Haidmühle. Mit seinem Gespann aus Transporter und Wohnwagen ist Paul Pateman in diesem Winter bereits durch halb Europa gereist: Schweden, Slowakei, Belgien, Frankreich – und jetzt Bayern. Im Transporter sind seine zehn Hunde untergebracht, im Wohnwagen haust er selbst. Paul fährt Schlittenhunde-Rennen. Nun wartet das Saisonhighlight auf ihn und seine kraftstrotzenden Vierbeiner: Bei der Weltmeisterschaft in Haidmühle im Bayerischen Wald kämpfen die weltbesten Musher, wie man die Hundeschlittenführer nennt, um den Titel.

Paul Pateman in seinem Wohnwagen. Jeden Winter ist er rund drei Monate auf Tour. Mit Husky „Viper“ (im Bild) fährt er jedoch keine Rennen mehr: Der Hund ist blind.
Der 60-jährige Engländer schmunzelt und fragt beinah rhetorisch: „Was soll man denn sonst im Winter machen?“ Dass er sehr viel Zeit und Geld in seinen Sport steckt, habe sich nach und nach so ergeben, wie er verrät. Wie er zu seiner Leidenschaft gekommen ist? Er arbeitete – witzigerweise – als Vertreter für Hundefutter, als er gemeinsam mit seiner Frau auf einer Messe einen Malamute-Husky entdeckte. Beide waren sich sogleich einig: „So einen wollen wir auch.“ Sie nahmen daraufhin Kontakt zu einem Züchter auf. „Und dann kam eins zum anderen“, erinnert sich Paul und lacht.
„Ein wunderbares Hobby, um auch mal ohne Frau zu verreisen“
Mittlerweile sind es zehn Hunde, denen er in seinem Transporter ein mobiles Zuhause eingerichtet hat. Er selbst verbringt jedes Jahr rund drei Monate in seinem Wohnwagen – bei Schnee und Kälte. Seine Frau sei nicht immer mit dabei, zur Weltmeisterschaft in Haidmühle wolle sie jedoch nachkommen, berichtet er. Und fügt mit typisch britischem Humor hinzu, dass sein Hobby ein wunderbarer Grund sei, auch einmal ohne sie verreisen zu können.
Paul Pateman selbst ist bereits eine Woche vor den Wettkämpfen im Trainingscamp angekommen und bereitet sich und seine Truppe auf die entscheidenden Rennen vor. Einsam ist Paul ohne seine Frau ohnehin nicht: „Wir Musher sind eine große Familie“, sagt er.
Gerade ist ein guter Bekannter von ihm im Camp eingetroffen: Ein Belgier, der den Stellplatz neben seinem Wohnwagen bezieht. „Er ist der Züchter zweier Hunde von mir“, erklärt der 60-Jährige. Man treffe sich mehrmals im Winter in unterschiedlichen Trainingslagern – und natürlich bei den Wettbewerben.
In Haidmühle trainieren die Musher den ganzen Winter lang
Wie viele „Hot Spots“ es für die Hundeschlitten-Fans gibt, wird schnell klar, als Philipp Bott seine diesjährige Reiseroute beschreibt. Der Schwarzwälder trainiert – wie Musher-Kollege Pateman – in ganz Europa. „Man fährt auch schon mal für zwei Tage in die Slowakei“, gibt er mit einem Schulterzucken zu. Etwa zehntausend Kilometer lege er pro Winter mit seinem Wohnmobil zurück.

„Mein Leader gehorcht absolut auf meine Kommandos.“ Philipp Bott mit seinem Führungshund „Snap“: Dieser läuft ganz vorne weg und leitet die andere Hunde am Schlitten an.
Haidmühle gehört seit Jahren zu den beliebtesten Zielen der Musher. Denn hier steht ihnen von Dezember bis März ein bestens präpariertes Trainingsumfeld zur Verfügung. Bereits eine Woche vor den Weltmeisterschaften ist das Camp voll ausgelastet, Musher aus England, Schottland, Belgien, Holland und Frankreich haben sich auf dem Sportplatzgelände des SC Haidmühle eingerichtet. Die Trainingsstrecke entspricht allerdings nur in kleinen Teilen den eigentlichen Wettkampftrails.
„Ich finde das – im Gegensatz zu vielen meiner Konkurrenten – ganz gut“, sagt Philipp Bott. „Ich bin Perfektionist“ – und als solcher wolle er nicht, dass seine Hunde die Route bereits im Voraus kennen. „Denn im Training machst du Pausen während der Fahrt“, erklärt der 30-Jährige. Beim Rennen würden die Hunde sich dann an diese Unterbrechungen erinnern und eventuell nicht im höchsten Tempo auf diese Stellen zueilen.
Wenn Philipp über seine Leidenschaft spricht, merkt man ihm den Enthusiasmus für seinen Sport an. „Das ist nicht nur ein Hobby“, sagt er. Sein ganzes Leben sei auf die Vierbeiner und den winterlichen Renn-Alltag ausgelegt. Schon immer habe er viel mit Hunden zu tun gehabt. Als seine Mutter einen Husky ins Haus holte, eignete er sich als Jugendlicher Wissen über die Rasse und den Schlittenhundesport an. Bald darauf bekam er drei weitere Hunde und begann mit ihnen im Wald die ersten Schlittenrunden zu drehen.
„Wir Engländer sind sowieso mit jedem Schnee zufrieden“
„Mit 18 habe ich mir dann einen Bus gekauft und damit angefangen, mit den Hunden den Winter über zu verreisen.“ Auch seinen Beruf als Landschaftsgärtner habe er wegen seiner Leidenschaft für den Schlittenhundesport ausgewählt: Dieser ermögliche ihm, von Dezember bis März auf Tour zu sein. „Ich schaffe im Sommer Tag und Nacht“, sagt der Schwarzwälder, der als Gemeindeangestellter arbeitet sowie zusätzlich auf selbständiger Basis. Nur so lasse sich das teure und aufwendige Leben als Musher finanzieren. „Wenn man viel Zeit und Geld investiert, dann fährt man auch Rennen“, sagt Philipp mit überzeugtem Brustton. „Und die Rennen machen mega viel Spaß!“

