Waldkirchen/Regen. Ob in einem neu gebauten Hotel oder in einem historischen Gebäude – es scheint, als wären die Brandschutz-Auflagen im Laufe der Zeit immer aufwändiger geworden. Der Betrieb des Restaurants im Waldkirchener „Herzstück„, das vor Kurzem offiziell seine Eröffnung feierte, ist momentan nur geduldet. Denn die endgültige Brandschutzprüfung für das gesamte Haus (Restaurant und Hoteltrakt) liegt bis dato dem Landratsamt noch nicht vor. In Regen diskutiert der Stadtrat derweil, ob das „Fressende Haus“ erweitert werden soll – man befürchtet hohe Kosten für entsprechende Brandschutzmaßnahmen. Es stellt sich die Frage: Nimmt der Brandschutz Überhand?
Seit mehr als zehn Jahren erstellt Felix Ulrich, Inhaber der in Kirchberg im Wald ansässigen Firma „IBU Brandschutz„, Konzepte für Immobilien, um im Ernstfall gewappnet zu sein. Er sagt: „Die baurechtlichen Anforderungen des Brandschutzes sind von 1962 bis heute nicht gestiegen.“
Mit der Haftungsangst haben sich die Kontrollen vermehrt
Vergleiche man die Bauordnung von damals mit der aktuell gültigen Fassung, seien die brandschutztechnischen Anforderungen sogar „bauherrenfreundlicher“ geworden. Durch einige Sonderfälle – wie etwa den Brand in Schneitzelreuth sowie dem Dauerthema Berliner Flughafen „BER“ – werde in der Öffentlichkeit jedoch häufig der Eindruck erweckt, dass die Sache mit dem Brandschutz nicht funktioniere, sie immer teurer und aufwendiger werde. „Grundsätzlich ist bei beiden Objekten nicht der Brandschutz schuld, sondern die unsachgemäße Nutzung eines Gebäudes oder bauliche Mängel durch ausführende Firmen“, sagt Ulrich.
Die Verantwortung für öffentlich zugängliche Gebäude tragen beim Brandschutz die Kommunen. Sie müssen sicher gehen, dass in ihren Immobilien im Brandfall keine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit der Besucher besteht. Daher führen sie die sog Feuerbeschau durch. Zu welchem Zeitpunkt die Verantwortlichen diese durchführen, entscheiden die Kommunen selbst – festgeschriebene Fristen gebe es dafür nicht, wie Ulrich betont. Er ergänzt: Seit sich eine gewisse Angst davor eingestellt habe, die Haftung im Ernstfall zu übernehmen, würden vermehrt Kontrollen stattfinden. Eine Feuerbeschau könne durch die Mitarbeiter der Gemeinden ausgeführt werden – auch mit Unterstützung von Fachleuten (Feuerwehr, Kaminkehrer etc.).
„Seit das Thema derart in der Öffentlichkeit steht, versuchen immer mehr Baubeteiligte den Brandschutz in das Portfolio ihres Betriebs mit aufzunehmen, obwohl nicht zwangsläufig das notwendige und fundierte Wissen vorhanden ist“, ist sich Felix Ulrich sicher. In den klassischen Studiengängen des Bauwesens werde die Brandschutzfrage oft nur marginal angeschnitten. Ulrich selbst ist diplomierter Bau-Ingenieur und hat Brandschutz-Ingenieurwesen studiert.
Aus der Angst der Bürgermeister machen viele ein Geschäft
Ihm zufolge ist das größte Problem bei vielen Feuerbeschauen, dass der Bestandsschutz eines Gebäudes nicht mit bewertet werde: „Oft sucht man dabei nur Fehler nach heutigem Recht.“ Da in einem alten Gebäude natürlich nicht alles mit neuesten Materialien und nach einem modernen Brandschutzkonzept errichtet worden sei, würden bei Feuerbeschauen oft lange Listen erstellt, auf der viele Punkte nicht mit heutigen Vorgaben übereinstimmten. Ulrichs Erfahrung nach werden allzu häufig Elemente bemängelt, die eigentlich nicht im Prüfungsumfang enthalten sind. Es würden Mängel-Listen erstellt werden, die den rechtlichen Stand des Gebäudes nicht widerspiegeln. „Bürgermeister werden durch solche Listen verunsichert und schalten zur Unterstützung das zuständige Landratsamt ein“, erklärt Ulrich weiter. Das dortige Bauamt müsse dann beurteilen, ob eine konkrete Gefahr für Gesundheit und Leben bestehe. Wenn dies der Fall sei, müsse das betreffende Gebäude sofort gesperrt werden.
