Hauzenberg/Jahrdorf. Kunststoff ist in der Gemeinde Jahrdorf im Bayerischen Wald der Stoff, aus dem Träume gemacht werden: Jedes 3D-Kennzeichen aus diesem Material, das auf Deutschlands Straßen unterwegs ist, sowie jeder Kunststoff-Reisekoffer, der heute komplett „made in Germany“ hergestellt wird, stammt aus dem kleinen Hauzenberger Ortsteil – aus der Manufaktur von Karl Mühldorf. Der 58-jährige „Kunststoff-Experte“ übernahm vor 15 Jahren ein bestehendes Unternehmen und verfolgt seitdem konsequent und mit wachsendem Erfolg seinen Weg. Sein Credo lautet: „Kunststoff-Klasse“ statt „Kunststoff-Masse“.
Sie gelten als langlebig, unempfindlich – und nicht zuletzt auch als Hingucker: 3D-Nummernschilder aus Kunststoff. Mehr als 30.000 Autobesitzer entscheiden sich aktuell jedes Jahr für die Alternative zum klassischen Aluminiumblech. Der aus der Nähe von Passau stammende Kunststoff-Chemiker Dr. Michael Bauer hatte im Jahr 2011 die Idee, als Alternative zum Alu-Kennzeichen dieses aus Kunststoff herzustellen. Für die Entwicklung und anschließende Serienfertigung suchte Bauer einen Partner – und fand über das Internet die Firma Karl Mühldorf Kunststofftechnik in Jahrdorf bei Hauzenberg.
Carbon-Optik besonders beliebt in der Tuning-Szene
Zwei Jahre dauerte der Entwicklungsprozess, bis schließlich Ende 2013 die ersten 3D-Kennzeichen aus Kunststoff an den Kunden ausgeliefert wurden. Bis dato ist das Unternehmen in Hauzenberg einziger Hersteller für die innovativen Nummernschilder. „Immer mehr neu zugelassene Fahrzeuge werden heute damit ausgestattet“, sagt Unternehmer Karl Mühldorf. Alleine in den vergangenen sechs Monaten habe sich die produzierte Stückzahl verdoppelt. „Immer mehr Autofahrer erkennen die Vorteile.“
Die Kunststoff-Kennzeichen sind elastisch und kehren auch nach einem kleinen Rempler wieder in ihre Ursprungsform zurück. Dellen oder Rost gibt es bei der Kunststoff-Variante nicht. Im Gegensatz zum klassischen Alu-Kennzeichen werden die Lettern nicht eingeprägt, sondern aufgesetzt – und anschließend fest mit der Platine verbunden.
Schwarz sind die Buchstaben wie beim traditionellen Alu-Schild immer. Das schreibt die Straßenverkehrsordnung so vor. „Allerdings können Autobesitzer zwischen matter Optik, Carbon-Look und Klavierlack wählen“, erklärt Mühldorf. Insbesondere die Carbon-Optik erfreut sich in der Tuning-Szene steigender Beliebtheit. Bestellen lassen sich die 3D-Kennzeichen bequem über das Internet. Bestellungen, die bis 15 Uhr eingehen, verlassen noch am selben Tag das Werk.
„Irgendwann in die niederbayerische Heimat zurückkehren“
Die 3D-Kennzeichen sind nicht die einzigen Kunststoff-Innovationen aus Hauzenberg: Für den Hamburger Kofferhersteller „Titan“ entwickelte Karl Mühldorf Hartschalen-Reisekoffer „made in Germany“. Begonnen hat die Zusammenarbeit im Jahr 2013. Der ebenfalls im Bayerwald beheimatete geschäftsführende Gesellschafter Alfred Gruber suchte einen Partner für die Entwicklung eines neuen Reisekoffers mit einem Kunststoff-Rahmen. Stabil und leicht sollte der neue Koffer sein. 2015 war es dann so weit: Die ersten Reisekoffer „made in Germany“, hergestellt für die die Firma „Titan“, gingen auf Reise. Weitere Kofferserien folgten in den vergangenen Jahren. Oberstes Ziel: „Extrem leicht und trotzdem stabil, denn gerade das Gewicht spielt für Flugreisende eine immer größere Rolle“, weiß Mühldorf.
