Freyung-Grafenau. Christiane weiß erst seit Kurzem, dass sie schwanger ist – da trennt sich ihr Freund von ihr. Für die 25-Jährige steht von Anfang an fest: Sie wird das Kind alleine zur Welt bringen und alleinerziehende Mama werden. Dem Onlinemagazin da Hog’n hat sie erzählt, wie es für sie war, ohne Partner die Schwangerschaft, die Geburt und die ersten Monate mit ihrem Baby zu erleben.
„Ich wollte nie nach einem Plan leben: Erst heiraten, dann Haus bauen, dann ein Kind kriegen“, sagt Christiane. Sie findet, dass sich im Leben eher alles ergeben soll, will heute noch nicht wissen, wo sie in zehn Jahren wohnt, was sie arbeitet und wie viele Kinder sie hat. Was sich in den letzten eineinhalb Jahren in ihrem Leben ergeben hat, hätte sie aber sicher nicht so geplant, wenn sie denn planen würde.
„Er hat einen kompletten Schlussstrich gezogen“
Mit ihrem Freund ist sie seit sechs Jahren zusammen, als die beiden beschließen, nicht mehr zu verhüten. „Wir waren uns beide bewusst: Es kann jederzeit passieren“, erzählt sie. Zu diesem Zeitpunkt leben sie nicht gemeinsam unter einem Dach. „Man muss auch dann, wenn man miteinander ein Kind hat, nicht unbedingt zusammen wohnen“, findet Christiane. Aber wenn es sich ergeben hätte, wenn sie eine schöne Wohnung gefunden und entschieden hätten, dass es so gut ist, dann wären sie zusammen gezogen.
Als Christiane dann aber schließlich feststellt, dass sie schwanger ist, kriselt es bereits in der Beziehung. „Wir haben uns ständig gezofft, ich habe nur noch wenig mit ihr unternommen, viel mehr mit Kumpels“, berichtet Christianes Ex-Freund. Als sie ihm sagt, dass sie schwanger ist, hat er bereits beschlossen, dass er sich trennen will. „Nur wegen dem Kind zusammen bleiben – das kann ich nicht“, ist er sich sicher. „Er hat einen kompletten Schlussstrich gezogen“, erzählt Christiane. Während sie noch um ihn kämpfen und die Beziehung retten möchte, geht er nicht mehr ans Telefon, wenn sie anruft, will keinerlei Kontakt mehr. „Ich hatte Angst, dass ich wieder schwach werde“, gibt er zu. Das wollte er aber nicht mehr. Dass er dadurch die Schwangerschaft überhaupt nicht miterlebt, bereut er im Nachhinein.
Kurz nach der Trennung habe das „Leidg’schmatz“ angefangen, erzählt er. Christiane habe ihm ein Kind angehängt, mutmaßen die Leute. Um ihn zu halten, die Beziehung zu kitten? „Ich habe allen sofort gesagt, dass das nicht stimmt“, sagt er und bestätigt, dass beide bewusst nicht verhütet haben, dass auch ihm klar war, dass jederzeit „etwas passieren“ kann.
Christiane erlebt die gegenteiligen Reaktionen: Ihr Ex habe sich aus der Verantwortung gestohlen, sie sitzen gelassen, als er von der Schwangerschaft erfuhr. Auch dieser Darstellung widersprechen beide. Er hat sich von ihr getrennt, weil es ständig Streitereien zwischen ihnen gab. Und die Schwangerschaft änderte nichts an seinem Entschluss.
„Da bist du in einem Tunnel drin“
Was also tun? Christiane akzeptiert schließlich, dass er der Beziehung keinerlei Chance mehr gibt. Für sie steht auch nach der Trennung fest: Sie wird dieses Kind bekommen. Theoretisch hätte sie die Möglichkeit es abzutreiben: Sie ist erst in der achten Woche. Sie aber sagt: „Die Entscheidung für das Kind fällt viel früher: Nämlich dann, wenn man sich bewusst gegen Verhütung entscheidet.“ Gegen ein Kind, das sie nun bereits auf Ultraschallbildern sehen kann, hätte sie sich nie entscheiden können.
Mit diesem Entschluss beginnt aber auch eine schwere Zeit: Sie muss die Trennung verarbeiten und macht sich gleichzeitig jede Menge Sorgen. Wie wird es werden, das Leben allein mit Kind? Die Verantwortung ganz allein zu tragen? Das Finanzielle allein zu stemmen? Die ersten Monate der Schwangerschaft habe sie ganz anders erlebt, als andere Frauen darüber berichten. „Ich habe es erst sehr spät genossen, dass da ein Kind in mir heranwächst“, bedauert sie heute. Viel zu lange habe sie sich Gedanken und Sorgen darüber gemacht, ob sie das alles alleine schaffen kann.
