Freyung-Grafenau. Im März 2017 startete im Landkreis Freyung-Grafenau das Projekt „iMONA – Intelligente Mobilität und Nahversorgung“ (da Hog’n berichtete). Projektleiterin Sonja Weigerstorfer erarbeitet dabei gemeinsam mit der TU Dresden Ideen, um den ÖPNV im ländlichen Raum zu ergänzen und auch denjenigen, die kein Auto haben, mehr Möglichkeiten zu bieten, um von A nach B zu kommen. Doch: Was ist bisher geschehen?
„Eines unserer Ziele ist es, den bestehenden Verkehr so zu nutzen, dass nicht immer einer alleine im Auto fährt“, erklärt Sonja Weigerstorfer. Im Rahmen von iMONA soll sie zusammen mit Verkehrswissenschaftlern der TU Dresden Ideen entwickeln, wie die Freyung-Grafenauer mobiler werden könnten – jenseits von ÖPNV und eigenem Auto. „Dabei darf man ruhig das Unmögliche denken, kreativ sein“, sagt die Projektleiterin.
Bei iMONA stehen große finanzielle Mittel zur Verfügung: Bis zu 656.000 Euro können die Projektverantwortlichen aus Fördermitteln abrufen, die Gelder gehen jeweils zur Hälfte an den Landkreis und die TU Dresden. Der Landkreis habe bisher knapp ein Drittel der Summe (ca. 100.000 Euro) für das Projekt verwendet, berichtet Sonja Weigerstorfer.
Was das Vorhaben schwierig mache: Der Landkreis ist groß. Und: „Alle 25 Gemeinden und Städte im Landkreis sind unterschiedlich“, erklärt die Projektleiterin. Sie musste sich zu Beginn ihrer Arbeit für iMONA erst einmal einen Überblick verschaffen: Welche Gemeinden haben den höchsten Handlungsbedarf? Dieses Orientieren koste viel Zeit, sie habe sich mit vielen Bürgermeistern und engagierten Bürgern getroffen. Nach zahlreichen Gesprächen im gesamten Landkreis hat sie gemeinsam mit Stephanie Lelanz von der TU Dresden Gemeinden ausgewählt, in denen sie in die Tiefe gehen und Möglichkeiten finden wollten, wie man Mobilität und Nahversorgung der Bürger verbessern kann.
Grenzgemeinden Haidmühle und Mauth als Pilotfälle
Haidmühle und Mauth waren die beiden „Auserwählten“. Hier fanden so genannte Bürgerdialoge und Haushaltsbefragungen statt. „Wir wollten herausfinden: Wo ist Bedarf an Mobilitätsangeboten? Wo gibt es Lücken in der Versorgung durch den ÖPNV?“, erklärt Stephanie Lelanz gegenüber dem Onlinemagazin Hog’n.
Haidmühle liegt jeweils rund fünzehn Kilometer von den Mittelzentren Waldkirchen und Freyung entfernt. Zudem berichtet Haidmühles Bürgermeisterin Margot Fenzl auf Hog’n-Nachfrage, dass die Busverbindungen nicht ideal seien. Sie hätte beispielsweise gerne eine Verbindung ins Skizentrum Mitterdorf oder Richtung Nationalpark. Da der ÖPNV diese Anbindung momentan nicht leistet, wollte das iMONA-Team in Haidmühle etwaige Alternativen erarbeiten, die Mobilität in der Gemeinde auf andere Art zu verbessern – bisher jedoch ohne durchschlagende Erfolge. Bei den Bürgerdialogen, zu denen Weigerstorfer und Lelanz in der Gemeinde Haidmühle geladen hatten, gab es kaum konkrete Vorschläge, wie man den ÖPNV sinnvoll ergänzen könnte. Gekommen waren nur wenige zu den Veranstaltungen.
Am Ende stellte sich eine Art Mitfahrzentrale als Lösungsansatz heraus, den sich die meisten vorstellen könnten – allerdings wurden auch hier Zweifel geäußert: „Es gab Vorbehalte, fremde Personen im eigenen Auto mitzunehmen“, berichtet Sonja Weigerstorfer. „Auch die Versicherungsfrage wurde immer wieder angesprochen.“ Eine Mitfahrzentrale sei eine schnelle und einfache Lösung, die die Mobilität durchaus verbessern könne, sagt sie. Allerdings sei die Idee bei den Haidmühlern „mit einer großen Angst vor dem Unbekannten belegt“, wie die Projektleiterin resümiert.
Ein weiteres Problem: Wie setzt man eine Mitfahrzentrale um? Die moderne Variante einer App stoße in Haidmühle auf Skepsis: „Ältere Leute würden lieber irgendwo anrufen“, weiß Bürgermeisterin Fenzl. Zudem sei die Nachbarschaftshilfe in der Gemeinde ohnehin groß: „Wenn ich jemanden frage, nimmt der mich sowieso mit“, ist sich Fenzl sicher. Braucht es also gar keine intelligente Mobilität der Zukunft in Haidmühle?
