Waldkirchen. Eines haben Asylanträge in Deutschland – ungeachtet der Nationalität der Antragsteller – gemein: Sie werden weniger. Gingen im Jahr 2016 durchschnittlich 62.000 Anträge pro Monat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein, sind es 2018 monatlich nur noch knapp 16.000. Am häufigsten stellten 2018 Flüchtlinge aus Syrien einen Antrag auf Asyl, gefolgt von Afghanistan und Nigeria. Erstere dürfen in der Mehrzahl der Fälle in Deutschland bleiben, bei Nigerianern stehen die Chancen deutlich schlechter. In der Asylunterkunft in Waldkirchen würde man Schwarzafrikaner deshalb übermäßig schikanieren, beklagt Eveline Maier aus Neureichenau. Da die Chancen auf Asyl für Menschen aus dem nicht-arabischen Raum schlecht stünden, sie ohnehin auf dem „Schleudersitz“ säßen, habe die Niederbayerische Regierung ein besonderes Interesse daran, sie möglichst „freiwillig“ zur Ausreise zu bewegen, mutmaßt Maier. Die Regierung weist diese „Unterstellungen entschieden zurück“.
„Wenn man Menschen hereinlässt, dann soll man sie auch wie Menschen behandeln“, fordert Eveline Maier. Sie engagiert sich als Privatperson in der Asylunterkunft Waldkirchen, sei aber weder in irgendeiner Organisation tätig noch in der Einrichtung angestellt. Sie kenne einige der insgesamt rund 120 Bewohner persönlich, stehe regelmäßig mit ihnen in Kontakt, wie sie dem Hog’n gegenüber berichtet. Maier stellte nach eigener Aussage den Bewohnern unter Mithilfe weiterer Unterstützer „drei neuwertige Betten, zwei neuwertige Sessel und ein neuwertiges Sofa“ kostenlos zur Verfügung. Und genau diese landeten vor gut zwei Wochen auf dem Müll.
Schikane oder Brandschutz?
Die Schutzsuchenden, so erklärt Maier auf Hog’n-Nachfrage, bekämen in der Unterkunft größtenteils Feldbetten zur Verfügung gestellt. Da die Asylwerber oft über Monate hinweg in der Einrichtung verweilen, würden sich manche von ihnen über gesundheitliche Probleme – vor allem Rückenschmerzen – beklagen. Sie und ihre Mitstreiter hätten deshalb nach Alternativen gesucht.
Aus Brandschutzgründen, so die offizielle Stellungnahme, seien die Betten jedoch vor Kurzem aus der Unterkunft entfernt, in einen großen Container verfrachtet und entsorgt worden. Sehr zum Unmut der betroffenen Bewohner, der Neureichenauerin und weiterer Unterstützer: Der Wert der gespendeten Möbelstücke habe sich auf „nicht unter 1.000 Euro“ belaufen. „Nach Rücksprache mit dem Heimleiter“ sei es den Bewohnern der Unterkunft durchaus gestattet, auch „eigene kleine Möbelstücke, wie beispielsweise Wickelkommoden oder Schreibtische für Kinder, aufzustellen“, begründet die Niederbayerische Regierung ihr Vorgehen.
Betten, Sessel oder Sofas würden hingegen nicht darunterfallen – „insbesondere aus brandschutztechnischen Gründen“, wie Pressesprecherin Katharina Kellnberger auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. „Da sich einzelne Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Waldkirchen nicht an diese Regeln halten, mussten zum Schutz sämtlicher Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft die Möbelstücke durch die Heimleitung entfernt werden.“
Insgesamt acht Zimmer seien von der Räumungsaktion betroffen gewesen. Die Bewohner, so heißt es, habe man zuvor mehrmals dazu aufgefordert, die betroffenen Möbelstücke selbst zu entfernen. Am Freitag, 16. November, kam dann der Container.
„Gepiesackt was nur geht“
Aus Eveline Maiers Sicht ist die Aktion reine Schikane. Ihrer Aussage nach seien lediglich Einrichtungsgegenstände der schwarzafrikanischen Bewohner entfernt worden. Die Asylbewerber aus dem arabischen Raum seien davon nicht betroffen gewesen, auch wenn sich in deren Zimmern ähnliche Möbelstücke befinden würden. Möbelstücke, die sie aus Spenden erhielten. Da vor allem Nigerianer nur geringe Chancen auf ein Bleiberecht hätten, würden diese „gepiesackt was nur geht“, wie Maier durchaus emotional kritisiert. So wie sie die Lage einschätze, sei die Räumungsaktion „von oben“ verordnet worden. Die Waldkirchener Heimleitung, so Maier, habe die Anordnung dann lediglich ausgeführt.
