Waldkirchen. Wer in Bayern Flächen versiegelt, also etwa eine große Halle in einem neuen Gewerbegebiet außerhalb einer Stadt baut, muss dafür Ausgleichsflächen schaffen. Eine Glaserei im Waldkirchener Ortsteil Erlauzwiesel will dabei neue Wege gehen: Eine Streuobstwiese, von der sich jeder bedienen kann, sowie ein Naturgarten rund um die jüngst fertiggestellte Halle sollen als ökologischer Ausgleich für den Neubau auf der grünen Wiese dienen.
„Wir wollten eigentlich irgendwo im Waldkirchener Stadtgebiet bauen“, sagt Glaserei-Chefin Franziska Brandl. „Aber das wäre zu teuer gewesen.“ Stattdessen haben sie sich mit ihrer Glaserei nun etwas außerhalb, im neuen Gewerbegebiet zwischen Erlauzwiesel und Ratzing, angesiedelt, wo die Grundstückspreise für das junge Unternehmen erschwinglicher waren.
„Wir hätten die Fassade gern aus Stein oder Holz gemacht“
Franziska Brandl kümmert sich um die Außenanlagen und entwickelt Ideen, um aus der Schotterwüste, wie man die Fläche rund um das neue Firmengebäude momentan noch bezeichnen kann, ein „Bienenparadies“ mit Blumen Obstbäumen zu machen.
Ihr Mann Alexander Brandl hat sich als Glaser erst vor drei Jahren selbstständig gemacht. Bisher arbeitete er „aus dem Auto heraus“, wie seine Frau es nennt. Material und Maschinen lagerte er im Fahrzeug oder zu Hause. „Wir waren dazu gezwungen, eine größere Halle zu bauen“, erzählt Franziska Brandl. Die Geschäfte laufen eigenen Angaben zufolge sehr gut. „Und der Kunde möchte oft auch zu uns kommen, sich anschauen, wie wir arbeiten“, sagt sie. Das sei zu Hause nur bedingt möglich gewesen.
Daher nun also der Entschluss, eine eigene Firmenhalle zu bauen. Für ein so junges Unternehmen natürlich eine finanzielle Herausforderung, die einen zu Kompromissen zwingt. „Wir hätten die Fassade gern aus Stein oder Holz gemacht“, meint die 29-Jährige. Eine Stahlkonstruktion, verkleidet mit antrazitfarbenen Wandpaneelen, war jedoch um einiges günstiger. „Die Fassade kann man in jeder beliebigen Farbe gestalten“, berichtet die Glaserei-Chefin. Dunkle Töne seien aber pflegeleichter.
Perfekte Lage, um Neukunden anzulocken
Nun steht sie also da, die große, dunkle Halle – mitten auf einer ehemaligen Ackerfläche, umgeben von Wiesen und Feldern. Die Aussicht ist wunderschön, die Lage perfekt, um von Neukunden entdeckt zu werden: Direkt neben der Staatsstraße 2131 zwischen Waldkirchen und Jandelsbrunn – auf einem Hang, gut zu sehen aus nahezu allen Richtungen.
Damit dies alles auch für die Natur ein möglichst kleiner Eingriff bleibt, wollen – und müssen – die Brandls einen flächenmäßigen Ausgleich schaffen. Sie haben bereits damit begonnen, die ersten Blumen zu pflanzen, haben erste Versuche gestartet, wie ein Steingarten aussehen könnte – und haben ein umfangreiches Garten-Konzept entwickelt. „Nächstes Jahr im Herbst soll hier rund um die Halle alles blühen“, hofft sie.
Allein den sechzig Meter langen Hang oberhalb der Halle zu bepflanzen, ist aufwendig. „Man hätte es sich auch leichter machen können“, gibt Franziska Brandl offen zu. Hier zum Beispiel nur Steine hin zu legen, kam für sie und ihren Mann aber nicht in Frage.