„Es braucht jemanden aus der Verwaltung, der selbst eine Vision hat“
Das Schwierigste an Projekten wie iMONA: Die Fördergelder sind nur dafür da, Ideen und erste Schritte zur Umsetzung dieser Ideen zu entwickeln. Für die weitere Realisierung sind letztendlich die Kommunen selbst zuständig. „Wenn von Seiten der Gemeinde nicht konkretisierend weitergedacht wird, ist es schwierig“, sagt Sonja Weigerstorfer. „Es braucht jemanden aus der Verwaltung, der sich federführend darum kümmert und der selbst eine Vision hat.“
Auch in der Gemeinde Mauth haben Bürgerdialoge stattgefunden. Sonja Weigerstorfer berichtet von großem Interesse seitens der Bürgerschaft. Die Stimmung in Mauth sei sehr positiv gewesen, der Wille vorhanden, Ideen umzusetzen, sie weiter zu entwickeln.
Bürgermeister Ernst Kandlbinder kann dies bestätigen: Die Stimmung sei definitiv positiv, teilt dieser auf Hog’n-Nachfrage mit. „Wir möchten da was angehen“, sagt er. Was konkret komme, könne man aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. In den Bürgerdialogen habe sich herauskristalliert, dass vor allem diejenigen, die in den Dörfern zwischen Mauth und Finsterau wohnen, gerne einen Bürger- oder Gemeindebus hätten. Der Unterschied zwischen den beiden Varianten: Im Fall eines Bürgerbusses würde man einen Verein gründen, Ehrenamtliche würden die gesamte Organisation übernehmen und den Fahrer stellen. Im Fall eines Gemeindebusses würde die Gemeinde alles regeln.
„Ich möchte die Leute unter die Leute bringen“
Ein Bus, der beispielsweise vormittags alle Mitfahrwilligen einsammelt und nach Mauth beziehungsweise Finsterau bringt, um Einkäufe oder Arztbesuche zu erledigen, und mittags dann retour fährt, wäre laut Bürgermeister Kandlbinder vorstellbar. „Ich möchte, dass die Leute raus kommen, dass sie soziale Kontakte haben“, sagt er. „Ich möchte die Leute unter die Leute bringen.“
Die Gemeinde Mauth sei auch geografisch geeignet für einen Bürgerbus, erklärt iMONA-Projektleiterin Sonja Weigerstorfer: „Die Ortschaften liegen fast alle entlang einer zentralen Straße.“ Eine Ergänzung zu den normalen ÖPNV-Buslinien sei trotzdem nötig, da viele Bürger weite Strecken bis zur nächsten Bushaltestelle gehen müssten – und das teils steil bergauf oder bergab.
Nachdem auch eine Umfrage in der gesamten Gemeinde ergeben hatte, dass ein Gemeinde- oder Bürgerbus gewünscht wäre, hat Stephanie Lelanz von der TU Dresden nun ein Konzept für beide Varianten entwickelt. Sie hat mögliche Routen und einen genauen Fahrplan erstellt, Versicherungsfragen und rechtliche Fragen genauso wie Finanzielles und Organisatorisches geklärt. „Wir wollten wissen: Was geht? Was ist rechtlich und fördertechnisch möglich?“, sagt Ernst Kandlbinder.
Nun könne die Gemeinde einen Pilottest starten. Dass ihre Arbeit in diesem Fall nicht umsonst war, da ist sich Stephanie Lelanz sicher: In der Gemeinde Mauth herrsche eine enge Vertrauensbasis zwischen den Bürgern und ihrem Bürgermeister, stellt die Wissenschaftlerin fest. „Die Bürger haben uns das Gefühl vermittelt: Wenn der Bürgermeister dahinter steht, dann ist das etwas, das man auch umsetzen will.“
„Es ist wahnsinnig zeitintensiv, wenn man bei Null anfängt“
In den nächsten Wochen und Monaten dürften gerne noch weitere Gemeinden auf das iMONA-Team rund um Sonja Weigerstorfer zukommen, um neue Ideen in Sachen Mobilität und Nahversorgung gemeinsam zu erarbeiten. Je mehr konkrete Beispiele iMONA am Ende anderen aufzeigen könne, desto besser, sagt die Projektleiterin.
Aber sie weiß auch: „Solche Dinge müssen sich entwickeln. Es ist wahnsinnig zeitintensiv, wenn man bei Null anfängt.“ Man könne nicht heute Lösungen vorschlagen, die schon morgen funktioneren. Das Projekt iMONA könne aber Denkanstöße geben, Lösungsvorschläge generieren und so die Mobilitätsangebote im Landkreis langfristig verbessern.
Sabine Simon