Manchmal kommen sie wieder. Was in der Regel bedrohlich klingt – man denke nur an die gleichnamige Kurzgeschichte von Horrormeister Stephen King – kann so manch anderes Mal durchaus eine gewisse Nostalgie transportieren. So etwa bei den ersten Tönen von „Rockin‘ With The Best“, dem Opener des neuen Albums der Crossover-Pioniere von P.O.D.
Überhaupt – Crossover! Alleine das Genre schwitzt schon in jedem Buchstaben die 90er aus. Bandnamen wie Clawfinger, Dog Eat Dog und natürlich Rage Against The Machine kommen einem da in den Sinn. Oder auch Bands der zweiten Garde wie Sullen – oder eben P.O.D. Denn, seien wir ehrlich: Abgesehen von „Youth Of The Nation“ und „Alive“ (beide schon von 2001) hat das Quartett um Sänger Sonny Sandoval doch nicht wirklich Nachwirkendes in der Agenda stehen.
Sonny Sandoval: „Dieses Mal sollte alles frisch wirken“
Aber vielleicht ist das auch gar nicht so schlimm, denn so kann man ganz unverkrampft und vorurteilsfrei an „Circles“, das zehnte P.O.D.-Album in gut 25 Jahren, herangehen. Man wird zwar nicht gerade weggeblasen, kann sich aber an melancholisch-eingängigen Liedern wie dem Titeltrack, der neben den ruhigen Strophen mit einem wuchtigen Mittelteil punkten kann, erfreuen. Genanntes „Rockin‘ With The Best“ erinnert dagegen sofort an Jugendzentrums-Feten mit tiefergelegten Hosen, Holzfällerhemden und Bierdose im Anschlag.
Die elf Songs laufen in 37 Minuten ins Ziel – und haben alle Bestandteile einer typischen Crossover-Platte im Gepäck: Gebrüllt-verzerrte Vocals, etwa beim schwer groovenden „Panic Attack“, Dynamik-Spielereien, wie man sie im Extrem von den Grungebands kennt (und dabei durchaus auflockernd und weniger nervig erscheinen) sowie ein latenter Rap-Anteil beim Gesang. Hin und wieder gibt’s auch eine gewisse Form von Hymnenhaftigkeit zu vernehmen, die sich gut in den Stadien der Welt machen würde. Fraglich, ob P.O.D. – als eine der wenigen noch aktiven Vertreter jener Zeit, wohlgemerkt – diese noch füllen könnten. Aber vorstellen kann man es sich dennoch, ohne gleich von der Rock-Polizei eingelocht zu werden.
„Circles“ ist absolut kein schlechtes Album. Im Gegenteil: Einzelne Songs, etwa das fröhliche „Fly Away“, das im Midtempo gehaltene „Dreaming“ oder der mit Oldschool-Rap-Vocals veredelte „Soundboy Killa“ sind einfach gute Stücke, die eben nur ein wenig aus der Zeit gefallen wirken. Aber dadurch natürlich nicht schlechter werden, weil sie ja nicht altbacken wirken, sondern sehr modern produziert wurden. „Dieses Mal sollte alles frisch wirken“, sagt folgerichtig auch Sonny Sandoval über „Circles“ – und lobt vor allem seine drei langjährigen Mitstreiter Marcos Curiel (Leadgitarre), Traa Daniels (Bass) und Wuv Bernado (Schlagzeug).
Ja, man kann viel Spaß und Nostalgie mit „Circles“ erleben
Auch das ist vielleicht eine Gnade des erwachseneren Alters – niemandem mehr etwas beweisen zu müssen. Und damit nicht unfreiwillig komisch über die Grenzen hinauszuschießen. P.O.D. wissen genau, wer sie sind – und wer nicht. „Wir sind demütig und dankbar für die Leute, die immer noch Spaß an uns haben“, sagt Sonny Sandoval. Und ja, man kann viel Spaß mit „Circles“ haben. Und obendrauf noch den einen oder anderen nostalgischen Moment erleben. Und wer mag dazu schon Nein sagen?
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 16. November 2018
- Label: Mascot Records
- Songs: 11
- Spielzeit: 37:10 Minuten
- Preis: ca. 15 Euro