„Griaßdi, Sepp, was treibst?“ − „Mei, hoid an Goatn wintafest mocha!“ Ein tüchtiger Gartenbesitzer mit Ordnungssinn, bravo! Oder? Im Herbst beginnt in unseren Gärten, Vorgärten und Schrebergärten das große Aufräumen: Da werden Beete umgegraben, Hecken geschnitten, Bäume gestutzt, Sträucher ausgelichtet, Staudenstängel gekappt, Abgeblühtes entfernt, Moos weggekratzt oder – gespritzt, Totholz geschreddert, Fallobst zusammengeklaubt, Holzstöße umgesetzt, „unordentliche“ Ecken aufgeräumt, das Gras ein letztes Mal geschnitten und Laub wahlweise weggekehrt, eingesaugt oder fortgeblasen, weil – es schaut einfach sauberer aus. Und was täten denn die Nachbarn sonst denken…
„Und die Insekten, Sepp?“ − „Do san jo koane, im Winta!“ Darüber sollte man mal kurz nachdenken: Was machen eigentlich die Insekten im Winter? Nach Malle in Urlaub fliegen, aber pünktlich zur Apfelblüte wieder in deinem Garten sein, lieber Sepp?
In ihrer „Winterzeit“ sehen Insekten völlig anders aus
Schön wär’s! Doch die Wirklichkeit sieht anders aus, denn ein Insektenleben besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Phasen, von denen wir kurzsichtigen Menschen meistens nur die eine wahrnehmen, die Sommerzeit – die ist aber sozusagen bloß die Spitze des Eisbergs: Nur eine relativ kurze Periode ihres Lebens verbringen Bienen, Wespen, Schwebfliegen, Käfer und Schmetterlinge damit, in der Sonne Nektar und Blütenstaub zu naschen und auf zwei oder vier Flügeln durch die Luft zu gaukeln. Wir sehen hier die erwachsenen Insekten, wissenschaftlich „Imago“ (lat. für „Bild“) genannt. Die Flügel haben sie, um auf Partnersuche zu gehen und sich fortzupflanzen – selbst den Arten, die normalerweise nicht geflügelt sind, wachsen oft zu diesem Zweck welche, etwa den Ameisen und sogar den Blattläusen.
In ihrer „Winterzeit“, in ihrer manchmal Jahre andauernden Kindheitsphase, sehen Insekten völlig anders aus. Sie leben an anderen Stellen im Garten, bewegen sich anders fort und sie ernähren sich anders. Da heißen sie „Larven“ – und im letzten Stadium „Puppen“. Und wo findet man diese Insektenlarven und -puppen? „Mei, Sepp – pfeilgrad da, wo du im Garten immer so schön aufräumst!“
Da Insekten zu den wechselwarmen Tieren gehören, hängt ihre Körpertemperatur von der Temperatur ihrer Umgebung ab: Kälte macht Insekten langsam und unbeweglich und damit auch zur leichten Beute für Fressfeinde. Instinktiv suchen sie nach dem ihrer Art genetisch vorgegebenen Winterquartier, das ihnen Schutz vor Kälte und Feinden bietet, bis die Frühlingssonne sie wieder beweglich macht. Insekten überwintern oft als Imago – etwa Schmetterlinge wie Zitronenfalter und Tagpfauenauge oder Ameisen, Marienkäfer und Florfliegen; aber auch die Königinnen von Bienen, Hummeln und Wespen tun das. Andere verbringen die kalte Jahreszeit als Ei, Larve oder Puppe. Mutter Natur hat ihnen dazu erstaunliche Überlebenstaktiken mitgegeben!
„Kauf ma uns a Hoibe und i vazähl da a bissl wos …“
… über Ameisen
Ameisen leben in „Kolonien“, das sind Insektenvölker, die aus wenigen Königinnen und einer riesigen Anzahl von Arbeiterinnen (100.000 bis ca. fünf Millionen!) bestehen können. Sie graben sich rechtzeitig ein Winternest, das oft metertief unter ihrem Hauptbau an der Erdoberfläche liegt und in der kalten Jahreszeit als zusätzliche Isolierung gegen den Frost dient.
Dennoch kann die Temperatur auch dort unter null Grad sinken. Die Tierchen fallen dann in eine „Winterstarre“, in der sie auch keine Nahrung aufnehmen. So von der Außenwelt abgeschottet, alle Ausgänge verschlossen, erwarten sie den Frühling.
