Zwiesel. Mailand, Amsterdam, Hamburg – und Zwiesel. So sehen die Tourplakate der Bands aus, die im Jugendcafé Zwiesel auftreten. Doch dahinter steckt kein großer Club mit viel Budget – sondern Jugendliche. Alle Konzerte, die im Jugendcafé veranstaltet werden, werden von den jungen Besuchern selbst auf die Beine gestellt – vom Booking bis zur Nachbereitung des Gigs. Mehr als 1.000 Bands standen in den vergangenen 30 Jahren bereits auf der Jugendcafé-Bühne.
Im Laufe der Zeit hat sich das von den Jugendlichen liebevoll genannte „Kaff“ zu einem besonderen Kulturzentrum gemausert – und darüber hinaus zu einem Zufluchtsort, einem Ort der Entfaltung, einem Stück Heimat. In einem alten Heustadl entstand 1984 das Jugendcafé in Zwiesel, von der damaligen Generation Jugendlicher mühevoll aufgebaut und von der heutigen Generation liebevoll gepflegt und renoviert.
Ausgezeichnet für ein herausragendes Livemusik-Programm
Vor ein paar Jahren stand das Jugendcafé fast vor dem Aus. Das „Kaff“ sollte verkauft werden, jahrelange Arbeit und Hingabe wäre zerstört worden. Doch die Jugendlichen protestierten öffentlich – kämpften für ihren Club. Viele namhafte Musiker unterstützten die Aktion, mithilfe vieler Spenden und eines Benefizkonzerts der international bekannten Band „BoySetsFire“ konnte das Jugendcafé gerettet werden. Auch heute steht es immer wieder mal vor kleineren und größeren Problemen, die aber gemeinsam durch harte Arbeit und die Kaff-Gemeinschaft gelöst werden können. Dieses Engagement stieß auch überregional bereits auf große Anerkennung. 2016 wurde das Jugendcafé für seine nachhaltige, jugendkulturelle Arbeit mit dem Bayerischen Rockpreis ausgezeichnet – persönlich überreicht von Kultusminister Spänle.
Nun gibt es für die junge Mannschaft des Jugendcafés um Leiter Christian Schwarz erneut einen Grund zum Feiern: Das Team erhält den diesjährigen Spielstättenpreis „Applaus“ aus den Händen von Prof. Monika Grütters (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) in Mannheim überreicht. Ausgezeichnet wird dabei das herausragende Livemusik-Programm des Jugendcafés im Jahr 2017, das die Jugendlichen in ihrem „Kaff“ auf die Beine gestellt haben. Dabei zeigt sich einmal mehr: Das Jugendcafé im idyllischen Zwiesel ist eine Jugendeinrichtung, die es so kein zweites Mal im Woid gibt. Das „Kaff“ leistet in dem 9.000-Einwohner-Ort offene Jugendarbeit und ist in Trägerschaft des Fördervereins für offene Jugendarbeit Zwiesel e.V.
Das Jugendcafé freut sich insbesondere deshalb über die Auszeichnung, da es gerade im Bayerischen Wald einen Ankerpunkt für Nachwuchscombos und junge Bands auf Tour bietet. Darüber hinaus ermöglicht die Einrichtung jungen Menschen aus der Region, international bekannte Bands zu einem vernünftigen Preis zu erleben – und dafür nicht mindestens 200 Kilometer nach München, Nürnberg oder Prag zurücklegen zu müssen. Die Auszeichnung, die mit 7.500 Euro Kulturförderung verbunden ist, würdigt ebenso das außergewöhnliche wie ehrenamtliche Engagement der jungen Jugendcafé-Besucher – und gibt ihnen die Möglichkeit, noch mehr Konzerte zu organisieren.
Kulturarbeit ist gerade im Woid sehr wichtig
Junge Bands haben im Jugendcafé die Gelegenheit, die Bühne mit einigen ihrer Idole zu teilen und Bühnenerfahrung zu sammeln, sowie im kostenlosen Proberaum zu üben. Alle Konzerte und Kulturveranstaltungen werden von den Jugendlichen selbst durchgeführt und organisiert. Einrichtungsleiter Christian Schwarz steht den Besuchern mit Rat und Tat zur Seite, schafft den Rahmen und unterschreibt die Verträge. Der Großteil der anfallenden Tätigkeiten – wie Kalkulation, Booking, Korrespondenz (auch auf Englisch), Kochen, Werbung, Veranstaltungsplanung und Durchführung – wird von den Heranwachsenden selbst geleistet.
Aus ihrer Erfahrung im Jugendcafé haben über die Jahre einige Besucher eine Karriere im Veranstaltungsmanagement eingeschlagen. Das bekannteste Beispiel hierfür dürfte Oise Ronsberger (Manager von „Boy Sets Fire“ und Inhaber des Plattenlabels „Endhits Records“) sein.
Auch die Zukunft des ländlichen Raums hängt entscheidend davon ab, ob junge Menschen für sich dort Perspektiven sehen. Es sind gerade die weichen Standortfaktoren, die eine Kommune lebenswert machen. Für Jugendliche sind dies etwa eigene Räume, wo sie unter sich sein können, einen Freiraum ihrem Lebensgefühl entsprechend gestalten und vor allem eigene kulturelle Projekte entwickeln können. Deshalb ist die Kulturarbeit des Jugendcafés gerade auch im Woid so wichtig.
Zur vollsten Zufriedenheit der Künstler und Agenturen
„Das Jugendcafé gehört zum festen Bestandteil der deutschen Musiklandschaft“, sagt Grünen-Landtagsabgeordneter Markus Ganserer, selbst ein gebürtiger Zwieseler. Dies sei gerade deshalb so erstaunlich, weil die jugendlichen Besucher selbst dafür verantwortlich zeichnen. Besonders das hohe Niveau, auf dem die Jungveranstalter sich bewegen, sei beachtlich. Sie arbeiten u.a. mit Bookingagenturen wie MAD, Avocado oder Destiny Tourbooking zusammen. Sie planen und Veranstalten Konzerte mit Bands wie Strike Anywhere (nur drei Konzerte in Deutschland auf deren Europatournee 2017) – und dies zur vollsten Zufriedenheit der Künstler und deren Agenturen.
da Hog’n