Viechtach. Was haben ein japanischer Geldbeutel, ein Cricket-Ball in Pakistan und Schweizer Kuhglocken gemeinsam? Auf den ersten Blick nur wenig. Aber sie alle tragen ein Stück Bayerischer Wald in sich – ein ledernes. Verantwortlich dafür ist Michael Kilger. Mit Vater Anton betreibt der 29-Jährige in Viechtach eine der modernsten und umweltschonendsten Gerbereibetriebe Europas – und exportiert Leder in die ganze Welt.

Gürtel, Geldbeutel oder gar Mauspads fabriziert Michael Kilger mit seiner Nähmaschine. Beigebracht hat er sich das meiste in Eigenregie. Fotos: mk Ledermanufaktur

Vegetabile Gerbung“ lautet in der Viechtacher Lederfabrik der Schlüssel zum Glück. Das bedeutet, dass der seit 1856 bestehende Traditionsbetrieb bei der Verarbeitung von Kuhhäuten – im Gegensatz zu heute üblichen Verfahren – auf synthetische Stoffe verzichtet und traditionsgemäß pflanzliche Gerbstoffe wie zum Beispiel Baumrinde verwendet. Zudem setzt man im Hause Kilger auf die sogenannte Grubengerbung, eine besonders schonende, weil weniger wasserintensive Art der Haltbarmachung von Leder. „Der große Unterschied“, erklärt Michael Kilger, sei die Dauer des Verfahrens. Während so eine Kuhhaut bei synthetischer Bearbeitung in ein bis zwei Wochen zum potenziellen Schuh verarbeitet wird, benötigt das ganze Prozedere in Viechtach rund drei Monate. Das lange Warten wird schließlich belohnt – in Form von hoher Qualität.

Mit dem Nischenprodukt gegen die globale Konkurrenz

Zwischen 1.000 und 1.500 Häute verarbeiten die knapp 20 Mitarbeiter der Firma Kilger pro Monat zu hochwertigem Leder. „Das klingt vielleicht viel“, so der Viechtacher, aber sei im Vergleich zu großen Betrieben „eigentlich winzig“.

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Im Konkurrenzkampf gegen Großbetriebe hilft nur Eines: Qualität! 

Bis zu 150.000 Stück gehen dort nämlich monatlich vom Band. Gegen diese Massen – und dem daraus resultierenden Preisdruck – weiß man sich in Viechtach zur Wehr zu setzen. „Wir haben zum Glück immer an unserem Motto festgehalten“, erzählt der 29-jährige Juniorchef: „Qualität vor Quantität mit Leder aus vegetabiler Grubengerbung. Ein Nischenprodukt – und zwar das beste der Welt.“

Erfolgsgarant ist hier – wenn auch unwissentlich – das Simmentaler Fleckvieh. Die Rinderrasse, die hauptsächlich in Süddeutschland heimisch ist, weist eine besonders gut geeignete Hautstruktur auf, ihr Leder ist „das teuerste und beste der Welt“. Hinzu kommt, dass hier in der Region selten Stacheldrahtzäune zum Einsatz kommen – Narben und dergleichen also meist ausbleiben. Durch jahrelange Partnerschaft zu den meist regionalen Händlern – und somit einer gewissen Qualitätsgarantie – verschaffe man sich im globalen Konkurrenzkampf dennoch einen „Wettbewerbsvorteil“, wie Kilger erklärt. Eben durch Qualität, weniger durch Quantität.

Im Konkurrenzkampf gegen Großbetriebe hilft nur Eines: Qualität! 

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Die Schweizer Kuhglocken verdanken ihren Riemen der Firma Kilger

Bis vor rund 20 Jahren habe man ausschließlich Leder produziert, das später in Schuhe verwandelt wurde. Durch die mittlerweile weit verbreitete, weil weit billigere Gummisohle wird das Viechtacher Leder heute viel seltener zu Schuhwerk. Dafür umso häufiger zu Pferdesätteln, wie etwa in England. Oder eben zu Geldbeuteln, wie beispielsweise in Japan. Auch die Schweizer Kühe haben die Riemen ihrer Glocken Kilger und seinen Mitarbeitern zu verdanken.

Das Leder aus der Gerberei Kilger geht längst in alle Welt. Mittlerweile werden die gegerbten Kuhhäute auch in der Fabrik selbst verarbeitet: in der mk-Ledermanufaktur, Michael Kilgers Herzensangelegenheit. Eigentlich hat der heute 29-Jährige in München Marketing und Management studiert – was eher wenig nach Leder und Manufaktur klingt. „Schuld“ daran, so erklärt er mit einem Schmunzeln, sei seine Mutter. Die habe ihm einst, noch zur Gymnasialzeit, eine Jeans-Hose geschenkt. Dazu zwei lederne Gürtel, eigentlich recht hochwertige. Nach zwei Wochen versagte der erste seinen Dienst, zwei Wochen darauf der zweite. Kilgers Resümee damals: „Sündhaft teuer und der letzte Schrott.“ Und machte sich daraufhin auf in die Werkstatt des Vaters, um seinen eigenen Ledergürtel zu kreieren. Material gab’s ja genug. Das Ergebnis „hängt heute immer noch in meinem Büro“, erzählt der Viechtacher nicht ohne Stolz.

Studium war zumindest „nicht hinderlich“

Nicht nur sich selbst, sondern bald auch Familie und Freunde hatte der Neo-Manufakturist offenbar mit seinen Eigenkreationen schnell überzeugt.

Bei der sogenannten „vegetabilen Grubengerbung“ werden Kuhhäute mehrere Monate lang bearbeitet, bis das Endprodukt fertiggestellt ist.

Bei Kunden des Vaters, Maßschuhmachern oder Sattlern etwa, absolvierte er einige Praktika, lernte die Grundlagen – „und den Rest dann selbst“. Seither ist sein Unterfangen um einiges gewachsen: Handgefertigt und mit eigener Gravur versehen sind seine Ledergürtel seither in allen Variationen erhältlich. Vom Marketing-Studium zum Gürtelmacher – ein eher ungewöhnlicher Weg, aber rückblickend sei sein Studium diesbezüglich zumindest „nicht hinderlich“ gewesen.

Dass es dem 29-Jährigen an Fantasie nicht mangelt, wird spätestens dann klar, wenn man einen Blick in seinen Onlineshop wirft. Neben den Gürteln mit dem mk-Emblem gibt’s dort auch Geldbeutel, Lederfliegen, Brillenetuis oder Mauspads zu bestaunen. Ob da noch mehr geht? Viele Prototypen, etwa diverse Taschen, liegen derzeit in der Schublade, auch Lederfließen habe man in Kooperation mit einem Hotel bereits angefertigt. „Ideen hätte ich viele“, aber eben kaum Zeit. Gut Ding braucht eben Weile – das gilt für den Erfindergeist genauso wie für die Kuhhaut. 

Johannes Gress


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