Mangelnde Impfbereitschaft ist derzeit wieder in aller Munde: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt sie zu den größten Gesundheitsrisiken der Welt. Politiker wie Karl Lauterbach (SPD) denken laut über eine Impfpflicht nach. Vor allem größere Masernausbrüche sind immer wieder Auslöser hitziger Diskussionen: Könnte eine Impfpflicht sie verhindern?
Während es in Ländern wie Frankreich, Tschechien oder Italien eine Impfpflicht für bestimmte Krankheiten gibt, überlässt Deutschland es den Eltern, gegen was und zu welchem Zeitpunkt sie ihre Kinder impfen lassen. Einen indirekten Impfzwang erkennen viele Bürger hierzulande jedoch bereits darin, dass einige Kindertagesstätten mittlerweile nur noch geimpfte Kinder aufnehmen.
„Impfgegner stehen auch im realen Leben unter Beschuss“
Es stellen sich zwei entscheidende Fragen: Warum lassen manche Eltern ihre Kinder impfen? Und warum manche nicht? Die Hogn-Redakteure Sabine Simon und Stephan Hörhammer haben sich darüber unterhalten. Während Sabine es wichtig findet, ihre Kinder impfen zu lassen, ist Stephans Sohn einer von rund zehn Prozent der Kinder in Deutschland, die keine Impfung erhalten.
Sabine: Vor Kurzem hat sich der Postillon ziemlich sarkastisch dem Impf-Thema angenommen – und eine Satire zum fiktiven Tod eines ungeimpften Kindes veröffentlicht. Ich fand die Geschichte nicht gut, obwohl ich klar für das Impfen eintrete. Auch wenn es sich um Satire handelt: Dieser Artikel macht Impfgegner nur wütend, weil er ihnen quasi vorwirft, ihre Kinder umzubringen. Ich finde: Die Diskussion ums Impfen ist im Internet – wie so manches andere – völlig entartet. Man greift sich gegenseitig nur noch an, ohne sich um eine gemeinsame Gesprächsbasis zu bemühen.
Stephan: Nicht nur im Internet. Impfgegner stehen auch im realen Leben ziemlich unter Beschuss. In Großstädten gibt es mittlerweile Kindertagesstätten, die nur noch geimpfte Kinder betreuen wollen. Ärzte schicken kleine Patienten weg, weil ihre Eltern sich nicht darauf einlassen möchten, dem Kind sämtliche vom Arzt empfohlenen Impfungen injizieren zu lassen.
Sabine: Aber da nimmt sich keine Seite was: Wenn du dir die Propaganda anschaust – und ich benutze bewusst dieses Wort -, die manche Impfgegner im Internet gegen jegliche Impfbefürworter betreiben, dann erinnert mich das schon sehr an politische Auseinandersetzungen, in denen leider immer öfter der Satz „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ fällt…
Stephan: Beim Impfthema hab ich tatsächlich manchmal das Gefühl, dass man nichts gegen die Impfpolitik sagen darf, denn sonst gilt man sofort als alternativer Spinner oder Verschwörungstheoretiker. Ich jedenfalls sehe manches sehr kritisch, möchte mein Kind nicht impfen lassen, nur weil es die „Herde“ so macht…
„Was, wenn er ein Baby mit schwachem Immunsystem ansteckt?
Sabine: Und das ist genau das Stichwort: Impfungen erfüllen nun mal nur dann ihren vollen Zweck, wenn möglichst alle sie machen lassen. Ich kritisiere dich auch gar nicht dafür, dass du dein Kind dem Risiko aussetzt, Krankheiten wie Diphterie oder Masern zu bekommen. Mir geht es um diejenigen, die sich nicht impfen lassen können – weil sie noch zu klein dafür sind oder eine Immunschwäche haben. Wenn dein Sohn sich mit einer Krankheit ansteckt, gegen die man ihn impfen hätte können und dann, sagen wir mal, den Erreger an ein wenige Tage altes Baby weitergibt, bei dem die Krankheit schlimm verläuft oder sogar tödlich endet – was dann?
Stephan: Du gehst ganz selbstverständlich davon aus, dass Impfungen sicher vor Krankheiten schützen. Es heißt auch immer, dass Pocken und Kinderlähmung durch das Impfen ausgerottet wurden. Sichere Beweise dafür gibt es aber nicht. Vielleicht sind diese Krankheiten auch einfach deshalb nicht mehr existent, weil sich die Hygiene und unser Essen enorm verbessert haben. Dazu kommt: Die Impfindustrie bauscht meiner Meinung nach die Gefährlichkeit von Krankheiten häufig allzu sehr auf, um die Leute zum Impfen zu bewegen. Noch vor vierzig Jahren war es ziemlich normal, wenn Kinder die Masern oder Windpocken bekommen. Ich selbst hatte Masern, Mumps, Röteln und Windpocken „überlebt“. Heutzutage wird immer wieder darauf verwiesen, dass diese Krankheiten in seltenen Fällen auch tödlich verlaufen könnten. Dabei hört man immer wieder, dass es für die Entwicklung eines Kindes vielleicht sogar förderlich sei, etwaige Krankheiten zu durchleben. Mir hat’s definitiv nicht geschadet.