Es gehe ihr in dieser Angelegenheit keineswegs darum, „irgendwen an den Pranger zu stellen“ – aber es solle ihrer Meinung nach nicht „mit zweierlei Maß gemessen werden“. Wenn so eine Aktion schon nötig sei, dann sollten die Bedingungen auch für alle gleich sein, so die Forderung Maiers.
Für sogenannte Übergangswohnheime und Gemeinschaftsunterkünfte, zu denen auch die Unterkunft gegenüber dem Waldkirchner Rathaus zählt, ist offiziell die Regierung von Niederbayern zuständig. Ein Telefonat mit einem Verwaltungsangestellten sei jedoch ergebnislos verlaufen, wie Maier erklärt. Am Telefon habe dieser Maiers Anschuldigungen als „unwahr“ eingestuft – es mangele an Beweisen für das von ihr als ungerecht bezeichnete Vorgehen. Nach Übersendung einiger Fotos der Räumungsaktion, die unter anderem die entsorgten Möbelstücke im Container zeigen, bliebe der Regierungsmitarbeiter nach wie vor eine Antwort schuldig.
Den Waldkirchner Bürgermeister Heinz Pollak scheint die Auseinandersetzung nur wenig zu tangieren – und gibt sich wortkarg: „Ich weiß dazu gar nichts und kenne den Sachverhalt nicht“, heißt es in einem kurz gehaltenen Statement auf Hog’n-Anfrage.
Regierung: Nicht nur Schwarzafrikaner betroffen
Eveline Maier will in diesem Fall nicht klein beigeben. Sie vermutet eine bewusste Provokation hinter der Räumung: Man wolle „Schuldige produzieren“, um die Ablehnung eines Asylgesuchs zu erleichtern. Deswegen, so ihre Vermutung, seien nur Schwarzafrikaner an den Pranger gestellt worden. Das Argument „Brandschutz“ werde hier nur vorgeschoben, um die Entsorgungsaktion zu legitimieren. Wieso es aus Brandschutzgründen „zu gefährlich ist, Betten in Räumen aufzustellen“, sei ihrer Meinung nach wenig nachvollziehbar.
Mit den Vorwürfen konfrontiert, zeichnet die Niederbayerische Regierung ein anders lautendes Bild: „In den betroffenen acht Zimmern“ seien in der Tat „Personen aus Sierra Leone und Nigeria untergebracht“ – aber eben auch „Personen aus Afghanistan und aus Syrien“. Maiers Vorwurf, in der Unterkunft werde mit zweierlei Maß gemessen, weise man entschieden zurück: Die Hausordnung, nicht die Nationalität sei das ausschlaggebende Kriterium für die Maßnahme in der Asyleinrichtung gewesen. Dies werde in Waldkirchen genau wie in allen anderen Unterkünften so gehandhabt, informiert Pressesprecherin Kellnberger.
Johannes Gress
Die Einschätzung von Frau Maier können wir vom Helferkreis Waldkirchen nicht teilen. Wir versuchen schon von Beginn an, dass die von uns weitergeleiteten Spenden nicht gegen die Hausordnung verstoßen. Wir haben in den letzten Jahren unzählige Spenden von hilfsbereiten Bürgern zurückgewiesen, um die Bewohner nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Auch die Heimleitung hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass Holzmöbel nicht gestattet sind. Die Gemeinschaftsunterkunft wäre sicherlich voll mit gespendeten Möbel wenn wir alle angebotenen angenommen hätten.
Auch wir wissen wie angespannt die Situation, besonders der Geflüchteten aus Ländern mit geringer Bleibeperspektive ist. Aber wir wissen auch wie schnell unter den Bewohnern das Gefühl entsteht, dass bestimmte Nationalitäten von der Heimleitung und dem Helferkreis bevorzugt werden.
Bisher haben wir aber das Zusammenleben in der ‚Gemeinschaftsunterkunft sicher nicht zuletzt durch die Arbeit unseres Helferkreises relativ friedlich beeinflussen können.
Ich befürchte, dass dieser Heimfrieden durch den Alleingang von Frau Maier gefährdet worden ist. Hätten sie sich doch mal bei uns im Helferkreis erkundigt. Wir hätten ihnen genau die jetzt durchgeführten Maßnahmen vorhersagen können.
Also ihre Verdächtigungen sind unserer Einschätzung nach völlig aus der Luft gegriffen. Wir sind wirklich sehr nahe an den Geflüchteten dran, können ihre Aussagen auch ganz gut einschätzen.
Anton Süß