So geschehen beispielsweise im Jahr 2016 in der Asylunterkunft in Neuschönau: Die Gemeinde hatte eine Feuerbeschau durchgeführt und dabei erhebliche Brandschutzmängel festgestellt. 16 Monate lang hatten Asylbewerber in der Unterkunft gewohnt, dann wurden der zweite Stock sowie das Dachgeschoss im Rahmen einer von kritischen Stimmen als „Nacht-und-Nebel-Aktion“ bezeichneten Anordnung geräumt – und die Bewohner in einer Turnhalle untergebracht.
Die Bauaufsichtsbehörde hatte damals festgestellt, dass Brandschutztüren nicht mehr funktionierten, dass doppelt so viele Personen dort untergebracht seien wie Gästebetten genehmigt waren – und dass sowohl der erste als auch der zweite Rettungsweg wegen baulicher Mängel und zu hoher Belegung nicht ausreichend gesichert seien. Die Freiwillige Feuerwehr hatte ebenso wenig garantieren können, alle Personen im Brandfall durch sog. Anleitern retten zu können.
In Fällen, bei denen mehrere erhebliche Mängel festgestellt werden und die Behörden eine konkrete Gefahr sehen, warte man keinen Tag länger ab, sondern sperre das Gebäude sofort ab – oder, wie im Fall der Neuschönauer Asylunterkunft, zumindest einen Teil des Gebäudes. Eine „konkrete Gefahr für Gesundheit und Leben“ bestehe jedoch nur selten, auch wenn bei vielen Feuerbeschauen Mängel beim Brandschutz festgestellt werden, erklärt Fachmann Felix Ulrich.
Fehlender zweiter Rettungsweg: Kein Grund zur Panik
Ein dreistöckiges Schulgebäude aus den 1960er Jahren etwa genieße Bestandsschutz – auch wenn es ohne zweiten baulichen Rettungsweg genehmigt wurde und sich sowohl das Gebäude als auch dessen Nutzung über die Jahre hinweg nicht verändert haben.
In der Rechtsprechung werde die konkrete Gefahr für Leib und Leben laut Ulrich wie folgt erläutert: Sie besteht, wenn der zweite Rettungsweg vollständig fehlt und der erste Rettungsweg mit Mängeln behaftet ist. Wenn nach einer Feuerbeschau ein zweiter baulicher Rettungsweg zu unrecht gefordert wird, veranlasst die Kommune zumeist den Bau einer Außentreppe. „Diese Entscheidung wird selten in Frage gestellt, da die beauftragte Person als fachlich geeignet angesehen wird und das Vertrauen der Gemeinde genießt“, sagt der Fachmann.
Anders im Fall des „Fressenden Hauses“ in Regen. Auch hier fehlt ein zweiter Rettungsweg. Das historische Gebäude ist Teil der Burgruine Weißenstein. Dort finden Kulturveranstaltungen und Ausstellungen statt. Da der Stadtrat überlegte, die Ausstellung zu erweitern, ließ er eine Brandschutzbeurteilung vornehmen – bei welcher der fehlende zweite Rettungsweg bemängelt wurde. Regens Bürgermeisterin Ilse Oswald hat jedoch entschieden: Veranstaltungen und Ausstellungen finden weiter statt.
„Das Fressende Haus ist in einem rechtmäßigen brandschutzrechtlichen Zustand und so seit 1984 in Betrieb“, teilt Martin Wiesbauer vom Kulturamt Regen auf Hog’n-Anfrage mit. Ob jedoch eine konkrete Gefahr durch den fehlenden zweiten Rettungsweg entstehe, müsse letztendlich Bürgermeisterin Oswald entscheiden, denn: Sie sei als Chefin der Verwaltung am Ende diejenige, die die Verantwortung trägt.
