Trautmannsdorf. In Zeiten von Smartphones, Tablets und Digitalkameras ist es – im Gegensatz zu vergangenen, analogeren Tagen – längst keine Besonderheit mehr, Fotos zu machen. Heute, im digitalen Zeitalter, gilt es als selbstverständlich, Urlaubs- oder Familienfotos in Eigenregie zu produzieren – wenn’s sein muss auch am Fließband. Umso schwerer ist es daher für professionelle Fotografen wirtschaftlich zu arbeiten – und zu überleben. Genau über diese Entwicklung spricht Fotograf Christian Haasz (51), der in Trautmannsdorf (Gemeinde Saldenburg) ein Fotostudio betreibt, im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n.
Christian, beschreibe unseren Lesern zunächst kurz Dein Unternehmen.
Die werbeFOTO HAASZ GbR ist ein ziemlich klassisches Fotostudio für Werbe- und Produktfotografie. Ziemlich klassisch deshalb, weil sich unser Betrieb nicht einfach aus einer bestehenden Firma weiterentwickelt hat, sondern weil meine Frau und ich alles von Stunde Null an aufgebaut haben. Wir haben 1999 als Medienagentur angefangen und haben für Firmenkunden Werbe- und Marketingaktionen gestaltet. Parallel dazu habe ich weiterhin als Journalist und Buchautor gearbeitet und mich dabei auf das Thema Digitalfotografie spezialisiert.
„Durch Spezialisierung erreichen wir ein anderes Level“
Aus dieser Spezialisierung heraus hat sich die Arbeit unserer Agentur immer mehr in Richtung Fotografie entwickelt – wir haben dann 2004 in Tittling das erste Studio eröffnet. Über die Fotografie für Unternehmen hinaus bieten wir natürlich auch alle klassischen Foto-Themen wie Hochzeiten, Familienporträts, Passbilder oder Bewerbungsbilder an. Dennoch sind wir kein klassisches Porträt-Studio mit Regalen voller Rahmen, Porträt-Aktionen und dem Verkauf von Foto-Artikeln. Unsere Kernkompetenzen liegen in der Produkt- und Werbefotografie, in der Architektur- und Industriefotografie sowie der professionellen Bildbearbeitung.
Du hast Dich auf Werbefotos spezialisiert. Warum?
Es gibt zwei Gründe für die Spezialisierung: Ich mag die konzeptionelle Arbeit und die ausgefeilte Lichtsetzung, welche die Produkt- und Werbefotografie verlangen. Außerdem gab es zu der Zeit, als wir unser Studio aufgebaut haben, mehr als genug Fotografen, die sich mit Porträts, Hochzeiten, Babyfotos und Familienbildern beschäftigt haben.
Die nächsten spezialisierten Werbefotografen sind weit weg, wir füllen in der Umgebung also eine Nische aus. Zwar bieten klassische Porträt-Studios auch immer Werbefotos an – die umfangreiche, technische Ausstattung rechnet sich für die meisten aber nicht. So können die Produktionen in Sachen Bildqualität und Service ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten. Unsere Arbeit erreicht durch die Spezialisierung ein anderes Level.
„Auf den Auslöser drücken ist der allerletzte Schritt“
In digitalen Zeiten ist das Foto machen längst keine Besonderheit mehr. Ein großes Problem für Deine Branche? Spielt Qualität keine Rolle mehr?
Die Hälfte meiner Urlaubsbilder habe ich mit dem Handy geknipst. Qualität ist da nicht so wichtig wie in der Berufsfotografie. Hauptsache, die Motive machen Spaß. Durch die große Verbreitung der Digitalfotografie hat die Branche natürlich mit ihrem Selbstverständnis zu kämpfen – und muss sich neu definieren. Mittlerweile hat sich zwar herumgesprochen, dass eine gute Kamera nicht zwangsläufig zu guten Fotos führt. Trotzdem haben vor allem Porträt-Fotografen damit zu kämpfen, dass jeder jemanden kennt, der mindestens halbwegs ordentlich fotografiert. Für mein Arbeitsfeld sind die Probleme ähnlich.
Jeder Betrieb hat einen Mitarbeiter mit Spiegelreflex-Kamera, von dem erwartet wird, den Profi zu ersetzen. Manchmal ist das durchaus sinnvoll – meistens sind die Ergebnisse für den Profi mit geschultem Blick aber amateurhaft. Überzeugungsarbeit zu leisten ist schwierig, da die meisten Business-Kunden ja nur die Fotos des Mitarbeiters sehen und keinen Vergleich haben zu einer professionellen Aufnahme. Aber ich erfahre seit zwei, drei Jahren immer öfter, dass Firmenchefs umdenken und erkennen, dass Profi-Aufnahmen dazu führen, dass sich Produkte besser verkaufen und – ganz wichtig für den Online-Verkauf – sich Retouren und Reklamationen reduzieren lassen.
