Freyung-Grafenau. Wen nimmt man mit in den Kreißsaal, wenn sich der Vater des Kindes schon zu Beginn der Schwangerschaft getrennt hat? Christiane musste nicht nur diese Entscheidung treffen, sondern sich nach der Geburt auch um Dinge wie Vaterschaftstest und Sorgerecht kümmern. Wie sie die Geburt und die ersten Wochen mit Kind als Alleinerziehende erlebt hat, erzählt sie uns im zweiten Teil unserer Hog’n-Serie „Allein mit Kind“.
Bereits einige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin hatte Christiane alles vorbereitet: Die Erstausstattung samt Babybett und Kinderwagen war komplett, die Babyschale fürs Auto stand parat. „Ich wusste ja: Wenn ich im Krankenhaus bin, wartet daheim keiner, der noch irgendetwas vorbereiten kann“, sagt sie im Nachhinein ganz nüchtern. Ihr Freund hatte sich zu Beginn der Schwangerschaft von ihr getrennt. Sie wusste von Anfang an, dass sie alleinerziehend und für ihr Kind allein verantwortlich sein wird. Ihre Eltern und ihre drei Geschwister unterstützen Christiane bis heute zwar, wo sie können. Doch letztendlich fühlt doch immer sie sich alleine zuständig.
„Die Basis zwischen uns war einfach nicht da“
Kontakt zum Vater ihres Kindes hat sie während der Schwangerschaft kaum. „Als ich schon hochschwanger war, haben wir nochmal ziemlich gestritten“, erzählt die 25-Jährige. Er habe angezweifelt, ob er mit 100-%iger Sicherheit der Vater des Kindes sei. „Aus meiner Sicht gab es nie einen Grund, so etwas in Erwägung zu ziehen“, sagt sie. Nach dem Streit dann aber die Kehrtwende: Er zeigt Interesse für die Schwangerschaft, die bevorstehende Geburt, begleitet Christiane sogar zu einer Kreißsaal-Besichtigung. „Das war jedoch ein ziemlich befremdliches Gefühl, mit ihm da zu stehen“, erinnert sie sich.
Geplant war zunächst, dass Christianes Ex-Freund ab dem errechneten Geburtstermin auf ihrem Sofa übernachten und da sein will, sollte nachts etwas passieren. Doch es klappt nicht, es gibt erneut Streit. Danach war für sie klar: Wenn es ernst wird, will sie ihn nicht dabei haben. „Die Basis zwischen uns war einfach nicht da“, erklärt sie. Ganz anders sieht das ihr Ex-Freund: Er wäre gern bei der Geburt dabei gewesen, sagt er heute. Und er sei ziemlich überrascht gewesen, als sie sich erst gemeldet hat, als der gemeinsame Sohn bereits da war.
Wie die Geburt ohne Partner ablaufen soll, weiß Christiane bis zum Schluss nicht so genau. „Alle um mich herum haben die Krise geschoben“, erzählt sie. „Ich hab immer gedacht: Wenn es plötzlich losgeht, kann ich ja den Rettungswagen rufen.“ Warum einige es ganz schön mutig fanden, dass sie die Geburt allein durchstehen wollte, verstand sie erst im Nachhinein.
Ihre Blutwerte sind miserabel, sie fühlt sich überfordert
Anstelle des Kindsvaters übernimmt Christianes Bruder die Nachtschichten. Er ist es auch, den sie um 2 Uhr nachts schließlich weckt, als ihre Blase springt. Etwa alle zehn Minuten hat sie danach Wehen. Ihr Bruder will sofort los: „Er war ziemlich hektisch. Aber ich wollte erst noch duschen“, sagt sie und lacht. Danach fährt er sie nach Passau ins Klinikum, wo sie ihren Sohn zur Welt bringen möchte. Kurz nach ihnen treffen auch Christianes Eltern ein. Die werdende Mutter entscheidet, dass ihre Mama sie in den Kreißsaal begleiten darf. Sie ist es auch, die am späten Vormittag schließlich die Nabelschnur ihres Enkels durchschneidet.
Nach der schnellen Geburt geht es der jungen Mutter ziemlich schlecht. Ihre Blutwerte sind miserabel, sie fühlt sich von der Situation überfordert, als auch das Stillen nicht gleich klappt. Christianes Ex-Freund kommt am Nachmittag ins Krankenhaus. Er habe in der Arbeit sofort alles stehen und liegen lassen, als sie sich bei ihm meldete, berichtet er. Auch er wirkt in Christianes Augen überfordert. Die nächsten Tage besucht er sie regelmäßig. Sie erwartet aber mehr von ihm, bittet ihn, ihr den Kleinen auch mal abzunehmen. Sie möchte, dass er die letzte Nacht, die sie im Krankenhaus verbringt, dort bleibt und seinen Sohn auch nachts einmal „erlebt“.
„Ich hätte es gern für den Kleinen getan, aber ich konnte nicht“, sagt er. „Plötzlich gemeinsam Eltern zu sein ist schwierig, wenn man sich nicht die ganze Schwangerschaft über darauf vorbereitet und eingefunden hat.“ Schließlich muss er zu einem Lehrgang, den er – wie er sagt – nicht einfach absagen kann. Christiane verlässt das Krankenhaus ohne ihn.