Für ein Förderverfahren, um das man sich für die Erweiterung der Ausstellung bewerben wolle, sei Voraussetzung, dass gewisse Brandschutzvorgaben erfüllt seien, so Wiesbauer. Der Stadtrat in Regen war sich jedoch in seiner jüngsten Sitzung noch nicht über das weitere Vorgehen einig. Die Förderanträge wurden vorerst gestoppt. Man wolle den Brandschutz verbessern, eine Generalsanierung des Gebäudes sei jedoch für die Stadt Regen momentan finanziell nicht möglich, informiert Wiesbauer weiter. Deshalb schrecke man davor zurück, nach der Brandschutzbeurteilung ein umfassendes Brandschutzkonzept erstellen zu lassen.
Teuer könnte eine Sanierung auch deshalb werden, da beim „Fressenden Haus“ der Denkmalschutz ebenfalls ein Wörtchen mitrede wenn es darum geht, im Sinne des Brandschutzes etwas am ehemaligen Getreidespeicher der Burganlage Weißenstein zu verändern. Genau das spricht jedoch für ein umfassendes Brandschutzkonzept. Denn dann kann auch der Bestandsschutz genauer betrachtet – und die Brandschutzmaßnahmen können auf die Gegebenheiten abgestimmt werden.
Herzstück Waldkirchen: Restaurant-Betrieb vorerst nur geduldet
Am besten funktioniert das, wenn man bereits bei der Planung einer Sanierung den Brandschutzexperten mit einbezieht. Claus Löfflmann hat das gemacht, als er die Kern-Sanierung des ehemaligen Gasthofes „Lamperstorfer“ in Waldkirchens Stadtmitte in Angriff nahm, um das Hotel-Restaurant „Herzstück“ daraus zu machen. „Schon bei der Entwurfsplanung fließen in diesem Fall die Brandschutzmaßnahmen mit ein“, erklärt Ingenieur Felix Ulrich. „Man kann dann schon von Anfang an alles aufeinander abstimmen.“ Seine Firma hat das Brandschutzkonzept für das „Herzstück“ erstellt.
Löfflmann hat sich in der Folge dafür entschieden, das Brandschutzkonzept von einem Prüfsachverständigen abnehmen zu lassen. Diese Vorgehensweise stehe jedem Bauherrn frei. Die Alternative: Ein Mitarbeiter des Landratsamtes führt die Abnahme durch. Der Vorteil des Prüfsachverständigen: Er arbeitet eng mit denjenigen zusammen, die das Brandschutzkonzept erstellen und ist selbst immer wieder auf der Baustelle zugegen, um den Fortgang der Maßnahmen zu überprüfen. Nur so sei es im „Herzstück“ möglich gewesen, das Restaurant vorzeitig zu eröffnen – lange bevor die Hotelbaustelle abgeschlossen war. Denn eine endgültige brandschutztechnische Genehmigung hat der gastronomische Betrieb samt Hotellerie bis dato noch nicht.
Im Hotel habe der Prüfsachverständige für Brandschutz inzwischen die letzten Kleinigkeiten abgenommen, wie Löfflmann informiert. Der finale Prüfbericht des Prüfsachverständigen, die sog. Prüfbescheinigung II, sei derzeit noch in Arbeit. Das Dokument bescheinige, dass das Brandschutzkonzept mit den baulichen Ausführungen übereinstimme.
Erst wenn diese dem Landratsamt Freyung-Grafenau vorliege, erhalte auch das Restaurant die offizielle, brandschutzrechtliche Genehmigung. Momentan sei der Betrieb dort deshalb lediglich „geduldet“, wie Karl Matschiner, Pressesprecher am Landratsamt FRG, auf Anfrage bestätigt. Dieser betont: „Das Landratsamt ist in den Prüfprozess nicht miteingebunden. Der Prüfsachverständige entscheidet vollkommen eigenständig. Das Landratsamt ist an dessen Entscheidung gebunden.“ Die Behörde prüfe am Ende nur noch formell, ob die erforderliche Bescheinigung des Sachverständigen für Brandschutz vorliege.
