Passau. Sie gelten als beliebtes Einstiegsszenario für Horrorfilme: einsame, verlassene Motels – irgendwo weit draußen in der amerikanischen Steppe. Der Name „Motel“ setzt sich zusammen aus Motor und Hotel, da die Unterkünfte meist durchreisenden Autofahrern dienen. Für eine oder wenige Nächte sind auch die Zimmer des Passauer „Rotel Inn“ ausgelegt – im Volksmund besser bekannt als „Liegender Mann“. Einsam und verlassen ist es hier jedoch nicht. Das bunte Gebäude befindet sich direkt an der Donau und ist durch seine Bahnhofsnähe einfach zu erreichen. Der Name der Unterkunft steht in enger Verbindung mit „Rotel Tours“, dem niederbayerischen Reiseveranstalter mit Hauptsitz in Tittling.
1945 gründete Georg Höltl im Alter von gerade einmal 16 Jahren sein Reiseunternehmen und wagte den Schritt in die Selbständigkeit. Während anfangs nur Zeltreisen angeboten wurden, entwickelte er schließlich die Idee der „rollenden Hotels“, sprich: Busse mit Schlafkabinen. 1959 begab sich das erste Fahrzeug auf Reisen: Von Tittling aus ging es mit dem Rotel-Bus samt Anhänger nach Jerusalem. Die Gäste konnten somit ihre Fahrt komfortabel auf dem Landweg durchführen – ohne sich jede Nacht ein Hotel suchen zu müssen. Bereits drei Jahre später, im Jahr 1962, wurde die erste größere Fernreise mit einem Rotel-Bus unternommen: auf dem Landweg ging es von Niederbayern nach Indien.
Touristen sind oft verwirrt: Inn oder Donau?
Mit der Zeit änderten sich die Reisemöglichkeiten – und mit ihnen auch die Wünsche und Gewohnheiten der Teilnehmer. Spätestens seit der Grenzöffnung steht etwa eigenständig organisierten Fahrradtouren nichts mehr im Wege. Das erkannte auch Unternehmer Höltl und eröffnete 1993 das „Rotel Inn“ in Passau. Der Namensteil „Inn“ hat hierbei aber nichts mit dem Inn, einem der drei Flüsse, die durch Passau fließen, zu tun. Vielmehr soll das englische Wort für „Gasthaus“ darauf aufmerksam machen, dass das Hotel – anders als die Busse des Anbieters – stets am gleichen Platz bleibt und zum Einkehren einlädt.
„Das Rotel Inn liegt ja an der Donau“, erklärt Christina Höltl. Die Schwiegertochter des Gründers leitet heute gemeinsam mit ihrem Mann Peter Höltl das Unternehmen. „Durch den Namen kommt es aber immer wieder zu Verwechselungen – und die Leute denken, dass es sich bei dem Fluss vor ihren Fenstern um den Inn handelt.“ Der Blick aufs Wasser ist den Gästen garantiert: Alle 90 Zimmer der Unterkunft zeigen zur Flussseite, auf der es nicht nur ruhiger zugeht als auf der gegenüberliegenden Straßenseite, sondern auch die Aussicht viel zu bieten hat.
Auch wenn die Herberge am Donau-Radweg liegt und speziell für Fahrradreisende gedacht ist, sind auch immer wieder Gäste ohne Drahtesel dort anzutreffen. „Natürlich kann bei uns jeder übernachten. Das Hotel liegt ja sehr zentral, da sind auch immer wieder Menschen dabei, die ohne Radl unterwegs sind“, informiert Christina Höltl. Und auch Studenten verschlage es manchmal ins Rotel Inn, wenn diese etwa zu Semesterbeginn noch ohne Bleibe sind.
