Passau. Seit mehr als 20 Jahren ist Prof. Dr. Dirk Heckmann Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau. 2016 wurde der Internetrechtsexperte in die Ethikkommission für automatisiertes und vernetztes Fahren des BMVI, 2018 in die Datenethikkommission der Bundesregierung berufen. Jüngst hielt er einen Vortrag in Freyung zum Thema Datenschutzgrundverordnung. Grund genug, uns mit Dirk Heckmann über die Vor- und Nachteile der DSGVO, über Digitalisierung und die Frage, wie sicher die Daten privater Nutzer heutzutage sind, zu unterhalten.
Was halten Sie generell von der seit 25. Mai 2018 anzuwendenden DSGVO?
Die europäische Datenschutzgrundverordnung hat die Bedeutung des Datenschutzes und damit des Schutzes von Persönlichkeitsrechten und der Privatsphäre ins Bewusstsein gerückt und die Menschen sensibilisiert. Das ist schon jetzt ein großer Fortschritt und sehr zu begrüßen.
„Unruhe hat dem Anliegen des Datenschutzes geschadet“
Welche Vorteile, welche Schwächen hat sie?
Die DSGVO bietet den Aufsichtsbehörden bessere Möglichkeiten, bei erheblichen Datenschutzverstößen einzuschreiten. Auch die europaweite Harmonisierung ist ein Vorteil, weil besonders Unternehmen, die international agieren, vergleichbare Standards vorfinden. Die größte Schwäche der DSGVO ist für mich nicht das Gesetz selbst, sondern die Art der Umsetzung: Man hatte zwar zwei Jahre Übergangszeit eingeräumt, konkrete Hilfen für „kleine“ Unternehmen, die sich keine teure Beratung leisten können, aber erst kurz vor und auch erst nach dem 25. Mai 2018 angeboten. Die damit verbundene Unruhe hat dem Anliegen des Datenschutzes geschadet.
Kritiker behaupten, dass die DSGVO insbesondere Vereinen das Leben schwer macht. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Das stimmt in einem gewissen Sinne. Zwar haben sich die Datenschutzanforderungen kaum geändert durch die DSGVO – sie galten auch schon unter dem Bundesdatenschutzgesetz. Weil aber zu wenig und auch zu spät amtlich verbindliche Informationen bereitgestellt wurden, weiß man oft nicht, was denn nun wirklich gilt, zum Beispiel was genau eine Datenschutzerklärung enthalten muss – oder ob man ein Verarbeitungsverzeichnis braucht. Immerhin bietet das Bayerische Staatsministerium des Innern und für Integration mittlerweile sehr hilfreiche Informationen im Internet auf der Seite www.dsgvo-verstehen-bayern.de.
Können Datenkraken wie Facebook, Google, Amazon und Co. je in den Griff bekommen werden – so, wie sich die Politik dies wünscht? Oder mutiert die Politik nicht vielmehr zum Spielball jener Wirtschafts- und Meinungsgiganten?
Die großen IT-Unternehmen haben zweifellos eine Marktmacht, die man nur schwer regulieren kann, zumal es auch einer internationalen Verständigung bedarf. Meine Hoffnung liegt in der Datenethikkommission, die die Bundesregierung vor kurzem einberufen hat. Sie soll sich auch um Themen wie Datenhandel oder Steuerung durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz kümmern. Ich freue mich sehr, dass ich als einer der 16 Experten dort mitwirken darf.
„Eine der größten Herausforderungen der digitalen Gesellschaft“
Thema Digitalisierung: Welche Gefahren birgt eine zunehmende Digitalisierung hinsichtlich der menschlichen Privatsphäre? Sind wir irgendwann alle gläserne, permanent von Daten beeinflusste Individuen, die – wie etwa im Buch „Quality Land“ beschrieben – nur noch ein fremdgesteuertes Dasein fristen?
Abgesehen davon, dass das Buch „Quality Land“ von Marc-Uwe Kling absolut lesenswert und sehr unterhaltsam ist, möchte ich das darin beschriebene Schreckgespenst nicht an die Wand malen. Zwar sieht es derzeit danach aus, dass wir immer mehr Privatsphäre verlieren, sei es durch staatliche Überwachung oder durch eine unbändige Datenpreisgabe infolge intransparenter Geschäftsmodelle im Internet. Die Digitalisierung birgt aber erhebliche Chancen und Vorteile, weshalb ich das Rad nicht zurückdrehen möchte. Zu diesen Chancen zählen auch neue Technologien, die die Privatsphäre wiederum schützen, etwa Verschlüsselung, Anonymisierung etc.. Da geht noch mehr. Das sollte gefördert werden.
Ganz allgemein: Wie sicher sind meine Daten in einer zunehmend digitalisierten, „durch-technologisierten“ Welt? Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft in Sachen Datensicherheit?
Datensicherheit zählt neben dem verantwortungsvollen Umgang mit – persönlichen – Daten zu den größten Herausforderungen der digitalen Gesellschaft. Wenn sich alles digitalisiert – von E-Government über E-Health bis zum autonomen Fahren -, ist alles nichts ohne die Sicherheit der Daten und der Systeme. Hier muss dringend mehr getan werden für eine Steigerung des IT-Sicherheitsniveaus – auch wenn es hundertprozentige Sicherheit hier so wenig gibt wie etwa im Straßenverkehr. Anders als die StVO gibt es aber nicht einmal eine Datenverkehrsordnung, sondern nur ein IT-Sicherheitsgesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen. Deshalb arbeiten wir an meinem Lehrstuhl im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik BSI derzeit an einem neuen, wirksameren IT-Sicherheitsgesetz. Allemal muss die Gewährleistung von IT-Sicherheit eine gemeinsame Anstrengung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft sein.
Vielen Dank, dass Sie sich für die Beantwortung unserer Fragen Zeit genommen haben.
Die Fragen stellte: Stephan Hörhammer
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Hintergrund
„Unsicherheit“ ist das Schlagwort unserer Generation. Wie umgehen mit den zahlreichen Herausforderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft? Unsere Welt ist im Wandel begriffen, dreht sich immer schneller. Wir möchten wissen: Wie damit umgehen? Dabei sollen nicht nur unsere Leserinnen und Leser zu Wort kommen, sondern auch Experten, Wissenschaftler, Politiker und Ökonomen. Was sagt eigentlich ein Zukunftsforscher über seinen Forschungsgegenstand? Wie wird sich der Klimawandel auf den Bayerischen Wald auswirken? Wie sicher ist unsere Rente, wie sicher unsere Daten? Im Rahmen der Serie „Generation Y: Was bringt die Zukunft?“ soll das Thema „Zukunft“ aus verschiedensten Blickwinkeln betrachtet werden, sollen Akteure und Betroffene zu Wort kommen, Standpunkte und Meinungen analysiert werden. Gerne auch mit Deinem Beitrag!