Nicht alle Vorgaben müssen stur eingehalten werden
Generell liege vieles in der Verantwortung der Prüfsachverständigen bzw. der genehmigenden Behörde. Diese können in Abstimmung mit den Fachplanern abwägen, ob ein Fluchtweg auch einmal 43 statt 35 Meter lang sein dürfe – wenn dafür andere geeignete Maßnahmen ergriffen werden und so die Wahrscheinlichkeit verringert werde, dass durch einen etwas längeren Rettungsweg Gefahr entsteht. „Wenn man sich in allen Punkten stur nach der bayerischen Bauordnung richtet, kann es sehr teuer und kompliziert für den Bauherrn werden“, sagt Brandschutz-Experte Ulrich. Aus langjähriger Erfahrung heraus wisse er, dass die Zusammenarbeit mit den Prüfsachverständigen etwaige Sonderlösungen ermögliche. „Letztendlich geht es immer um die Haftungsübernahme.“
Herzstück-Inhaber Claus Löfflmann bestätigt, dass die Brandschutzanforderungen einen enormen Zeit- und Kostenaufwand mit sich bringen. Sinnvoll seien diese jedoch durchaus, wie er betont. Noch bis Ende Mai* habe er nun Zeit, den noch ausstehenden Prüfbericht dem Landratsamt vorzulegen. Erst dann ist auch das Restaurant nicht nur mehr „geduldet“, sondern auch ganz offiziell genehmigt.
Sabine Simon
*UPDATE vom 23.05.2019: Wie eine Nachfrage der Hog’n-Redaktion (am 16. Mai 2019) beim zuständigen Landratsamt Freyung-Grafenau in Sachen „Herzstück Waldkirchen“ ergeben hat, liegt die Prüfbescheinigung II dem Landratsamt bislang noch nicht vor. „Somit bleibt es weiterhin bei der Aussage der vorläufigen Bescheinigung, die entsprechende Duldungsfrist wurde vom Prüfsachverständigen für Brandschutz bis zum 01.10.2019 verlängert.“
Ist das nicht irgendwie klassisch Spieltheorie:
Man hatte bei Brandschutz versucht die Gutachter und die Beamten auch mal in die Pflicht zu nehmen. Damit nicht jeder Blödsinn begutachtet und Genehmigt wird. Es sterben ja auch 400 Personen pro Jahr bei Brandfällen. Das klingt erst einmal nicht schlecht.
So werden die handelnden Personen bei zu lascher Auslegung mit persönlicher Haftung und Strafe bedroht. Wenn dann etwas passiert. Das finden viele noch total richtig. Ich übrigens prinzipiell auch. Wir retten damit Leben!
Bei zu strenger Auslegung passiert den Entscheidern in den Behörden und Sachverständigen wiederum nichts. Warum sollte auch kann man sich fragen. Es kostet ja keine Leben, wenn wir zu viel machen.
Die Kosten trägt zu dem ein anderer. Da kann man ruhig mal für eine Halle eine Brandmeldeanlage fordern, die auch für einen Flughafen ginge (so geschehen und nur knapp verhindert). Es kostet ja nichts. Und vielleicht retten wir ja ein Leben. Gibt der Antragende auf, dann passiert weder dem Sachverständigen noch der Behörde etwas. Der Wirtschaft an sich mag es schlechter gehen. Den Einzelfall merkt man aber nicht. Waldkirchen lebt auch ohne den „Lamperstorfer“ weiter.
Jetzt also die Frage, warum sollte ein logisch denkender Beamter oder der Sachverständige nicht das höchst denkbare Fordern und darauf noch etwas drauf legen? Würde irgend jemand von uns anders handeln?
Das gewählte System führt dabei ganz automatisch zu dieser Situation. 100 Leute weniger pro Jahr sind seit 2010 jährlich bei Bränden gestorben. Jedes Leben ist wichtig! Andere Statistiken von Todesursachen sprechen allerdings meist von 10.000enden. Ca. 25.000 Unfalltote in Deutschland 2017. 350 davon offensichtlich durch Brand. Das ist jetzt nicht ganz sauber recherchiert, bei den Größenordnungen wohl auch nicht notwendig um es zu verstehen. Es ist weiter meines Wissen auch gar nicht klar, ob die in Brandschutz investierten Milliarden den Rückgang der Toten verursacht haben, oder ganz andere Dinge dahinter stecken. Z.B. bessere Ausbildung der Feuerwehren?
Rund bekomme ich das nicht. Vielleicht mal die Spieltheorie bemühen, bevor man so etwas macht.