Bayerischer Wald. Sie sind oftmals nicht größer als ein paar Nanometer – und damit um ein Vielfaches kleiner als Feinstaub. Sie kommen vor allem in der Nähe von Flughäfen oder von Dieselmotoren vor. Die Rede ist von sogenannten Ultrafeinpartikeln (kurz: UFP). Wie auch Feinstaub beeinträchtigen sie unsere Gesundheit und unser Klima – nur bisher weiß keiner so recht, wie. Deren Vorkommen beschränkt sich dabei nicht ausschließlich auf Flughäfen. Ultrafeinstaub tritt auch dort auf, wo man ihn eher nicht vermuten würde – im Bayerischen Wald zum Beispiel.
Auch wenn man über UFP bisher nur äußerst wenig weiß – gesichert ist, dass die Kleinstteilchen vor allem in Ballungsräumen in besonders hoher Konzentration auftreten. Die Aussage, dass die UFP-Anhäufung ausgerechnet im Bayerischen Wald ähnlich hoch sein soll wie in Städten mit großem Verkehrsaufkommen, überrascht daher zunächst einmal. Der Physiker Wolfgang Junkermann führt am Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Karlsruhe Studien zu den ultrafeinen Partikeln durch. Auf Hog’n-Nachfrage erklärt er, dass „insbesondere fossile Kraftwerke und Raffinerien mit moderner Abgasreinigung sehr starke Quellen für diese Partikel darstellen“.
UFP-Forschung steckt noch in den Kinderschuhen
Die Nanotechnologie gilt bis heute als eine Art Zukunftstechnologie. Dabei kommen sogenannte „Nanopartikel“ zum Einsatz, sprich: künstlich hergestellte Partikel in etwa derselben Größe wie Ultrafeinstaub. Dieser Partikeltyp wird gezielt hergestellt und erfüllt – je nach Art – spezifische Funktionen. Nanopartikel finden sich etwa in Kosmetika wieder, werden im Bereich der medizinischen Diagnostik eingesetzt oder beispielsweise in Carbon-Tennisschlägern verarbeitet. Unter anderem werden sie auch dazu verwendet, um die Reinigungsleistung von Filtern in der Abgas- und Abwasserreinigung zu verbessern. Eine Technologie, die auch für Betreiber von Kraftwerken und Raffinerien von Interesse ist.
Etwa die oberbayerischen Raffinerien in Ingolstadt und Burghausen sowie die Kohleindustrie in der Tschechischen Republik würden enorme Mengen an Ultrafeinpartikeln ausstoßen, erklärt Junkermann. „In der Abgasreinigung sind die Bedingungen für die Partikelneubildung optimal. Den Abgasen wird Ammoniak hinzugefügt, um Stickoxide in harmloses Wasser und Stickstoff umzuwandeln“, erklärt der Physiker. Hieraus, so konnten er und seine Kollegen herausfinden, ergebe sich – aufgrund des richtigen Mischungsverhältnisses – eine extrem hohe UFP-Konzentration.
Je nach Windrichtung und -geschwindigkeit finden die Kleinstteilchen den Forschern zufolge ihren Weg auch in den Bayerwald. Die Partikel, die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar sind, würden eine Herausforderung für die Gesundheit des Menschen darstellen und einen nicht vernachlässigbaren Einfluss auf die Klimaentwicklung haben. Doch bis dato könne keiner genau sagen, wie groß die Tragweite jenes Einflusses wirklich ist. Das Forschungsfeld UFP sei noch ein relativ junges, stecke noch in den Kinderschuhen, wie Junkermann bestätigt.
Bisher keine standardisierten Messverfahren
Weitaus besser untersucht sei hingegen der sogenannte Feinstaub der Partikelgrößen PM10 und PM2,5. Hierfür gebe es standardisierte Messverfahren, gesetzliche Regelungen sowie ausreichend empirische Belege, die die Auswirkungen auf den menschlichen Körper nachweisen. Diese stellen hierzulande keine wesentliche Belastung dar. „Die bestehenden Feinstaub-Grenzwerte werden an allen bayerischen Luftmessstationen eingehalten“, heißt es hierzu aus dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU).
Aus der Feinstaub-Forschung wisse man aber auch: Je kleiner die Partikel, desto weiter können diese in den Körper vordringen. So schaffen es die PM10-Teilchen – selbst diese sind fürs menschliche Auge nicht wahrnehmbar – bis in die Lunge. PM2,5-Partikel können bereits bis in die Lungenbläschen gelangen – und die Ultrafeinpartikel bis in die Blutbahnen. Die UFP stellen also eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar, nur „gibt es derzeit keine gesetzlichen Regelungen für Grenzwerte und damit auch keine Beurteilungsgrundlage. Zudem sind noch keine Messverfahren standardisiert“, teilt das Landesamt für Umwelt auf Hog’n-Anfrage weiter mit. Um verlässliche Grenzwerte abzuleiten, würden bislang fundierte, wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen.