Sabine: Sorry, aber ob ein Kleinkind durch tagelanges Schlapp-im-Bett-Liegen mit hohem Fieber reifen kann, möchte ich doch arg bezweifeln. Meine Kinder sollen lieber reifen, wenn sie fit draußen spielen können. Und Krankheiten wie Masern, Diphterie oder Keuchhusten sind derart ansteckend, dass du dich noch so gesund ernähren und du noch so hygienisch leben kannst – den Erregern macht das nichts aus. Noch einmal: Für deinen kerngesunden, mittlerweile den Babyschuhen entwachsenen Sohn sind Masern sehr wahrscheinlich nicht tödlich. Doch was, wenn er einen Menschen ansteckt, der ein geschwächtes Immunsystem hat? Oder ein kleines Baby?
Stephan: Und was ist, wenn er durch die Impfung selbst krank wird? Man hört so oft von Babys, die nach der verabreichten Impfdosis – häufig eine Mixtur gegen sechs mögliche Krankheitsbilder gleichzeitig – zu fiebern und zu fantasieren beginnen und ganz „neben der Spur“ stehen…
„Im Grunde ist das Thema eine Glaubensfrage“
Sabine: Ich habe mittlerweile meine drei Kinder impfen lassen – und keines hat darunter gelitten. Das ist natürlich jetzt ein Einzelfall und rein meine persönliche Erfahrung – aber Impfgegner wie Du schützen ja auch häufig beispielhafte Einzelfälle vor. Klar hat der Körper damit zu kämpfen, wenn er Antigene gegen eine Krankheit aufbaut. Und es gibt kein Medikament ohne Nebenwirkungen. Aber Impfstoffe werden stetig verbessert. Tausende Wissenschaftler befassen sich seit fast 150 Jahren mit der Forschung zum Thema Impfen.
Stephan: Klar, weil sie und die damit verbundene Pharmaindustrie jede Menge Kohle daran verdienen…
Sabine: Ein gängiges Argument der Kritiker. Auch dazu habe ich viel gelesen: Die Entwicklung und Herstellung dieser Stoffe ist wahnsinnig kompliziert und kostet enorm viel Zeit. Ich bezweifle sehr, dass der Profit, der mit Impfstoffen zu machen ist, derart groß ist, wie Impfgegner oft behaupten. Da wäre mit entsprechenden Medikamenten gegen die Krankheiten sicher mehr Gewinn zu machen. Und ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass „die Pharmaindustrie“ Impfstoffe in millionenfachen Umlauf bringen würde, wenn sich deren Vertreter nicht sicher wären. Eine Zahl dazu habe ich gefunden, die ich wichtig finde: Im Jahr 2008 wurden mehr als 45 Millionen Impfdosen verabreicht. Im selben Jahr gab es eine vergleichsweise hohe Anzahl von anerkannten Impfschäden: 43 Fälle. Das sind sage und schreibe 0,0001 Prozent.
Stephan: Und wie viele unentdeckte Impfschäden gibt es deiner Meinung nach? Hast du da auch nach irgendwelchen Zahlen recherchiert? Für mich steht jedenfalls fest: Solange Zweifel existieren – und ich finde sie durchaus in einigen Punkten nachvollziehbar – will ich mein Kind den Risiken einer Impfung bzw. eines daraus resultierenden Impfschadens nicht aussetzen. Seien es unsichere Inhaltsstoffe oder der Zweifel daran, ob Impfschäden überhaupt publik gemacht werden.
Auch das BR-Satire-Magazin „quer“ hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt:
Sabine: Und ich will all den Medizinern und Pharma-Experten auf der ganzen Welt nicht unterstellen, dass sie etwaige Impfrisiken nicht genug erforschen oder nicht publik machen. Wir könnten sicher noch stundenlang diskutieren und keiner kann den anderen wohl überzeugen. Im Grunde ist das Thema eine Glaubensfrage: Vertraue ich unserem Gesundheitssystem oder nicht? Ich persönlich bin mir sicher, dass all die Menschen, die mit der Entwicklung, Verbesserung und Prüfung von Impfstoffen zu tun haben, Ahnung davon haben, was sie tun. Dass sie niemandem schaden, sondern so viele schlimme Krankheitsverläufe wie nur möglich verhindern wollen. Ich selbst maße mir nicht an, dass ich schlauer bin als all diese Wissenschaftler.
Stephan: Ein gewisses Maß an Demut vor den Erkenntnissen der Wissenschaft schadet sicher nicht. Eine Mischung aus Angst, Leichtgläubigkeit und unhinterfragter Obrigkeitshörigkeit hingegen schon. Doch wie du bereits gesagt hast: Das Thema ist eine Glaubensfrage. Wenigstens darin sind wir uns einig.
Impfen – ja oder nein? Wir geben die Frage an unsere Hog’n-Leser weiter und freuen uns auf Eure Meinungen in unserer Kommentarspalte gleich unter diesem Artikel sowie auf unserer Facebook-Seite.
da Hog’n