Denn wenn die Leute auf einem professionellen Foto wirklich erkennen, wie ein Produkt oder eine Location aussehen, treffen sie viel nachhaltigere Kauf- oder Buchungsentscheidungen. Die erneute Hinwendung zum Profi wird zudem dadurch unterstützt, dass die Werbefotografie seit Jahren durch die Digitalisierung immer kostengünstiger wird und modern denkende Fotografen die Preise entsprechend anpassen.
„Für meine eigene Arbeit ist Video wichtiger geworden“
Was unterscheidet Deine Fotos von den 0815-Bildern?
Fotos vom Werbefotografen sind immer gestaltete Bilder. Das heißt, man macht sich über alle technischen Faktoren wie Brennweite, Blende, Verschlusszeit, Lichtsetzung, Hintergrund, Farbgestaltung und so weiter Gedanken, bevor man die Kamera überhaupt in die Hand nimmt. Daneben geht es um kreative Aspekte, die oft in Zusammenarbeit mit Agenturen oder Marketingfachleuten getroffen werden.
Wir setzen zusammen ein Produkt oder eine Dienstleistung so in Szene, dass die Werbung funktioniert. Auf den Auslöser zu drücken, ist nur der allerletzte Schritt in einer langen Reihe von Entscheidungen. Das professionelle Fotografieren ist zeitaufwendig, es sind dafür viel Background und Erfahrung nötig. Die Ergebnisse sind, wenn es nicht gerade um eine lockere Reportage geht, geplant und reproduzierbar. Werbefotos sind keine Glückstreffer. Richtig gute 0815-Fotos dagegen schon.
Hat die Bedeutung von Fotos durch die zunehmende Verbreitung von Videos Deiner Meinung nach abgenommen?
Mit Sicherheit hat sich Video neben Foto als wichtiges Medium im privaten Bereich etabliert. Videos sind für Amateure ebenso schnell produzier- und im Web teilbar wie Fotos. Allerdings gab es in der Werbung neben Fotos ja schon immer auch Werbevideos, die von Videospezialisten gemacht wurden. Für meine eigene Arbeit ist Video wichtiger geworden, weil auch Ein-Mann-Produktionen auf relativ hohem Niveau möglich sind – und das auch von Kunden verlangt wird. Ob aber die Werbebudgets von Unternehmen heute mehr für Videos vorsehen, kann ich nicht sagen.
„Ohne Kunst gäbe es keine gute Fotografie“
Wie viel Handwerk und wie viele Kunst stecken in Deinen Bildern?
Klar bin ich ein kreativer Mensch. Mit einer Portion Perfektionismus, die der Kreativität manchmal im Weg steht. Und Handwerker bin ich mit Sicherheit auch, da die Fotografie ein Umgehen mit technischen und gestalterischen Werkzeugen ist. Unter Kunst verstehe ich ein Schaffen von Sinn und Bedeutung. Meine Werbefotos transportieren zwar auch Sinn, aber der ist sehr zielgruppenorientiert und abhängig von den Anforderungen meiner Kunden.
Die Kunst spielt nur insofern in meine Arbeit hinein, als dass sie gestalterische Inspiration ist. Wenn ich verstehe, wie und warum ein Kunstwerk funktioniert, kann ich das in der Fotografie verwenden. Klassisches Beispiel ist das Rembrandt-Licht, ein relativ hartes, seitlich von oben gesetztes Licht, das der Maler meisterhaft eingesetzt hat. Diese Lichtsetzung sieht man heute in vielen Porträts nahezu unverändert. Ohne Kunst gäbe es keine gute Fotografie. Aber vor jedem guten Werbe- oder Produktfoto steht das jahrelang erfahrene und ausgeübte Handwerk.
Blick in die Zukunft: Wie wird sich die Fotografie weiter ändern? Und wie wird sich Dein Betrieb entwickeln?
Für Menschen, die in der Fotografie ihr Hobby sehen, wird das Bildermachen sicher immer einfacher und zuverlässiger aufgrund neuer Technologien werden. Auch die Vernetzung zwischen Handy, Kamera und Web wird sich noch intensivieren. In der Werbefotografie geht der Trend hin zu 3D-Visualisierungen. Produkte und Verpackungen kann man oft schon schneller und kostengünstiger am Computer in 3D rendern lassen. Trotzdem ist die Zukunft für mich als Werbefotograf herausfordernd, da es in der Werbefotografie eben auch um Emotionen geht.
Shootings mit Models in realistischen Umgebungen wird es sicher noch jahrelang geben, da der Aufwand, Menschen mit allen wichtigen Nuancen am Computer zu erzeugen, einfach zu hoch ist. Wenn man sich Fotos zum Beispiel von Ellen von Unwerth oder Andreas Bitesnich ansieht, kann man sich gar nicht vorstellen, dass die Werbefotografie irgendwann aussterben sollte. Was unseren Betrieb angeht, stehe ich zusammen mit meiner Frau vor einigen Entscheidungen, in welche Richtung wir uns weiterentwickeln. Das erste Ziel ist zunächst die Optimierung unseres Studios in Trautmannsdorf. Hier sind ein paar bauliche Veränderungen notwendig, damit ich auf hohem Niveau schneller produzieren kann.
Vielen Dank für das Interview – und weiterhin alles Gute.
Interview: da Hog’n