Deggendorf/Passau/Hinterschmiding. „Es wird nur nach evtl. Fehltritten gesucht – aber vergeblich“, schreibt Hinterschmidings Bürgermeister Fritz Raab in der September-Ausgabe des gemeindlichen Mitteilungsblatts. Neben Dienstaufsichtsbeschwerden würden sich „anonyme und nicht haltbare“ Anzeigen gegen ihn, Familienmitglieder, Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft und im weitesten Sinne gegen Gemeinderatsentscheidungen häufen, heißt es dort.

Wie berichtet, scheint es in der Gemeinde Hinterschmiding seit Längerem hinter den Kulissen zu brodeln. Dabei soll es, wie von Bürgermeister Raab beschrieben, auch zu anonymen Strafanzeigen gekommen sein. Diesen Eindruck erhärtet ein anonymer Brief, der auch an die Hog’n-Redaktion gesandt wurde und auf gewisse Ereignisse in Hinterschmiding in jüngster Vergangenheit hindeutet.
„Nur in seltenen Fällen werden weitere Ermittlungen durchgeführt“
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt: Ist es generell möglich, (Straf-)Anzeigen anonym zu erstatten? Und, falls ja: Wie sind diese Anzeigen aus staatsanwaltschaftlicher Sicht zu behandeln? Da Hog’n hat dazu bei den Staatsanwaltschaften Passau und Deggendorf nachgefragt.

Nach § 17 Absatz 2 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) werden „Eingänge, die die absendende Stelle nicht oder unzureichend erkennen lassen, grundsätzlich nicht bearbeitet. Unabhängig hiervon sind zum Schutz privater und öffentlicher Güter und Rechte die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und andere Behörden zu informieren.“
Ämter wie Gemeindeverwaltungen oder Landratsämter dürfen/sollen/müssen anonyme Schreiben demnach ignorieren – die Polizei und Staatsanwaltschaft jedoch nicht generell. Denn hier greift der Legalitätsgrundsatz (§152 StPO), wonach Straftaten weiterverfolgt werden müssen, sofern „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“.
Zum Thema Strafanzeige ist bei Wikipedia folgende Information zu finden:
„Anzeigeberechtigt ist jedermann, nicht nur ein Geschädigter. Anonyme Anzeigeerstattungen sind möglich. Ebenso ist eine Anzeige gegen Unbekannt zulässig. Es ist auch möglich, sich selbst anzuzeigen. (…) Im Rahmen des e-Governments ist es in 12 deutschen Ländern auch möglich, eine Strafanzeige online über das Internet zu erstatten. Diesen meist Internetwache genannten Service bieten derzeit die Polizei Baden-Württemberg, Polizei Bayern, Polizei Berlin, Polizei Brandenburg, Polizei Hamburg, Polizei Hessen, Polizei Mecklenburg-Vorpommern, Polizei Niedersachsen, Polizei Nordrhein-Westfalen, Polizei Sachsen, Polizei Sachsen-Anhalt und die Polizei Schleswig-Holstein an. Eine anonyme Anzeige kann in Baden-Württemberg beim Landeskriminalamt bei Fällen der Korruption und Wirtschaftskriminalität erstattet werden.“
Oberstaatsanwalt Oliver Baumgartner von der Staatsanwaltschaft Deggendorf geht auf die etwas sperrigen Gesetzes-Formulierungen auf Hog’n-Nachfrage näher ein: „Das Vorgehen bei anonymen Anzeigen ist einzelfallbezogen. Enthält die Anzeige einen konkreten Sachverhalt und nachvollziehbare Schilderungen, Beweismittel oder Beweisangebote, werden Vorermittlungen veranlasst oder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Sein Passauer Kollege Walter Feiler ergänzt hierzu: „Anonyme Anzeigen werden nach Prüfung durch den Sachbearbeiter meist nicht weiter verfolgt. Nur in seltenen Fällen werden weitere Ermittlungen durchgeführt.“
„Unüberwindbare Zweifel, sodass die Anzeige ins Leere läuft“
Wie viele anonyme Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf jährlich eingehen, werde nicht explizit erfasst. „Generell spielen diese Eingänge eine untergeordnete Rolle und beschränken sich auf wenige Fälle im Jahr“, erklärt Oliver Baumgartner dazu. Walter Feiler geht in diesem Zusammenhang jährlich von einer Zahl im mittleren zweistelligen Bereich aus. „Häufig werden Delikte im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, Verstöße gegen das Waffengesetz, Verfehlungen von Amtsträger und Umweltdelikte angezeigt.“

Doch wo liegt die Motivation für die Vorgehensweise, einen vermeintlichen Delikt anonym zur Anzeige zu bringen? Als Grund dafür ist Walter Feiler zufolge u.a. die Angst vor Repressalien denkbar. Ebenso der Umstand, dass die Anzeige auf Gerüchten oder Spekulationen ohne eigenes Wissen beruhe. Es könne auch eine „bewusst ungerechtfertigte Denunziation“ dahinter stecken – sowie der fehlende Wille im Ermittlungsverfahren oder Prozess als Zeuge auszusagen. Oliver Baumgartner fügt hinzu: „Da die Glaubwürdigkeit des Anzeigeerstatters nicht beurteilt werden kann, verbleiben möglicherweise unüberwindbare Zweifel, sodass die Anzeige ins Leere läuft.“
Hinterschmidings Bürgermeister Fritz Raab war auch dieses Mal nicht dazu bereit, sich über die bereits bekannten Formulierungen im gemeindeinternen Mitteilungsblatt hinaus zu den erwähnten anonymen Anzeigen zu äußern.
da Hog’n