Freyung-Grafenau. Kann ein Kind eine Beziehung zu seinem Papa aufbauen, wenn die Eltern schon vor der Geburt getrennte Wege gehen? Wenn der Papa seinen Sohn von Anfang an nur einmal die Woche besucht? Christiane hat Angst, dass es schwierig wird zwischen ihrem Sohn und ihrem Ex-Freund. Sie will jedoch alles dafür tun, dass das Papa-Sohn-Verhältnis sich gut entwickeln kann.
Die ersten Wochen nach der Geburt herrscht wieder Funkstille zwischen Christiane und dem Vater ihres Sohnes. Nach den schwierigen ersten Tagen meldet er sich nicht – und Christiane hat mit sich und dem Neugeborenen zu tun. Sie gewöhnt sich mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Eltern an die neue Rolle als Mutter. „Der Vater hat das Recht, aber nicht die Pflicht, das Kind zu sehen“, sagt Christiane. „Mir war es unendlich wichtig, dass sie sich sehen.“ Sie will keinen Streit, denn sie möchte ihrem Sohn den Papa nicht wegnehmen oder die Beziehung der beiden negativ beeinflussen.
Der Vater kommt nun zweimal die Woche zu Besuch
Das klappt ein paar Wochen nach der Geburt dann auch: Er besucht seinen Sohn mehrmals pro Woche. Allerdings sind die Besuche sowohl für Christiane als auch für ihren Ex-Freund nicht einfach. Der junge Vater tut sich schwer, sich an die Situation zu gewöhnen. Schließlich muss auch er erst lernen, ein Neugeborenes zu versorgen. Normalerweise passiert das im gemeinsamen Alltag mit dem Baby. Christianes Ex hat aber immer nur am Abend oder am Wochenende für wenige Stunden seinen Sohn bei sich. Füttern, wickeln, trösten – all das übernimmt die Mutter.
Die beiden suchen Rat beim Jugendamt: Wie regelt man in einer Situation wie dieser den Umgang des Vaters mit seinem Sohn am besten? Wie oft sollte er ihn besuchen? Sind viele kurze Besuche besser? Oder lieber weniger, dafür aber mit längeren Besuchszeiten? Doch das Amt habe sie bei der Beantwortung dieser Fragen anfangs wenig unterstützt, berichten beide. Sie sollen selbst ausprobieren, wie es klappt – und ob der Kleine sich an seinen Papa gewöhnt. Erst, als es wieder größere Schwierigkeiten zwischen Christiane und ihrem Ex-Freund gibt, besprechen sie die Situation gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Jugendamtes.
Seither kommt der junge Vater jede Woche für zweieinhalb Stunden zu Besuch: Im Wechsel einmal am Freitagnachmittag, die Woche drauf dann am Samstagvormittag. „Wir haben uns beide gewünscht, dass es mehrmals pro Woche klappt“, berichtet Christiane. Für ihren Ex habe die Arbeit jedoch nach wie vor Priorität – dann erst komme sein Sohn, sagt sie. Dass seine Arbeitszeiten Besuche schwierig machen, sagt auch er. Denn wenn er abends nach Hause kommt, sei für den Kleinen schon wieder Schlafenszeit. Und auch am Freitag und am Samstag habe er oft länger im Job zu tun.
Finden die Eltern einen Weg, den Umgang zu regeln?
Definitiv ist es auch für ihn keine einfache Situation: „Was Härteres im Leben hätte ich mir nicht vorstellen können“, gibt er offen zu. „Ich sehe meinen Sohn, alles ist schön. Und dann muss ich wieder fahren.“ Christiane macht sich viele Gedanken darüber, dass der Bub viele schöne Momente nur mit ihr und nicht mit seinem Papa erlebt: Das erste Mal gemeinsam in der Badewanne baden, der erste Brei, ihn bei seinen ersten Schritten begleiten. „Das sind einzigartige Momente, die uns verbinden“, sagt Christiane. Ihr Ex-Freund teile nur selten diese Momente mit seinem Sohn. „Ich hab jetzt schon wahnsinnig viel verpasst“, weiß auch er. „Mir wird jetzt erst bewusst, was ich in der Schwangerschaft und in den ersten Wochen versäumt habe.“
Kann er das nachholen? Wie kann er es schaffen, eine enge Papa-Sohn-Beziehung aufzubauen? „Ich habe das Gefühl, dass der Kleine seinen Vater von Woche zu Woche vergisst“, bedauert Christiane. Im Babyalter – Christianes Sohn ist jetzt zehn Monate alt – sind die Papa-Besuche besonders schwierig. Noch versteht der Kleine nicht, wer der Mann ist, der sich da hin und wieder bei ihm blicken lässt. Momentan ist er – wie alle Babys in seinem Alter – sehr auf die Mutter fixiert. Er weint, wenn ihn andere auf den Arm nehmen – auch bei seinem Vater. Christiane ist deshalb immer dabei, wenn ihr Ex-Freund den Kleinen besucht. „Ich versuche, die beiden so viel wie möglich allein machen zu lassen“, sagt Christiane. Sie hofft, dass sich trotz allem bald eine Bindung zwischen ihnen entwickelt. „Wenn er immerzu weint, wenn sein Papa kommt, dann hat mein Ex vielleicht irgendwann keine Lust mehr auf die Besuche…“
Für die Zukunft wünschen sich beide, dass er seinen Sohn auch mal abholen und allein mit ihm etwas unternehmen kann. Wenn ein Vater sich erst später von der Mutter seines Kindes trennt, wenn er die ersten Monate oder sogar Jahre zusammen mit Frau und Kind verbracht hat, ist es wahrscheinlich leichter den Umgang von Vater und Sohn zu regeln, vermutet Christiane. Denn dann haben Vater und Kind schon vor der Trennung eine Beziehung aufgebaut.
Der Knackpunkt einer guten Beziehung zwischen Vater und Sohn ist aber in diesen Fällen – genau wie bei Christiane und ihrem Ex – die Frage: Finden die Eltern einen Weg, den Umgang zu regeln, ohne sich zu streiten? Christiane will das auf jeden Fall erreichen. „Werte wie Sicherheit und Geborgenheit vermittle momentan nur ich unserem Sohn“, sagt sie. Das soll aber nicht so bleiben. Sie möchte, dass der Kleine – wie andere Kinder – zwei Erwachsene hat, auf die er sich verlassen kann, die ihn im Leben begleiten.
Keine Zukunftspläne – „Alles andere ergibt sich dann schon“
Christiane hat das alleinige Sorgerecht, ihr Ex-Freund mischt sich in Sachen Erziehung momentan so gut wie gar nicht ein. „Drei Stunden in der Woche, in denen ich meinen Sohn sehe, sind zu wenig, um da mitreden zu können“, gibt er zu. „Ich will bei ihr auch nichts durcheinander bringen in ihrem Alltag.“ Später werde sich das vielleicht einmal ändern, sagt er.
Wie es in zehn Jahren laufen wird, darüber macht Christiane sich jetzt noch keine Gedanken. Zukunftspläne zu schmieden ist ohnehin nicht ihre Art. „Ich hoffe, dass ich einen Job finde, der sich gut mit meiner Mutterrolle vereinbaren lässt“, sagt Christiane. „Alles andere ergibt sich dann schon.“
Sabine Simon