Viechtach. Was erachten geflüchtete Menschen unterschiedlichster Herkunft als „typisch deutsch“? Einer Studie des „Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ zufolge gilt als „typisch deutsch“ der Besitz eines festen Arbeitsplatzes, der nicht nur das tägliche Brot auf den Tisch bringt, sondern auch eine gesicherte Zukunft ermöglicht.
Gänzlich abseits des öffentlichen Bewusstseins leisten, wie IQ-Netzwerkmanagerin Eva Meidinger von der Kreisentwicklungsgesellschaft Arberland REGio GmbH erklärt, viele deutsche Unternehmen Basisarbeit in Sachen Integration und gelebte Willkommenskultur. Zu ihnen gehört auch die „Schreinerei – Innenausbau“ von Stefan Peter aus Viechtach.
„An seinem vierten Tag kamen meine Mitarbeiter auf mich zu“
Gegründet 1977 von Paul Peter in Geiersthal, wurde das Unternehmen bis 2002 als Zwei-Mann-Betrieb geführt. Einen Wendepunkt in der Firmengeschichte markierte die Übergabe an Sohn Stefan: Durch die Umsiedelung nach Viechtach, die Anschaffung einer CNC-Fräse und den Aufbau eines kleinen Netzwerks mit Schreinern aus der Region ließ sich ein hochdotierter Auftrag für Schienenfahrzeug-Einrichtungsteile derart gewinnbringend erfüllen, dass Folgeaufträge die rund 30 Mitarbeiter bis heute beschäftigen. Seit August 2017 ist auch Youssef – genannt „Sepp“ – Alhalabi offiziell Teil der Belegschaft.
„Youssef war zuvor als Praktikant bei uns“, erinnert sich Stefan Peter. „An seinem vierten Tag kamen meine Mitarbeiter auf mich zu und meinten, dass man ihn auf der Stelle einstellen müsse.“ Nicht weiter verwunderlich, denn: Neben Motivation und Fleiß brachte der 24-Jährige eine große Portion praktischen Wissens mit zur neuen Arbeitsstätte: „Vor meiner Flucht war ich drei Jahre lang in einer großen Schreinerei nahe Damaskus beschäftigt“, berichtet Youssef Alhalabi. „Weil ich auch in Deutschland mit Holz arbeiten wollte, hat mir eine nette Familie aus Rattenberg geholfen, bei Schreinereien im Landkreis Regen vorstellig zu werden.“
Obwohl sich Stefan Peter selbst als „sozial eingestellt“ betrachtet, musste Youssef bestimmte Grundbedingungen erfüllen: „Wir hatten das Glück, dass er schnell und gerne lernt – und deshalb schon sehr gut deutsch spricht“, meint der Chef. „Wenn die Sprachbarriere Arbeitsanweisungen und Kundenkommunikation unmöglich macht, dann hilft es beim besten Willen nicht. Obwohl man sich den Schreiner von heute nicht mehr wie Meister Eder an der Hobelbank vorstellen darf, betreuen wir nach wie vor auch Privatkunden.“
Ein weiteres Kriterium war der Status als anerkannter Geflüchteter. „Ich möchte niemals erleben müssen, dass ein Mitarbeiter während unseres Beschäftigungsverhältnisses abgeschoben wird – aus unternehmerischer und vor allem auch aus persönlicher Sicht nicht.“ Und dann ist da die Sache mit der Gleichstellung: „In meiner Firma gibt es einen hohen Frauenanteil – auch in der Fertigung. Da ist es mir wichtig, dass keine Geschlechterunterschiede gemacht werden und man freundlich, respekt- und rücksichtsvoll miteinander umgeht.“ Mit Youssef habe es hier nie Schwierigkeiten gegeben, „obwohl er schon erst einmal geschaut hat, wie die Damen da im Lkw sitzen und die schweren Maschinen bedienen.“
„Im besten Fall geht es einem wie uns mit dem Sepp“
Der junge Mann selbst fühlt sich sehr wohl im Unternehmen. Besonderen Spaß hat er auf den Baustellen, wo „immer etwas los“ ist – und beim gemeinsamen Plausch mit den Kollegen. Nach anerkanntem Führerschein greift ihm Peter nun mit einem Fahrzeug unter die Arme, das über die Firma geleast wird. Und noch mehr: Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen soll die Belegschaft künftig um den syrischen Azubi Diaa erweitert werden. „Ich würde jedem Chef raten, erst einmal ein Praktikum absolvieren zu lassen und danach zu entscheiden, ob sich der potenzielle neue Mitarbeiter gut ins Team einfügt. Im besten Fall geht es einem wie uns mit dem Sepp – und man erhält nicht nur eine Fachkraft, sondern eine menschliche Bereicherung für die Firma.“
da Hog’n