Mit dem 8. März 2019 hat Berlin einen freien Tag mehr. Erstmals gilt der Internationale Weltfrauentag in diesem Jahr in dem Rot-Rot-Grün regierten Bundesland als gesetzlicher Feiertag. Sowie auch in diversen anderen Ländern der Welt, etwa in Russland, Armenien, der Ukraine oder Uganda. In China dürfen Frauen am 8. März nachmittags die Arbeit niederlegen. Kann dieses Modell auch ein Vorbild für Bayern werden? Das zumindest fordert die Vorsitzende der SPD-Landesfraktion, Simone Strohmayr.
Seit 19. März 1911 wird der Weltfrauentag weltweit gefeiert, seit 1921 jeweils am 8. März. Er geht zurück auf sozialistische und feministische Kämpfe des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts und zielt seit jeher darauf ab, Gleichstellungspolitik ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Auch wenn vor 100 Jahren das Frauenwahlrecht eingeführt wurde und das Deutsche Grundgesetz im Artikel 3 die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festschreibt, kann selbst heute noch von tatsächlicher Gleichstellung in vielen Bereichen keine Rede sein. So kommt dem 8. März bis heute eine frauenpolitisch gewichtige Rolle zu.
Grundgesetz verpflichtet Staat zur aktiven Förderung der Gleichberechtigung
Im Deutschen Bundestag sind derzeit gerade einmal 31 Prozent der Abgeordneten Frauen, im Bayerischen Landtag sind gar nur 55 der insgesamt 205 Sitze weiblich besetzt. Nach wie vor beträgt der Einkommensunterschied zwischen Mann und Frau satte 21 Prozent (Informationen zur realen und zur bereinigten Gender-Pay-Gap siehe hier). Ein Problem, das auch dazu führt, dass Frauen im Alter oftmals viel weniger Rente beziehen als Männer. Die Quote von Frauen in Aufsichtsräten, in der Führungsriege von Börsenunternehmen und diversen „männlichen“ Berufen bewegt sich oftmals im unteren einstelligen Prozentbereich. Das genaue Gegenteil gilt in sogenannten „Frauenberufen“, beispielsweise in der Kinderbetreuung oder in der Pflege, die oftmals stark unterbezahlt sind.
Außerdem ist Gewalt an Frauen seit jeher ein eklatantes – und oftmals aus der öffentlichen Debatte verbanntes – Problem. Im Jahr 2017, so zeigt ein Bericht des Bundeskriminalamtes, wurden 455 Frauen in Paarbeziehungen von ihren Männern umgebracht, jede 4. Frau in Deutschland erlebt mindestens einmal im Leben physische Gewalt, die von ihrem (Ex-) Partner ausgeht. Strukturelle wie institutionelle Diskriminierung von Frauen, so beklagen diverse Aktivistinnen und Organisationen, sind auch im Jahr 2019 in allen gesellschaftlichen Bereichen trauriger Alltag.
Doch: Nicht nur schreibt der Artikel 3 des Grundgesetzes die Gleichstellung beider Geschlechter vor – er verpflichtet den Staat auch zu deren aktiver Förderung. So heißt es in Abs. 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Angesichts der schleppenden Fortschritte (und in Teilen zu beobachtender Rückschritte) in Sachen Gleichstellungspolitik müsste der 8. März statt eines Feiertags vielleicht besser ein gesetzlicher Kampftag werden. Ein Blumenstrauß pro Jahr wird derlei Ungleichheiten nur schwerlich beseitigen. Deshalb verweist Strohmayr, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, auf die Symbolkraft, die ein gesetzlicher Feiertag am 8. März hätte.
„Solange Frauen in Bayern noch nicht die volle Gleichberechtigung und Gleichstellung haben, sollten wir diesem Tag eine viel größere Bedeutung beimessen“, heißt es von ihr in der Bayerischen Staatszeitung. Geht es nach Strohmayr, solle sich Bayern in diesen Belangen an Berlin orientieren.
Am Anfang war das Wort – dann folgte die Tat
Der Unterschied zwischen Bayern und Berlin: Selbst mit dem neuen Feiertag kommt die Bundeshauptstadt gerade einmal auf zehn Feiertage pro Jahr – Bayern hat bereits jetzt 13. Klar ist auch, ein zusätzlicher Feiertag wird weder Gewalt an Frauen den Garaus machen noch etwas an der Gender-Pay-Gap ändern. Über eine symbolische Wirkung wird ein arbeitsfreier 8. März zunächst schwerlich hinauskommen. Doch waren es historisch betrachtet – in feministischen wie in vielen anderen gesellschaftlichen Kämpfen auch – gerade Symbole, die politische Anliegen erst in den Blick der Gesellschaft rückten und – über den Weg politischer und rechtlicher Maßnahmen – schließlich den Alltag der Betroffenen tatsächlich veränderten. Am Anfang war also meist das Wort. Erst dann folgte die Tat.
Den Stein erstmals ins Rollen brachte beispielsweise die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges. Nachdem am 26. August 1789 im Zuge der Französischen Revolution die Allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte erklärt worden waren, machte de Gouges darin einen eklatanten Mangel aus: In dem Pamphlet war lediglich von „mündigen Bürgern“ die Rede – Frauen waren demnach im Verständnis des 18. Jahrhunderts nicht mitinbegriffen. Im September 1791 wurde daraufhin die von de Gouges verfasste Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin der Nationalversammlung zur Abstimmung vorgelegt. Sie forderte darin die volle rechtliche, politische und soziale Gleichstellung von Frauen. Auch wenn de Gouges Deklaration mittlerweile mehr als 200 Jahre zurückliegt, sind Teile ihrer Anliegen nach wie vor unerfüllt.
Mehr Symbolkraft als ein Strauß Blumen
Neuere Entwicklungen in diese Richtung sind etwa die im Oktober 2017 entfachte #MeToo-Debatte, die sexuelle Belästigungen und Übergriffe von Frauen öffentlich anprangert – und schon so manche männliche Prominenz ins Straucheln brachte. Ob, wann und warum sich ein arbeitsfreier 8. März in diese Kette symbolischer Errungenschaften einreihen wird (und soll), wird sich zeigen. Mehr Symbolkraft als ein Strauß Blumen hätte das allemal.
Johannes Greß
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