Ex-Freund hat die Vaterschaft vor der Geburt nicht anerkannt
Allein ist die frischgebackene Mama in den Tagen nach der Geburt trotzdem nicht: Sie zieht vorübergehend zurück in ihr Elternhaus. Ihre Familie ist rund um die Uhr für sie da. „Wir haben uns alle zusammen um den Kleinen gekümmert“, erzählt sie. Nachts trägt ihr Vater seinen Enkel im Arm, tagsüber bekocht ihre Mutter sie. „Ich hatte schon eine Luxussituation“, gibt Christiane zu.
Auch die Tipps ihrer Mama nimmt sie gerne an: „Sie hat Erfahrung mit mir und meinen drei Geschwistern gesammelt, da kann man so einiges weitergeben.“ Letztlich hatte Christiane auch keine andere Wahl: Hätte sie sich nicht von ihren Eltern helfen lassen, wäre sie alleine dagestanden. “ Wenn ich in dieser ersten Zeit mit einem Partner zusammen alles hätte entscheiden müssen, der genauso unerfahren gewesen wäre wie ich, wäre es vielleicht sogar schwieriger gewesen“, sagt sie im Rückblick. Dass sie ihren Eltern nach der Geburt des Sohnes derart viel abverlangt, bereitet ihr aber auch ein schlechtes Gewissen.
Drei Wochen nach dem Ereignis, das ihr Leben für immer verändert hat, muss Christiane mit dem Buben zum Jugendamt: Vaterschaftstest. Christianes Ex-Freund hat die Vaterschaft vor der Geburt nicht anerkannt. Das bedeutet: In der Geburtsurkunde wird er zunächst nicht als Vater eingetragen, denn die beiden waren nicht verheiratet. „Wenn er den Test nicht freiwillig gemacht hätte, hätte ich das gerichtlich regeln müssen“, sagt Christiane.
Ihr Ex-Freund sagt heute, dass er sich durchaus sicher gewesen sei, dass er der Vater ist. Das Jugendamt habe ihm aber geraten, die Vaterschaftsanerkennung erst nach einem Test zu unterschreiben. Denn: Hätte Christiane ihm das Kind „angehängt“ und er die Vaterschaftsanerkennung unterschrieben ohne der biologische Vater zu sein, wäre er trotzdem der rechtliche Vater des Kindes geblieben – außer er hätte die Vaterschaft im Nachhinein gerichtlich angefochten.
„Ich hatte Angst, dass ich plötzlich ohne Geld dastehe“
Als der Test positiv ausfällt, ärgert sich Christianes Ex-Freund: „Das ganze Trara hätten wir uns sparen können, weil ich mir doch eigentlich sowieso sicher war, dass ich der Vater bin.“ Er unterschreibt die Anerkennung und wird anschließend in die Geburtsurkunde eingetragen. Nun kann Christiane auch Unterhalt fordern. Ungünstig für sie: Durch das lange Prozedere dauert es, bis der erste Unterhalt auf ihrem Konto verbucht ist. „Es war schon alles ziemlich knapp. Ich hatte Angst, dass ich plötzlich ohne Geld dastehe“, berichtet sie. Denn nach der Geburt erhält sie nur Mutterschaftsgeld. Rücklagen hat sie zwar, doch die würde sie gerne für später aufheben. Glücklicherweise geht die erste Elterngeld-Zahlung dann genau nach Ende des Mutterschutzes ein.
Vaterschaft laut Geburtsurkunde ist das eine, was ein getrennt lebendes Elternpaar regeln muss. Das zweite ist das Sorgerecht. Ist ein Paar bei der Geburt nicht verheiratet, liegt das Sorgerecht allein bei der Mutter. Christianes Ex-Freund hätte das gemeinsame Sorgerecht bekommen können: Entweder durch eine einfache Erklärung beim Jugendamt, wenn beide Elternteile sich darüber einig sind. Oder er hätte die gemeinsame Sorge einklagen können. Seit 2013 können Väter dies tun – und das Gericht muss der gemeinsamen Sorge zustimmen, sofern es keine gewichtigen Gründe gibt, die dagegen sprechen.
Es sei in ihrer Situation schwierig, Entscheidungen immer gemeinsam zu treffen, sagt Christiane – und das sieht auch ihr Ex so. Zum Beispiel hätte sie die schriftliche Einwilligung des Vaters gebraucht, wenn sie ihr Kind impfen lassen will. Deshalb beließen sie es beim alleinigen Sorgerecht der Mutter.
„Wahnsinn, was mein Ex alles verpasst“
Einen dritter Punkt muss allerdings definitiv geregelt werden: Das Umgangsrecht des Vaters. Wie oft darf und soll er den Kleinen sehen? „Wahnsinn, was mein Ex alles verpasst“, denkt Christiane seit der Geburt ihres Sohnes oft. Auch ihm wird nun bewusst, wie schnell sich sein Sohn entwickelt und wie wenig er davon mitbekommt. Wie die beiden den Umgang mit dem gemeinsamen Sohn hinbekommen haben und wie Christiane sich die Zukunft vorstellt, erzählt sie im letzten Teil unserer Serie.
Sabine Simon