Die Hundeschlitten-Fahrer sind wie eine große Familie und treffen sich jedes Jahr in den Trainingscamps in ganz Europa.
Rund 7.000 Euro gibt Kollege Paul Pateman jedes Jahr für seine Reisen in die unterschiedlichsten Hundeschlitten-Trainingslager aus. In Haidmühle war er zuvor noch nicht, für die Weltmeisterschaft macht er zum ersten Mal hier Station. Es gefalle ihm bisher recht gut hier. Die Leute seien sehr freundlich, alles sei bestens organisiert. „Und der Schnee auf den Trails ist perfekt“, das habe er bei seiner ersten Fahrt eine Woche vor den Wettkämpfen bereits festgestellt.
Die optimale Trainingszeit ist Pateman zufolge der Vormittag. Denn nachts sei es in Haidmühle bis zu minus zehn Grad kalt, tagsüber steigen die Temperaturen dagegen bis auf plus zehn Grad an. „In den Vormittagsstunden ist der Schnee daher weder zu kalt, noch zu warm“, erklärt er.
„Aber wir Engländer sind sowieso mit jedem Schnee zufrieden“, sagt Paul Pateman mit einem Augenzwinkern. Zuhause in Suffolk, im Osten Englands, habe er gar keinen Schnee. Da trainiere er auf Gras. Das klappt, sobald der Hochsommer vorüber ist. Denn im Hochsommer sei das Training nicht möglich – allzu warm mögen es die Huskys nicht. Statt des Schlittens müstsen seine Hunde zu Beginn der Vorbereitungssaison auch schon mal ein Quad ziehen. „Der Motor ist dabei aus – so bauen sie Muskulatur auf.“
Das Saisonhighlight: die Weltmeisterschaft im Bayerischen Wald
Auch Philipp Bott beginnt bereits im Spätsommer mit dem Training seiner Hunde – viermal pro Woche. Den Sommer über, wenn er viel arbeitet, kümmere sich seine Mutter um die Huskys. Überhaupt ist der Hundeschlittensport bei dem Schwarzwälder eine Familienangelegenheit: Momentan ist sein Vater mit ihm im Wohnmobil unterwegs und hilft bei den WM-Vorbereitungen. Aber auch seine Freundin sei so oft wie möglich mit dabei, sagt Philipp Bott. „Alleine geht es nicht.“
Er wird am kommenden Wochenende genau wie Paul Pateman in der Sprintdistanz an den Start gehen, mit sechs Hunden vor dem Schlitten. Philipp startet für Deutschland, Paul für England. Jedes Land, das Mitglied im Weltverband „World Sleddog Association“ (WSA) ist, darf ein gewisses Kontingent an Startern melden. Deutschland hat in diesem Jahr 50 Plätze zur Verfügung.
Während Philipp Bott offen zugibt, dass er sich sehr penibel auf das Weltmeisterschaftsrennen vorbereitet, wirkt Paul Pateman bisher noch recht gelassen. Doch dann formuliert auch er ein Ziel, das nicht wirklich nach Understatement klingt: „In die Top Ten möchte ich schon kommen. Schließlich bin ich im letzten Jahr bei der Weltmeisterschaft in Schweden Zweiter geworden.“ Wer am Ende die Hunde-Nasenspitze vorne hat, wird sich am kommenden Wochenende zeigen…
Sabine Simon
–> Die Weltmeisterschaft im Schlittenhunderennen finden vom 21. bis 24. Februar in Haidmühle statt –> mehr Infos dazu unter www.haidmuehle.eu