Statt sich damit zu beschäftigen, wie sich ihr Körper und das Ungeborene nach und nach verändern, steht für Christiane im Vordergrund, möglichst frühzeitig alles zu regeln. „Da bist du in einem Tunnel drin“, erinnert sie sich. Sie plant nun ganz genau für die Zeit nach der Geburt. Doch das ist gar nicht so einfach: „In der Schwangerschaft lässt sich rechtlich nichts regeln. Das geht erst, wenn das Kind da ist“, sagt sie. Sie informiert sich über alles, was sie nach der Geburt erledigen muss. Was, wenn er die Vaterschaft abstreitet? Bekomme ich erstmal Unterhalt vom Staat? Muss ich mir ein finanzielles Polster anlegen, um über die Runden zu kommen?
Nach der Geburt gibt es zwei Monate lang Mutterschaftsgeld. Danach steht Christiane erstmal ohne feste Einkünfte da. Deshalb will sie sofort das Elterngeld und Unterhalt beantragen. In der Schwangerschaft sammelt sie schon mal alle Anträge zusammen, weiß jetzt schon, was sie nach der Geburt an Unterlagen braucht. Eine Meldebestätigung zum Beispiel, um für die Elterngeldstelle zu belegen, dass sie tatsächlich alleine wohnt und alleine für das Kind sorgt. Wegen Sorgerechtserklärungen bespricht sie sich mit dem Jugendamt (mehr dazu im nächsten Teil unserer Serie).
„Hinterher fühlt man sich emotional ziemlich ausgelutscht“
„Was ich jeder Frau, die sich in einer ähnlichen Situation befindet, sehr empfehlen kann, ist die Schwangerschaftsberatung“, sagt Christiane. Hier habe sie kompakte Infos erhalten. „Und sie haben mir Mut gemacht.“ Nach der Beratung sei sie auf alles vorbereitet gewesen, was nach der Geburt an Papierkram auf sie wartet.
Sie allein entscheidet auch, wie das Kind heißen soll. Hinter ihr steht ihre gesamte Familie, ihre Eltern, ihre drei Geschwister. „Aber das ist nicht das Gleiche, wie wenn man mit seinem Partner darüber redet, welcher Name einem gefällt“, sagt sie. „Jeder gibt einem einen guten Rat – aber entscheiden muss am Ende immer ich alleine – die Verantwortung trage ich allein.“
Besonders aufreibend empfindet Christiane Kurse wie Schwangerschaftsgymnastik oder Geburtsvorbereitung. „Jeder geht vom Familienidyll aus bei einer Schwangeren“, erzählt sie. In den Gesprächen der werdenden Mütter höre man ständig Fragen wie: „Habt IHR euch XY schon überlegt / gekauft?“ In solchen Situationen wollte sie nicht ständig erzählen, dass bei ihr alles anders ist, dass sie alles allein entscheiden muss, keinen Partner hat, der die Schwangerschaft mit ihr erlebt. Sie habe den anderen zugehört und kam sich dabei immer etwas ausgeschlossen vor. „Hinterher fühlt man sich emotional ziemlich ausgelutscht“, erinnert sie sich. Wenn alle anderen in „freudiger Erwartung“ sind – und man sich selbst zwar auf das Kind freut, sich aber auch viele Sorgen macht.
„Sehen Sie denn schon, was es wird?“
Es gibt aber auch Situationen, an die sie sich rückblickend gerne erinnert. Die große Ultraschalluntersuchung in der 20. Schwangerschaftswoche zum Beispiel: Ihre jüngere Schwester begleitet sie. Und als es ganz still im Raum ist während der Untersuchung, fragt die Schwester den Arzt plötzlich: „Sehen Sie denn schon, was es wird?“ Der Arzt habe dann zuerst Christiane gefragt, ob sie es denn auch wissen wolle. Und als sie das bestätigt, erfahren die beiden, dass es ein Junge wird. „Nach der Untersuchung haben wir dann gleich den ersten Schnuller gekauft“, sagt Christiane und lächelt. „Das war schön.“
Sabine Simon
Wie Christiane sich auf die Geburt vorbereitet hat, wie sie die Geburt und die ersten Wochen als alleinerziehende Mama erlebt hat, berichtet sie im zweiten Teil unserer Hog’n-Serie über eine alleinerziehende Mutter.