Weder gehörte Don Felder zu den Gründungsmitgliedern der wohl größten Country-Rock-Band der Welt, der Eagles, noch war er bis zu deren (zweiten) Auflösung im Jahr 2016 mit an Bord. Dennoch hatte der 71-Jährige Gitarrist großen Einfluss auf den prägnanten Sound der Band, was nicht zuletzt an einem der beeindruckendsten Gitarrensoli der Rockgeschichte liegen dürfte: dem Duett mit Joe Walsh im Jahrhundert-Song „Hotel California“, dessen Co-Autor Felder ist. Übrigens ist das Ausfaden dieses Solos eine der großen Todsünden im Radio-Metier, das wohl zu so manchem entnervten Aus-dem-Fenster-Werfens des unschuldigen Geräts und heftigen Verwünschens des schuldigen Moderators geführt haben dürfte…
Balladeske sowie knackig-rockende Töne in allerbester US-Manier
Don Felder ist also nicht nur lebende Legende, sondern auch ein quicklebendiges Beispiel für großartigen Classic Rock, den er auch mit seinen Eagles-Kollegen Walsh, Don Henley und Glenn Frey und in von ihm (mit-)komponierten Hits wie „Victim Of Love“, „Those Shoes“ oder „New Kid In Town“ huldigte. Mit „American Rock’n’Roll“ legt der Gitarrist, der seit 1998 in der Rock-And-Roll-Hall-Of-Fame ist, nun sein drittes Soloalbum vor, das einen kaum passenderen Titel haben könnte. Das wird schon im Titeltrack, der das Album eröffnet, mehr als deutlich, weil Felder hier nicht nur Jimi Hendrix, Bruce Springsteen und Carlos Santana erwähnt, sondern auch von Slash, Mick Fleedwood und Chad Smith mit Soli unterstützt wird. Mehr „American Rock’n’Roll“ geht wohl nicht.
Aber auch der Rest des Albums, das insgesamt elf Songs in einer knappen Dreiviertelstunde bereithält, weiß mit mal gefälligen, dann balladesken oder auch knackig-rockenden Tönen in allerbester US-Manier zu gefallen. „Charmed“ kommt da fast schon sperrig daher, gefällt aber mit tollen Soli und einem eingängigen Refrain, während das nachfolgende „Falling In Love“ nicht nur im Titel die 80er-Jahre wiederauferstehen lässt, sondern auch musikalisch deutlich macht, wie Bombast-Balladen jener Zeit zu klingen haben – vor allem die mehrstimmigen Bridge-Teile, die zum Refrain führen, sind Zuckerwatte, Popcorn und ein wenig Glitzer in Reinkultur. Und auch der unglaublich warme Gitarrensound tut einfach nur gut, die fette Stadion-Produktion der Großmeister Bob Clearmountain (Springsteen, Stones, Toto…) und Bernie Grundman (Prince, Michael Jackson, Steve Vai…) füllt jede noch so kleine Lücke auf.
Klar, die Themen sind allesamt nicht neu, aber es kommt ja auch darauf an, wie man ältere Kekse wieder schmackhaft macht. Und das kann der Chef-Adler wirklich wie kein Zweiter. Man nehme etwa das von einer prägnanten Queen-Bassline getragene „Hearts On Fire“, den wuchtigen Stampfer „Limelight“ mit seinen cheesy Orgelklängen oder den öligen „Little Latin Lover“, bei dem man sich fragt, wer oder was bei diesem Sommerhit denn wohl klein sein sollte… Ganz sicher nicht der coole Rhythmus – und ganz bestimmt auch nicht die feinen Akustikgitarren-Einschübe.
„American Rock’n’Roll“: Bewerbungsschreiben für einen Musikstil
Leider teilt der Promo-Zettel der Plattenfirma nicht mit, bei welchem Song welcher der zahlreichen Gast-Musiker das Seinige zum Gelingen beiträgt. Aber bei einem fulminanten Stadion-Rocker wie „Rock You“ dürften Musiker wie Richie Sambora, Orianthi, Alex Lifeson, Joe Satriani oder Sammy Hagar – um nur einige auf der eindrucksvollen Liste zu nennen – jedenfalls gut aufgehoben sein. Keine Frage, dieser Song rockt sich und die Hörer ins Nirwana – und wieder zurück! Klar, „She Doesn’t Get It“ fällt da im direkten Anschluss ein wenig ab, aber keineswegs so stark, wie man meinen möchte. Denn für so einen mehrheitsfähigen Refrain würde so manch anderer Rocker zwei seiner zehn Finger abgeben.
Im letzten Drittel wird’s dann nochmal ein wenig melancholisch – „Sun“ ist eher der chillige Sonnenuntergang mit einem Sundowner in der Pfote und einem brutzelnden Steak auf dem Grill, als der agile, wilde Sonnenaufgang, bei dem der ganze Tag noch vor einem liegt. Dennoch – oder gerade deswegen? – berührt einen dieser Song tief drinnen, macht so ein kleines warmes Feuerchen in der Magengrube und verleitet zum Schunkeln. Mit sich selbst, klar, denn echte Rocker schunkeln nicht zusammen…
Einen Abstecher zu den frühen Eagles der 1970er Jahre gibt es dann mit „The Way Things Have To Be“, das einen fast glauben lässt, einen verlorenen Song der Band entdeckt zu haben. Den absolut relaxten Schlusspunkt unter jene hervorragende Werkschau dieses schon im Rentenalter befindlichen Musikers markiert dann das mit tollen Harmoniewechseln versehene „You’re My World“.
Fraglos: „American Rock’n’Roll“ könnte glatt als Bewerbungsschreiben für einen ganzen Musikstil durchgehen! Und – dieser Adler fliegt noch hin höchsten Höhen.
Wolfgang Weitzdörfer
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- VÖ: 26. April 2019
- Label: BMG
- Songs: 11
- Spielzeit: 44:36 Minuten
- Preis: ca. 16 Euro