Die komplette Kofferfertigung findet in Hauzenberg statt, wo das Unternehmen „Karl Mühldorf Kunststofftechnik“ heute 26 Mitarbeiter beschäftigt. „Unsere Mitarbeiterzahl hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt“, sagt der Inhaber. Er führt dies insbesondere auch auf die hohe Flexibilität der Angestellten sowie die sehr gute Qualität der gefertigten Produkte zurück. „Unsere Reisekoffer für die Firma Titan sind die einzigen, die heute noch komplett in Deutschland hergestellt werden“, so Mühldorf.
Das Thema Kunststoff begleitet den heute 58-Jährigen sein gesamtes Berufsleben: Bereits mit 15 Jahren begann der gebürtige Niederbayer in einem Kunststoff-Betrieb zu arbeiten. Mit 23 holte er seine Ausbildung als „Kunststoff-Formgeber“ nach und absolvierte die Meisterprüfung für „Kunststoff und Kautschuk“. Später wurde er in dem Neureichenauer Unternehmen („Parat“) Schichtleiter, Abteilungsleiter und Prokurist. Lange trug sich Karl Mühldorf mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen. Verschiedene Unternehmen schaute er sich mit dem Ziel an, dort einzusteigen. Als sich die Gelegenheit dazu ergab, wagte er den großen Schritt: 2004 erwarb er ein mittelständisches Kunststoff-Unternehmen in Rheinstetten bei Karlsruhe. „Schon damals hatte ich den Gedanken, irgendwann in die niederbayerische Heimat zurückzukehren“, erinnert sich der Kunststoff-Experte.
„Wollte von Anfang an auf Innovation setzen und in Nischen arbeiten“
2008 war es dann soweit: Er verlegte den Produktionsstandort nach Jahrdorf bei Hauzenberg. Seine Frau Inge, die auch heute Verantwortung im Unternehmen trägt, unterstützte ihn dabei tatkräftig. Auch sein Sohn Michael, heute 35 Jahre alt, sowie seine Schwiegertochter Sandra helfen seit der Verlagerung tatkräftig mit. „Der Übergang klappte reibungslos“, blickt Karl Mühldorf zufrieden zurück. In Niederbayern begann dann die eigentliche Erfolgsstory, auf die der Unternehmer stolz ist: Im Laufe der Jahre wuchs die Zahl der Beschäftigten – und auch dank seinen Netzwerks in der Branche gelang es ihm, Projekte wie die 3D-Kennzeichen und die innovativen Kunststoff-Koffer umzusetzen.
Daneben produziert Mühldorfs Unternehmen heute auch technische Teile für Baumärkte wie beispielsweise verschiedene Verteilerdosen, tiefgezogene Verpackungstrays sowie Teile für die Automobilindustrie. Bis heute steht Karl Mühldorf nach eigenen Worten ab und an noch selbst an der Maschine. „Wir sind eine Familie, wo jeder mit anpackt.“
Mit dem Unternehmen, das der Kunststoff-Fachmann einst erwarb, hat das heutige Werk nur noch wenig zu tun. „Ich habe neue Schwerpunkte gesetzt, weil der Massenmarkt beispielsweise für Produkte in der Elektroinstallation sehr hart umkämpft ist und es auch viele Billig-Lieferanten aus dem Ausland gibt“, so Mühldorf. „Ich wollte von Anfang an auf Innovation setzen und in Nischen arbeiten.“ Heute machen die „Erfolgs-Nischen“ – dazu gehören auch Vogelschutz-Hauben aus speziellen Folien für Hochspannungsleitungen – ihm zufolge mehr als die Hälfte des Umsatzes aus. Tendenz steigend.
„Die Reise ist noch nicht zu Ende, das Ziel noch nicht erreicht“
In Zukunft hat Karl Mühldorf noch viel vor: Er sei gerade wieder am Tüfteln und habe noch jede Menge Ideen, verrät der Unternehmer. Konkret arbeitet er an einem Projekt für die Automobilindustrie sowie an weiteren Innovationen im Bereich Kennzeichen und Reisekoffer. „Ich will in den nächsten Jahren noch vieles ausprobieren“, sagt er – und ergänzt: „Die Reise ist noch nicht zu Ende, das Ziel noch nicht erreicht.“
da Hog’n/obx-news