Teisnach. Die beiden Brüder Karl und Alexander Stern sind im Unternehmen tief verwurzelt. Beide durchliefen ihre Ausbildung bei Rohde & Schwarz in Teisnach. Karl gehörte als Feinmechaniker dem ersten Ausbildungsjahrgang überhaupt an, Alexander folgte 1979 als Werkzeugmacher. Von 1963 bis 1984 war ihr Vater, Karl Stern sen., Bürgermeister der Marktgemeinde Teisnach. Die Brüder kennen demnach viele besondere Geschichten und Anekdoten rund um die Anfänge des Werks im Bayerischen Wald. 50 Jahre Rohde & Schwarz: Zwei Urgesteine erzählen.
Beeindruckende Großbaustelle
Für Alexander Stern hatte gerade die Grundschul-Laufbahn begonnen, als 1969 Bagger auf die Wiese rollten, auf der das neue Zweigwerk von Rohde & Schwarz entstehen sollte. Er erinnert sich an die beeindruckende Großbaustelle. „Als damals Sechsjähriger hatte ich bis dahin nichts Vergleichbares erlebt oder gesehen.“ In Teisnach gab es zu jener Zeit lediglich eine Papierfabrik. Dort waren bei Baubeginn von Rohde & Schwarz rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. „Bis zur Werkansiedlung war die Fabrik Hauptarbeitgeber im Ort und darüber hinaus“, weiß Karl Stern. Er erlebte das Geschehen ebenso intensiv mit, da das Elternhaus der beiden Brüder nur unweit entfernt lag. „Das Schleifholz kam damals aus Russland. Oft sahen wir die Bockerlbahn an uns vorbeifahren.“
Ausgerechnet Teisnach!
An einen konkreten Auslöser für die Entscheidung, das Zweigwerk im Bayerischen Wald zu errichten, können sich die Sterns nicht mehr erinnern. Wohl aber hätten sich neben Teisnach noch zahlreiche andere Ortschaften für die Werkansiedlung des Münchner Konzerns beworben. Die Gemeinde habe sich lange und ehrgeizig bemüht und schließlich den Zuschlag erhalten.
Vater Karl Stern sei als Bürgermeister nicht ganz unbeteiligt daran gewesen. Er verstand sich gut mit Firmengründer Dr. Hermann Schwarz. „Dass die Chemie zwischen ihnen stimmte, beweist, dass sie zusammen zum Fischen gingen“, erzählt Sohn Karl. Dabei erinnert sich Alexander gut an eine Diskussion zwischen seinem Vater und Dr. Schwarz. Der Bürgermeister war der Ansicht, dass entlang der Teisnach das richtige Gebiet für das geplante Werkgelände sei, der Firmengründer war allerdings entschlossen, nicht auf einer dauerhaft nassen Wiese bauen zu wollen. „Einst war also geplant, das Zweigwerk von Rohde & Schwarz dort zu errichten, wo heute der Fußballplatz ist.“
Gemischte Reaktionen
Die Bevölkerung der überschaubaren Ortschaft im Bayerischen Wald reagierte nicht nur freudig auf die Bekanntgabe der Standortvergabe. Karl Stern erinnert sich, dass erstmals Wettbewerbsgedanken aufkamen: „Teisnach war von der Papierfabrik geprägt, viele waren dort beschäftigt.“ Früher sei der Hype um Rohde & Schwarz geringer gewesen, so Stern. „Mit fremden Technologien wie Nachrichtentechnik und Rundfunksendern konnte damals kaum jemand etwas anfangen. Bei uns war das quasi noch nicht angekommen.“ In den darauffolgenden Jahren seien die Arbeitsbedingungen des neuen Unternehmens publik geworden, überall die Ohren gespitzt worden. „Es war einmalig, dass Auszubildende während ihrer Arbeitszeit auch Fußball spielen und sich anderweitig sportlich betätigen konnten“, hebt Karl Stern hervor.
