstiefel und Bomberjacke durch die Gassen. Kahlgeschorene Schädel, die vom Untergang der „Rasse“ und der Bedrohung des „Volkskörpers“ schwadronieren, zählen selbst unter den Ewiggestrigen zu den Ewiggestrigen.
Dem Rassisten von heute sind Haare gewachsen. Penibel frisiert er sie zum Hippster-Look, bevor er morgens der Nachbarin die Taschen die Treppe hinunter trägt. Auch die Bomberjacke bleibt im Schrank, Poloshirts und schicke Sandalen passen offenbar ebenso gut zum braunen Rest. Wenn er aus dem Haus geht, findet er keine „feindliche Rasse“ mehr vor, die den „Volkskörper“ zu vernichten droht. Viel lieber sinniert er über den „Untergang des Abendlandes“ oder den „Großen Austausch“. Dem Neurechten liegt etwas an seiner Kultur und seiner Identität, die (wie einst die „Rassen“) unvereinbar mit der jeweils anderen seien und einander bedrohen würden. Das Gedöns verpackt er in intellektuell anmaßende und schön geframte Phrasen wie „Ethnopluralismus“ und „kulturelle Identität“.
Wer eine Scheißwurst durch den Zimt rollt…
Der Begriff „Neue Rechte“ ist irreführend, denn er beschönigt und vertuscht. Das rassische, völkisch-nationalistische Gedankengut bleibt dasselbe. Der Ruf nach einem starken Führer, der eine homogene Gesellschaft wiederherstellen und damit alle inneren Widersprüche beheben solle, indem er sie auf einen einzigen Nenner reduziert: Wir gegen die Anderen. Derselbe Inhalt erscheint in neuem Glanz. Und wie mein einstiger Chemielehrer zu sagen pflegte: „Wer eine Scheißwurst durch den Zimt rollt, hat deshalb auch keinen Donut.“
Die neuen Rechtsextremisten sind für die AfD unverzichtbar. Sie organisieren den sogenannten vor-politischen Raum. Während die AfD-Abgeordneten „klassische“ Parteienarbeit leisten, sind es Vorfeldorganisationen in Form von Verlagen, Stiftungen, Vereinen, Unternehmen, Organisationen, Burschenschaften und Instituten, die das Drumherum einebnen und auf Richtung bringen. Sie publizieren in Medien, ganz besonders in den sog. Sozialen Medien. Sie rufen Jugendorganisationen ins Leben, organisieren Veranstaltungen und Diskussionsrunden oder sammeln Spenden. Das alles hat den Zweck, die Stimmung in der Gesellschaft zu Gunsten der AfD zu verschieben – bevor diese überhaupt politisch tätig wird.
Die Neuen Rechten pflügen, säen und düngen – die AfD erntet
Die Vorfeldorganisationen bemühen sich um den „Alltagsverstand“, um das, was an Stammtischen, Familienfeiern und Schulhöfen diskutiert – und akzeptiert! – wird. Die AfD ist nur der parlamentarische Arm der Neuen Rechtsextremisten. Oder anders gesagt: Die Neuen Rechtsextremisten pflügen, säen und düngen – die AfD erntet.
Wahlen, die ja landauf landab als das zentrale Ereignis der Politik gelten, sind im Endeffekt nur der letzte Schritt in dieser Prozedur. Sie messen, was bereits zuvor entschieden wurde. Wahlergebnisse versuchen (vergeblich) in Zahlen auszudrücken, was eine Gesellschaft denkt. Dabei ist der farbige Balken quasi bloß die sichtbare Spitze des Eisberges, alles andere läuft unter der (medialen und öffentlichen) Oberfläche ab.
Ohne rechtsextreme Vorfeldorganisationen hat die AfD keine Zukunft
Die AfD geht dabei bis zu einem gewissen Punkt vor wie jede andere Partei auch. Jede Partei versucht mittels diverser Organisationen in ihrem Umfeld dem potenziellen Wähler oder der potenziellen Wählerin ein Angebot von ihrer Wahrheit zu machen. Mit dem entscheidenden Unterschied: Mit der Abgrenzung zur verfassungsfeindlichen Rechten nimmt man es in der Partei um Weidel und Gauland nicht ganz so genau. Das zeigen zahlreiche personelle Überschneidungen zur rechtsextremistischen Identitären Bewegung, ultrarechten Burschenschaften, führenden PEGIDA-Köpfen sowie zwielichtigen Verlegern wie Götz Kubitschek oder Jürgen Elsässer. Die AfD als Ganzes ist keine rechtsextreme Partei. Aber sie versammelt und organisiert bewusst Personen mit derartigem Gedankengut innerhalb sowie im erweiterten Umfeld der Partei. Ohne sie hätte diese Partei wohl keine Zukunft.
Kommentar: Johannes Greß
Meine Meinung zu dem Thema mit der AfD ist, je mehr über diese Partei geschrieben und geredet wird, desto größer wird sie. Also sind alle, die über die AfD herziehen genauso Mitschuld am Aufschwung einer solchen Partei.
Und Punkt zwei ist die politische Lage in Deutschland obendrein alles andere als korrekt und dann kommt eine Partei daher und sagen das was die Leute hören wollen.