Ameisen sind wertvolle Gartenbewohner, sie durchlüften den Boden, helfen bei der Verrottung von Pflanzenresten, verbreiten Samen im Garten (z. B. vom Veilchen) und bringen tote Insekten in ihren Bau, um sie an ihre Brut zu verfüttern. Aber auch größere Tiere wie tote Nacktschnecken oder tote Mäuse werden innerhalb von Tagen an Ort und Stelle „aufgearbeitet“. Zudem sind sie eine wichtige Nahrungsquelle für andere Insekten und Spinnen, für Igel, Mäuse, Reptilien und Amphibien. Auch der Grünspecht etwa ernährt sich fast ausschließlich von Ameisen – und füttert damit seine Jungen.
… über Honigbienen
Auch die Honigbienen sind staatenbildende Insekten. Im Gegensatz zu den verwandten Wespen, bei denen alle Tiere außer der Königin vor Einbruch des Winters sterben, schlüpfen hier im Herbst die „Winterbienen“, die das Kostbarste, das ein Bienenvolk hat, die Königin, im Winter gegen die Kälte schützen. Sie bilden rund um diese herum eine „Wintertraube“, die durch ständiges Arbeiten mit der Flugmuskulatur Wärme produziert – und zwar bis zu 25 Grad!
Damit die äußeren Bienen nicht erfrieren, tauschen alle regelmäßig die Plätze. Bei dieser Schwerstarbeit muss der Imker die Bienen im Herbst mit Zuckervorräten unterstützen, denn ihre natürlichen Wintervorräte, den Honig, hat er ihnen ja abgenommen.
… über Hummeln
Anders ist es bei den Hummeln, die eigentlich auch Wildbienen sind. Sie bilden einen Staat, der aus 50 bis 600 Tieren bestehen kann, meistens aus Arbeiterinnen, aber auch männlichen Hummeln (Drohnen) und einigen Jungköniginnen. Die meisten Hummeln leben nur einen Sommer lang und sterben schon ab September. Die Jungköniginnen fliegen aus und werden von den Drohnen begattet, die dann ebenfalls sterben.
Hummeln verbringen die kalte Jahreszeit in der Erde unter Wurzeln und Laub, in einem verlassenen Mäusenest oder in Mauerspalten – oft auch in hohlen Baumstämmen und Vogel-Nistkästen. Obwohl Hummeln dank eines körpereigenen „Frostschutzmittels“ bestens gegen Kälte gewappnet sind – sie können Temperaturen von bis zu minus 19 Grad überstehen –, erlebt nur eine von zehn Hummelköniginnen den Frühling, um ein neues Volk zu gründen. Hummeln können übrigens – anders als Honigbienen – schon ab 2 Grad Außentemperatur fliegen und gelten deshalb auch in einem kalten Frühjahr als zuverlässige Bestäuber.
… über Käfer
Käfer suchen Schutz vor der Kälte oft unter der Rinde von Bäumen (gerne auch in Holzstößen), vergraben sich im Laub und im Boden oder suchen Schutz im Mauerwerk von Häusern. Auch sie verfügen über einen körpereigenen Stoff, der verhindert, dass sie bei Minus-Temperaturen erfrieren. Käfer überwintern häufig in Gruppen, was im Frühjahr bei steigenden Temperaturen die Partnersuche sehr vereinfacht.
Die Käfer sind die artenreichste Insektenfamilie (350.000 Arten weltweit) und ernähren sich als Imago von tierischen Überresten jeder Art (wie Aas und auch anderen Insekten), aber auch von verarbeiteten Tierteilen wie Fellen, Häuten, Federn oder Wolle. Oder sie fressen an Pflanzenteilen wie Blüten (z. B. der Rosenkäfer), Blättern, Wurzeln, oder an Algen, Pilzen, Holz und Papier (ja, auch der „Bücherwurm“ ist eigentlich ein Käfer).
Käferlarven ernähren sich ähnlich vielfältig, leben aber hauptsächlich in Schlamm, Moder, Humus und den Ausscheidungen von Säugetieren, manche leben auch als Jäger an blattlausbefallenen Pflanzen (wie der Marienkäfer und seine Larven) oder in Gewässern, wie die Larven des Gelbrandkäfers, die sogar Kaulquappen und kleine Fische erbeuten. Diese Vielseitigkeit macht zwar – aus menschlicher Sicht – manche Käfer und ihre Larven zu Schädlingen: Aber man bedenke nur, unter welchen Schichten von toten Tieren und Pflanzen die Welt schon längst erstickt wäre, gäbe es diese „Aufräumer“ nicht.