Ein Bett, ein Tisch, ein Regal
Ein Großteil der Besucher übernachtet häufig zwischen den Etappen einer Radtour in Höltls Fluss-Hotel. Da die meisten nicht länger als eine Nacht bleiben, sind auch die Zimmer des Hotels ohne größeren Schnickschnack recht minimalistisch ausgestattet: Jedes Zimmer verfügt über ein Bett, einen kleinen Tisch sowie ein Hängeregal. Da das Bett bereits die Hälfte des Zimmers einnimmt, nutzen die Gäste eine Art Gemeinschaftsbad, von denen sich mehrere gegenüber den Schlafkabinen befinden. „Von Gemeinschaftsbad kann hier aber kaum die Rede sein“, meint Geschäftsführerin Höltl und schmunzelt. „Das Verhältnis ist etwa 1 zu 3. Also ein Bad, drei Personen – mit jugendherbergsähnlichen Zuständen hat das nichts zu tun.“
Von einer Jugendherberge hebt sich auch das Frühstück im Haus ab: statt Hagebuttentee gibt es eine große Auswahl an Heißgetränken, dazu frische Brötchen, Müsli, Obst sowie weitere Speisen. „Da die Radfahrer meist nicht lange bei uns bleiben, bieten wir nur Frühstück an“, erklärt die Geschäftsführerin. Zuständig dafür sind die Küchenhilfen, die Teil des zehnköpfigen Rotel-Inn-Teams sind.
Von außen betrachtet fallen vor allem die Farben und die Form des Gebäudes auf. Das ehemalige Bootshaus des Passauer Rudervereins ist heute nicht mehr wieder zu erkennen. Christina Höltl erklärt, was es mit dem „Liegenden Mann“ auf sich hat: „Vor der Eröffnung, in den 90ern, veranstaltete mein Schwiegervater einen Architekten-Wettbewerb. Der österreichische Künstler Hans Hoffer gewann diesen mit seinem Entwurf. Der Liegende Mann greift sowohl das Thema Schlafen auf, soll aber auch symbolisieren, dass die liegende Person sich Gedanken um die Zukunft Europas macht.“
Passend zu dieser Idee ist die Innenseite des „Kopfes“ gestaltet: Der Eingang des Rotel Inn zeigt bunte Graffitis, die Studierende in den 90er Jahren entworfen und umgesetzt haben. Die Farben und Formen der Unterkunft sind ebenfalls nicht zufällig ausgewählt worden: Wellenförmige Fenster und viele Blautöne passen zum Gewässer, an dem das Gebäude liegt.
Vorkehrungen in Sachen Hochwasserschutz
So schön die Lage am Fluss auch sein mag, kann diese auch schnell einmal zum Verhängnis werden. „Die meisten Hochwasser haben wir zum Glück gut überstanden – 2013 sind wir jedoch nicht gut davongekommen“, erinnert sich die Geschäftsführerin.
Beim Wiederaufbau achtete das Ehepaar Höltl dementsprechend darauf, gewisse Hochwasserschutz-Vorkehrungen zu treffen: „Der Fahrstuhl, die Küche sowie weitere elektrische Geräte befinden sich im ersten Stock oder sind so platziert, dass sie nicht sofort Schaden nehmen. Teilweise haben wir außerdem mit hochwertigem Kunststoff gearbeitet, da dieser widerstandsfähiger gegen Wasserschäden ist.“
In den Ruhemonaten könnten diese zur Not ausgetauscht werden, denn das Rotel Inn hat Saisonbetrieb. Von Mai bis Oktober seien die meisten Radler auf dem Donau-Radweg unterwegs. In dieser Zeit ist auch die Unterkunft in Betrieb und bietet den Reisenden schlichte Zimmerkabinen, die einem fast das Gefühl geben, auf einem Schiff zu nächtigen. Drehaufnahmen für Horrorfilme werden hier wohl nicht so schnell stattfinden…
Malin Schmidt-Ott
Ich kann leider nicht erkennen, woran sich das Frühstück von dem Frühstück der Jugendherberge in Passau abheben soll. Die aufgezählten Bestandteile finden die Gäste mittlerweile alle (teilweise sogar in Bio-Qualität) auf den Frühstücksbuffets der bayerischen Jugendherbergen. Und wenn Frau Höltl den Hagebuttentee bei uns findet, kann sie ihn gerne bei uns an der Rezeption abgeben. Den suchen wir schon seit Jahren… ;-) Wir wünschen weiterhin eine erfolgreiche Saison! Viele Grüße aus der Veste Oberhaus, die Herbergsleitung der Jugendherberge Passau
Hallo,
Bei dem Satz handelt es sich lediglich um eine Überleitung, nicht um ein Zitat von Frau Höltl – die Interviewpartnerin hat keinerlei Vergleiche ziehen wollen.
Beste Grüße!
Malin Schmidt-Ott, Autorin