Man merkt ihr an, dass das Thema Naturgarten sie interessiert. Sie hat sich bereits einiges Wissen über diejenigen Pflanzen angelesen, die Bienen anlocken. Und dabei auch festgestellt: Was im Internet hochgejubelt wird, muss nicht unbedingt toll sein. Denn wenn alle die gleichen Dinge anpflanzen, finden am Ende viele Insekten und Vögel keine Nahrung. Was rund um die Glaserei erblühen wird, soll vor allem auch aus der Gegend kommen, hierher passen. Das Ziel: „Es soll gepflegt, aber nicht eintönig ausschauen“, sagt die 29-Jährige.
Ausgleichsflächen: So ist die Regelung
Ein Naturgarten rund um ein Firmengelände ist außergewöhnlich. Allerdings muss jedes Unternehmen in Bayern, das in einem neu geschaffenen Gewerbegebiet eine Halle errichten möchte, grundsätzlich für Ausgleichsflächen sorgen. Das Ehepaar Brandl hat neben dem Firmengrundstück zusätzlich eine Wiese in der Nähe erworben. Diese Fläche muss „der Natur zurückgeben werden“. Ackerflächen oder Felder können beispielsweise renaturiert, Biotope geschaffen werden oder Ähnliches. Die Glaserei-Inhaber planen eine Streuobstwiese anzulegen. Das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen gibt den Gemeinden laut Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak zum Thema Ausgleichsflächen eine Art Leitfaden an die Hand: „Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft“ nennt dieser sich.
Der Rathaus-Chef erklärt: „Je nach Wertigkeit der Fläche, die versiegelt beziehungsweise bebaut wird, ist ein gewisser Ausgleich zu schaffen. Wie viel Ausgleich hier nachgewiesen werden muss, ist im Bauleitplanungsverfahren durch den Planfertiger festzulegen.“ Auch die Art der späteren Pflege der Flächen sei im Verfahren reglementiert. Es reicht demnach nicht, lediglich ein Stück Land zu kaufen, das danach bleibt, wie es ist.
„Die Flächen müssen nicht zwingend gekauft werden, wenn der Eigentümer geeignete Flächen hat, kann er die Maßnahmen hier umsetzen, oder auch direkt auf dem zu bebauenden Grundstück.“ Die Gemeinde kontrolliert laut Bürgermeister Pollak auch, ob diese dann – wie geplant – umgesetzt werden.
Streuobstwiese statt Brachland
Noch in diesem Herbst möchten die Brandls auf ihrer zukünftigen Streuobstwiese Bäume anpflanzen. Auch hier bedarf es einiger Recherchen: Sollen es eher ertragreiche oder lieber robustere Bäume sein? Welche Obstbäume kommen überhaupt mit den Bedingungen auf der Wiese klar, die die Unternehmer als Ausgleichsfläche für ihren Neubau gekauft haben?
Denn diese Wiese grenzt an ein Biotop an, der Bachlauf, der unterhalb verläuft, wird immer wieder zum Überschwemmungsgebiet, wenn viel Regen fällt oder der Schnee schmilzt. „Die halbe Wiese ist dann mit Wasser vollgesogen“, weiß Franziska Brandl. Die 29-Jährige ist Mitglied im Obst- und Gartenbauverein und hat sich auch von dieser Seite Unterstützung für ihr Vorhaben geholt.
Wenn es klappt und das Projekt Streuobstwiese in einigen Jahren Früchte trägt, dann sollen auch die Mitbürger etwas davon haben. Sie erwarte einen so hohen Ertrag, dass Franziska Brandl allen anbieten möchte, sich Obst von ihrer Wiese zu holen. „Allein kannst du das nebenbei gar nicht bewirtschaften“, stellt sie fest. Und wenn die Brandls mit dem geplanten Naturgarten rund um ihre Fertigungshalle dann noch andere dazu animieren können, selbst auch etwas ökologischer zu gärtnern, dann hat die Unternehmerin erreicht, was sie erreichen wollte.
Sabine Simon