… über Schmetterlinge
Obwohl sie so zart und zerbrechlich wirken, erweisen sich die Schmetterlinge im Winter als wahre Überlebenskünstler – einige entziehen sich auch als Wanderfalter der Kälte, indem sie in wärmere Gefilde fliegen, oft über Tausende von Kilometern.
Diejenigen, die hier bleiben, fallen in eine Art Winterstarre und verstecken sich in der Erde, in hohlen Bäumen, Totholz, verlassenen Tierbauten, in Scheunen und Mauerritzen, manchmal auch in Wohnhäusern – wer so einen Wintergast findet, sollte ihn unbedingt nach draußen bringen, z. B an einen geschützten Platz in Garage oder Schuppen. Wer in klirrender Kälte einen Zitronenfalter, scheinbar eingefroren, an einem Grashalm findet, lasse sich nicht täuschen – der hat Glyzerin im Blut! Im Frühling wird er einer der ersten sein, die die aufgeblühten Krokusse umflattern.
Die meisten Schmetterlingsarten überleben die kalte Jahreszeit als Puppe und schlüpfen im Frühling. Man findet die Puppen gut getarnt an ihren Futterpflanzen oder im Boden, in Kokons eingesponnen. Andere Schmetterlinge überwintern sogar als Raupe, erwachen gelegentlich an milden Wintertagen und fressen ein bisschen, bevor sie ihre Winterruhe fortsetzen. So kann man mit etwas Glück – sogar auf dem Schnee – die graubraunen Raupen vom Zimtbär (ein Nachtfalter) unter ihren Futterpflanzen wie Brombeeren oder Schlehdorn finden.
… über Schwebfliegen
Allein in Deutschland gibt es 450 Arten von Schwebfliegen, die zum Teil als Imago überwintern, zum Teil als Larve oder Puppe: Die befruchteten Weibchen verstecken sich meist in Mauerspalten, Hecken und Rindenritzen.
Während die Imago von Pollen, Nektar oder Honigtau lebt, gehören ihre Larven im zeitigen Frühjahr zu den ersten Blattlausvernichtern – die Eier legt die umsichtige Schwebfliegenmutter gleich mitten in eine Blattlauskolonie. Andere Arten überwintern als ausgewachsene Larve oder Puppe in Bodenstreu und Laub. Sie werden etwas später aktiv und nehmen sich gleich der nächsten Blattlausgeneration an.
Viele Schwebfliegen haben das „Pech“, sich als Schutz gegen Fressfeinde ausgerechnet die schwarz-gelben Streifen der Wespen ausgeliehen zu haben – da macht so mancher Mensch kurzen Prozess, ohne genauer hinzuschauen! Dabei sind sie kinderleicht von ihren stechenden Kolleginnen zu unterscheiden: Aufgrund ihrer Fähigkeit, sowohl im Vorwärts- als auch im Rückwärtsgang zu fliegen, um im nächsten Augenblick mit bis zu 300 Flügelschlägen in der Sekunde wie Kolibris in der Luft zu stehen.
Schwebfliegen haben keinen Stachel, die Imago ernährt sich ausschließlich von Pollen und Nektar; sie sind im Garten neben den Wildbienen unsere wichtigsten Bestäuber.
… über Florfliegen
Charakteristisch für die häufigste bei uns bekannte Florfliegen-Art (Chrysopidae) sind ihre großen Flügel, ihre goldenen Augen und ihre hellgrüne Körperfärbung. Im Herbst und Winter finden wir sie häufig auf Dachböden oder in Schuppen und Gartenhäusern. Je nach Art überwintern sie als Imago oder als Larve – oft verirren sich die hübschen Tierchen auch in Wohnungen – wo sie aber nicht bleiben sollten, denn dort ist es zu warm für sie. An einem trockenen, frostfreien Platz draußen im Garten überstehen sie den Winter am besten.
Eine Larve dieser Familie kann während ihrer Entwicklung zur Imago bis zu 100 Blattläuse und Milben pro Tag fressen (oder besser: aussaugen), wofür ihr wohl ein dankbarer Gärtner den furchteinflößenden Namen „Blattlauslöwe“ verliehen hat; auch als ausgewachsene Florfliege ernährt sie sich weiter von Blattläusen.