Erster Kontakt zum Werk
Bereits als Schüler lernte er das Münchner Unternehmen kennen. 1969 half er als Ferienarbeiter beim Bau der ersten Werkhalle aus. Ein Jahr darauf begann er seine Feinmechanikerlehre und gehörte fortan zum allerersten Ausbildungsjahrgang. „Anfangs waren die Lehrlinge in Altnußberg untergebracht. Dort befanden sich eine Dreh- und eine Fräsmaschine. Das Equipment musste ja kennengelernt werden.“
Später bezogen die Lehrlinge Räume im Zentrum von Teisnach, die Halle I des Werks erst 1973. Alexander Sterns Laufbahn bei Rohde & Schwarz startete 1979 mit seiner Ausbildung zum Werkzeugmacher. Die Mittagspause wurde oft beim „Maurer“, einem damaligen Wirtshaus in Altnußberg, verbracht. „Das Essen dort war günstig und die Atmosphäre familiär. Auch unsere Mutter war froh, sich nicht mehr ums Mittagessen kümmern zu müssen“, erzählt er mit einem Augenzwinkern.
Erinnerungen an die Ausbildung
Beide Brüder mussten im Vorfeld ihrer Lehre einen Einstellungstest absolvieren. Als einer der ersten Mitarbeiter im Werk Teisnach weiß Karl noch gut: „Es hatte sich bald herumgesprochen, dass Rohde & Schwarz viele junge Leute suchte, wodurch das Unternehmen schnell an Beliebtheit gewann.“ In der Berufsschule waren für kurze Zeit alle 31 Auszubildenden in derselben Klasse untergebracht. Die damals angebotenen Lehrberufe: Feinmechaniker, Dreher und Werkzeugmacher. Im ersten Ausbildungsjahr erhielt Karl Stern ein monatliches Gehalt von 115 D-Mark. Lag der 16. Geburtstag im ersten Lehrjahr, so erhielt man eine Lohnerhöhung von zehn D-Mark. „Aus der Sicht von uns Jugendlichen war das sehr stattlich.“ Eine Halbe Bier kostete damals etwa eine Mark, der Liter Benzin circa 48 Pfennig.
Zehn Jahre Werk Teisnach
Zum zehnjährigen Jubiläum reiste eigens ein Sonderzug aus München an. „Der gläserne Zug kommt, hieß es damals“, erinnert sich Alexander Stern. „Eine Menge an Honoratioren war bei der Feier dabei – auch aus dem Ministerium. Es war ein regelrechter Festzug.“ Der Stellenwert von Rohde & Schwarz habe sich dadurch in der Bevölkerung deutlich erhöht, erzählt Karl Stern. Ein Ereignis, das man nur mit dem Tag vergleichen könne, an dem Willy Brandt nach Teisnach gekommen sei.
Revolutionäre Technologien aus Teisnach
Die erste CNC-Maschine war eine Leiterplattenbohrmaschine und erleichterte die Arbeit erheblich. Vor der CNC-Einführung musste man durch ein Objektiv blicken und all die Punkte anvisieren, die gebohrt werden sollten. Aus Alexander Sterns Sicht war außerdem das Präzisionsfräsen mit hohen Umdrehungen ein Quantensprung.
Unvergessliche Momente
Karl Stern: „Am interessantesten war mein erstes Jahr im Vertrieb. Als ich zum ersten Mal alleine zum Kunden fahren durfte, dort die Firma verkörpern und präsentieren musste. Da ich aus vorherigen Tätigkeiten im Werk alle Technologien kannte, konnte ich Gott sei Dank immer gut Auskunft geben.“ Vor allem neue Firmen kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und der Umgang mit den Menschen hätten ihn besonders beeindruckt. Er erinnere sich noch heute an die Anfangszeit im Vertrieb. „Es waren lauter Erfolgsmomente, als ich die ersten Aufträge gewonnen hatte“, so Karl. „Da gratulierte sogar der Werkleiter persönlich!“
Alexander Stern datiert sein schönstes Erlebnis auf das Jahr 1987. Drei Jahre lang war er damals Schichtarbeiter. Schon oft hatte er sich um einen Job im Büro beworben, als eines Tages der erlösende Anruf aus einer der Abteilungen kam. „Am Montag beim Vorgesetzten melden“, hieß es. Von da an programmierte Alexander beim Fräsen, war dann beim Stanzen, in der Arbeitsvorbereitung und der Fehlerkartenbearbeitung tätig.
Die Stern-Brüder heute
Nach fast fünf Jahrzehnten Rohde & Schwarz befindet sich Karl Stern mittlerweile im wohlverdienten Ruhestand. Der gelernte Feinmechaniker arbeitete zuletzt 20 Jahre lang in der Teisnacher Vertriebsabteilung. Alexander Stern, der im Werk eine Ausbildung zum Werkzeugmacher absolvierte, gehört nunmehr seit 40 Jahren zum Technologiekonzern und ist derzeit im Ordertracking tätig.
da Hog’n