Perlesreut. „Dann machen wir ganz einfach selber einen Stoffladen auf!“ Was Marina Pretzl zuerst nur so dahinsagte, haben sie und ihre Freundin Veronika Öttl ein knappes Jahr später in die Tat umgesetzt: Sie haben in Perlesreut ihr Ladengeschäft mit dem klingenden „Waidlastoffe“ eröffnet. Ein Onlineshop soll bald folgen. Wir haben die beiden Gründerinnen besucht.
Seit etwa sechs Jahren ist Nähen Veronikas Hobby. Die 28-jährige Zerspannungsmechanikerin hat mit Kleidern für den Eigengebrauch angefangen, mittlerweile näht sie auch für ihre beiden kleinen Töchter. Die 29-jährige Marina wohnt im selben Dorf, in Maresberg bei Perlesreut. Durch ihre Kinder haben sich die beiden kennengelernt – und entdeckt, dass sie beide gerne an der Nähmaschine sitzen. Marina hat damit angefangen, als sie Mutter wurde. Die Krankenschwester hat sich ihr Wissen rund um das Thema Nähen vor allem mittels Youtube-Videos angeeignet. Veronika hat viel darüber gelesen.
„Haben von heute auf morgen beschlossen, dass wir’s machen“
Als die beiden feststellen, dass sich um sie herum einige weitere Frauen mit dem „Näh-Virus“ angesteckt haben, gründen sie kurzerhand einen Nähtreff. Die Gemeinde Perlesreut erlaubt ihnen, in der Schule zusammen zu kommen – und schon bald versammeln sich regelmäßig etwa zehn Freizeit-Näherinnen, um sich über ihr Hobby auszutauschen und voneinander zu lernen.
„Was uns fehlte, war ein Stoffladen in der Nähe“, sagt Veronika. Stoffe im Internet zu bestellen, sei meist schwierig: „Entweder die Farbe ist nach der Lieferung anders als gedacht – oder die Qualität stimmt nicht.“ Wer Stoffe im Geschäft kauft, erhält außerdem eine fachliche Beratung gleich mit dazu. Da war den beiden schnell klar: Ein Laden muss her.
„Wir haben von heute auf morgen beschlossen, dass wir es machen“, erzählt Veronika. Aber wie eröffnet man ein Geschäft, wenn man noch nie mit Betriebswirtschaft, Preiskalkulation und Business-Plan zu tun hatte? „Wir haben einen Unternehmensberater gefragt“, sagt die 28-Jährige. „Und mit ihm zusammen den Business-Plan geschrieben.“ Von der Bank das Geld zu bekommen, um Ladenfläche mieten und Stoffe, Einrichtung sowie alles andere kaufen zu können, sei kein Problem gewesen, berichtet sie. Die Summe, die sie benötigten, sei nicht sonderlich hoch gewesen: „Das hätten wir beide zur Not auch selbst stemmen können“, meint die Gründerin. Dass der Laden künftig nicht in Schwung kommen sollte, können sich beide nicht vorstellen. Dazu ist ihre Zuversicht zu groß und das bisherige Feedback zu positiv.
Ein Jahr lang haben Veronika und Marina alles gelernt, was man wissen muss, um ein Geschäft zu eröffnen: Sie haben eine Unternehmerschule und Kurse für Steuerfragen besucht, auch eine Marketingschulung gemacht. „Vor allem die Buchführung ist viel mehr Aufwand, als man vorher denkt“, erzählt Veronika und schmunzelt. Parallel dazu haben sie einen Laden in Perlesreut angemietet und ihn mit dem gesamten Inventar gefüllt – von Regalen über das Kassensystem bis hin zu den Stoffen und dem Nähzubehör. Sie haben Messen besucht und Großhändler ausfindig gemacht.
„Niemand hat daran gezweifelt, dass wir das schaffen“
In drei Regalreihen liegen nun die Stoffe, die Marina und Veronika ausgewählt haben, verteilt. Bekleidungsstoffe, hauptsächlich Jersey, Baumwollstoffe und French Terry bieten sie ihren Kunden an. Darunter zahlreiche Kinderstoffe. „Nach und nach wollen wir das Angebot erweitern“, erklärt Veronika. Die beiden Ladeninhaberinnen richten sich dabei ganz nach der Nachfrage ihrer Kunden. Auch Trachtenstoffe sollen ins Sortiment mitaufgenommen werden. Neben der Beratung beim Stoffkauf wollen Marina und Veronika außerdem Nähkurse („Workshops“) veranstalten, in kleinen Gruppen von drei bis vier Leuten das Wissen weitergeben, das sie sich in den vergangenen Jahren angeeignet haben.
Dass sie ihren Laden daheim in Perlesreut eröffnen, war von Anfang an klar. „So ist es einfach praktisch“, meint Marina. Beide Frauen können ihre Kinder mit ins Geschäft nehmen – ihre Kleinsten sind jeweils zwei Jahre alt. Und sie können auch mal spontan öffnen, wenn Kundschaft außerhalb der Öffnungszeiten vorbeikommen. Man brauche vorher nur anrufen: „Wir sind in fünf Minuten da“, sagt Veronika und lacht.
Die Neu-Gründerinnen sind mit ihrem Stoffladen dort eingezogen, wo vor fast sieben Jahren die einstige „Schlecker„-Filiale ihre Pforten schloss. Seitdem stand der Laden leer. Die beiden Geschäftsfrauen haben ihre Entscheidung für Perlesreut keinesfalls bereut: „Die Leute hier sind super“, betont Veronika. „Niemand hat daran gezweifelt, dass wir das schaffen.“ Sie ist sich sicher, dass Kundschaft auch von weiter her nach Perlesreut kommt – und es kein Nachteil ist, den Laden nicht in Freyung oder Waldkirchen eröffnet zu haben. „Wenn der Kundenservice passt, fahren die Leute gerne auch hierher“, sind die beiden überzeugt.
Wer miteinander redet, kann sich gegenseitig helfen
Marina Pretzl und Veronika Öttl stehen ab sofort am Montag, Mittwoch und Samstag (jeweils vormittags) in ihrem „Waidlastoffe“-Laden, an Freitagen auch nachmittags. Ab Mitte Februar wollen sie ihr Sortiment auch online anbieten. Obwohl sie selbst sagen, dass man Stoffe am besten im Laden kauft?
„Ein Onlineshop gehört trotzdem irgendwie mit dazu“, findet Veronika. Sie sieht darin außerdem den großen Vorteil, dass interessierte Kunden sich daheim auf der Couch schon mal das gesamte Sortiment anschauen, dann persönlich vorbei kommen und sich im Laden von der Qualität der Stoffe überzeugen können. „Und wer zu uns ins Geschäft kommt und uns sein Projekt schildert, dem können wir dann vielleicht noch ein paar nützliche Tipps und Anregungen geben“, sagt Veronika. Gerade beim Nähen sei dies häufig der Fall: Wer miteinander redet, kann sich gegenseitig helfen.
Sabine Simon