… über Wespen und Hornissen
Im Herbst löst sich das Nest auf, wie bei den Hummeln überlebt nur die Königin den Winter. Nach dem Hochzeitsflug, bei dem die Drohnen die Königin begatten, sterben diese – und ebenso die Arbeiterinnen. Die Königin sucht sich einen Unterschlupf in frostgeschützten Hohlräumen, etwa im morschen Holz alter Dachstühle, in einer Baumhöhle, einem Erdloch, im Moos oder in einer Mauerspalte. Weil sie nach der Paarung noch so viel wie möglich gejagt und gefressen hat, hilft ihr ein komfortables Fettpolster und ein stark reduzierter Stoffwechsel, bis zu sechs Monate Kälte zu überstehen.
Die befruchtete Königin verfällt in Winterstarre, aus der sie erst im kommenden Frühjahr wieder erwacht und einen neuen Wespenstaat gründet, indem sie aus Holzfasern ein paar Waben baut und Eier hineinlegt. Die Königin muss am Anfang noch – sozusagen eigenhändig – für die Aufzucht ihres Personals sorgen, bis die ersten Arbeiterinnen geschlüpft sind. Die füttern dann ihre Majestät für den Rest ihres Lebens – deren Aufgabe ist nur noch das Produzieren von Nachwuchs.
Wer übrigens Hornissen im Garten hat, der braucht sich im Spätsommer keine Sorgen um seinen Zwetschgendatschi zu machen: Die Hornissen stehen nicht auf Süßes und halten ihm die ganze Saison über die gierige Verwandtschaft vom Leibe – denn Wespen, auch Großwespen wie die Hornisse, fressen am liebsten – Wespen!
… über Wildbienen
Alleine in Deutschland gibt es ca. 560 verschiedene Wildbienen-Arten: Die meisten von ihnen leben solitär, das heißt: Sie bilden keine Völker aus. Daher ist ihr Leben in der Regel im Herbst zu Ende – anders als bei den Honigbienen, die sich im gemeinsamen Bienenstock wärmen können.
Für den Nachwuchs haben die Weibchen schon im Sommer gesorgt, indem sie eine Reihe von Brutzellen angelegt haben, von denen jede ein Ei und Proviant in Form von Blütenpollen enthält und sorgfältig verschlossen wird. Die meisten Wildbienen graben zu diesem Zweck Gänge ins Erdreich, andere nisten in Käferbohrlöchern im Totholz, in Pflanzenstängeln oder in anderen Hohlräumen – die Schneckenhausmauerbiene legt ihre Brutzellen sogar in leeren Schneckenhäusern an, wobei sie das Häuschen nicht nur lange dreht und wendet, sondern zum Schluss auch noch mit Blattstückchen beklebt und mit Grashalmen oder Kiefernnadeln tarnt.
Bald nach der Ei-Ablage entwickeln sich die Larven, die nichts weiter zu tun haben, als tüchtig zu fressen und als Larve, Puppe oder auch als Imago gut geschützt den Winter zu überstehen. Im Frühjahr oder Frühsommer nagt die fertige Biene den Deckel ihrer Kinderstube durch, um den geflügelten Teil ihres Lebens als Wildbiene zu beginnen.
Bei manchen Arten warten schon die etwas früher geschlüpften Drohen „vor der Tür“, um die Weibchen sofort zu begatten – ein neuer Kreis des Lebens beginnt! Die jungen Wildbienen machen sich sofort auf Nahrungssuche, um die Eier, die in ihrem Körper reifen, gut zu ernähren – indem sie Nektar und Pollen von blühenden Pflanzen sammeln, bestäuben sie sie im „Nebeneffekt“, so dass diese Samen oder Früchte hervorbringen können. Da viele Wildbienen schon bei viel niedrigeren Temperaturen ausfliegen als die Honigbienen, sind sie z. B. für die Befruchtung von Obstgehölzen enorm wichtig, besonders in einem kalten Frühjahr.
Was können die Gärtner gegen das Insektensterben tun?
So, Sepp! Da hast jetzt a bisserl was zum Spekulieren. Beim nächsten Mal, wenn wir uns wieder treffen, erklär ich Dir, was wir Gärtnerinnen und Gärtner gegen das das Insektensterben tun können. Bis boid!
Bini Katz