Fragt man im Nationalpark Bayerischer Wald nach, könne man auch hier zum Thema „leider nicht viel sagen“. Lediglich vor zehn Jahren habe man im Nationalpark Probemessungen durchgeführt. „Die jeweiligen Konzentrationen“, erklärt Nationalpark-Sprecher Gregor Wolf, „waren allerdings so gering, dass keine eindeutige Analyse durchgeführt werden konnte“. Auch im Bayerischen Gesundheitsministerium liegen zu den ultrafeinen Partikeln nur wenige Erkenntnisse vor: „Bisher lag der Schwerpunkt auf der Erforschung der Wirkung von Feinstaub“, heißt es seitens der Behörde. Der Ultrafeinstaub stehe „noch nicht lange im Fokus der umwelt-epistemologischen Forschung“. Auch hier könne man noch auf keine fundierten Grundlagen zurückgreifen.
Fossile Kraftwerke als weltweit stärkste UFP-Quelle
Doch zumindest erste Bestrebungen bezüglich einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit jenen Kleinstteilchen existiert bereits: In Deutschland wurde ein „kleines Messnetz“ namens „GUAN“ initiiert, wie Experte Junkermann erklärt. „GUAN“ steht für „German Ultrafine Aerosol Network“, im Zuge dessen mehrere wissenschaftliche Institutionen Langzeitmessungen zu den ultrafeinen Partikeln durchführen. Fundierte Erkenntnisse gebe es bis dato noch keine, zudem decke das Messnetz eher norddeutsche Regionen ab. In Süddeutschland würden zwar bereits Messstationen (beispielsweise in Augsburg oder auf der Zugspitze) vorhanden sein, konkrete Aussagen über die Situation im Bayerischen Wald ließen sich damit allerdings nicht machen. Die den Nationalpark betreffenden Erhebungen, so Junkermann, stammten ausschließlich aus Flugzeugmessungen.
Von Feinstaub der Partikelgröße PM10 spricht man bei Partikeln, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als zehn Mikrometer (µm) beträgt. 1.000.000 Mikrometer sind ein Meter. Sie sind für das menschliche Auge nicht erkennbar und können bis in die Lunge vordringen. Bereits PM10-Partikel gelten als gesundheitsschädlich. Von 1995 bis 2016 ist die Konzentration jedoch um 38 Prozent gesunken.
Vom Feinstaub der Partikelgröße PM2,5 spricht man bei Partikeln, deren areodynamischer Durchmesser weniger als 2,5 Mikrometer (µm) beträgt. Anders als PM10-Partikel können sie bis in die Lungenbläschen vordringen und dort sehr lange verweilen und dadurch nachhaltige Schädigungen verursachen. Auch deren Konzentration ist seit 1995 stark zurückgegangen.
Dafür nehmen der Physiker und sein Team, die das Feld seit rund 15 Jahren erforschen, regelmäßig im kleinsten bemannten Forschungsflugzeug der Welt Platz. Ihr fliegendes Labor kann – dank hochsensibler Instrumente und Sensoren – während der Flugphase Staubpartikel, Spurengase und Wetterdaten messen. In einer Studie vom Dezember 2018 heißt es: „So konnten wir zeigen, dass fossile Kraftwerke inzwischen zu den weltweit stärksten Einzelquellen für ultrafeine Partikel geworden sind. Sie beeinflussen meteorologische Prozesse massiv und können zu extremen Wetterereignissen führen“. Diese Kraftwerke, so das Resümee, erzeugen sogar mehr UFP als das gesamte Verkehrsaufkommen.
Sieben Millionen Menschen sterben jährlich an Luftverschmutzung
Etwas mehr Empirie kommt vom anderen Ende der Welt: Durchgeführt habe man derartige Analysen nämlich bereits in Australien. Laut meteorologischen Modellen sollte die Regenmenge in der Gegend um Perth (West-Australien) stark abnehmen – das Gegenteil trat jedoch ein: Die Forscher verzeichneten sogar einen Rückgang der jährlichen Regenmenge. In Australien, so Junkermann, könne man diese Entwicklung eindeutig auf die Kraftwerk-Industrie zurückführen. Zeitgleich mit dem Umbau der Kraftwerke habe auch die Regenmenge drastisch nachgelassen.
Insgesamt sterben laut Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich rund sieben Millionen Menschen an Luftverschmutzung, also gut 15 Mal mehr als etwa Malaria-Erkrankte. Wann, ob und in welcher Form es UFP-Grenzwerte geben soll, wird die Zukunft zeigen. Wissenschaftler wie Wolfgang Junkermann können nicht viel mehr tun als ihre Expertise zur Verfügung stellen, Risikobereiche definieren und standardisierte Messverfahren auf den Weg bringen. Es obliegt letztlich der Politik daraus einen gesetzlich vorgeschrieben Grenzwert abzuleiten – und diesen auch umzusetzen.
Johannes Gress