Mauth/Erding. Die Geschichte von František Hadrava klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Der 47-jährige Schlosser aus Zdíkov im Böhmerwald, einem kleinen Dorf unweit von Vimperk gelegen, hat sich seinen ganz persönlichen Traum vom Fliegen erfüllt – und zwar aus ganz praktischen Gründen: Er wollte auf dem Weg zur Arbeit Zeit sparen. Die Viertel Stunde durch den morgendlichen Verkehr dorthin war ihm irgendwann zu lästig. Also baute er sich kurzerhand sein eigenes kleines Flugzeug. Eine Geschichte, die auch den Mauther Regisseur Jonas Julian Köck in ihren Bann gezogen hat. Da Hog‘n hat sich mit dem 30-Jährigen Filmemacher, Kameramann und Regisseur über sein neuestes Werk unterhalten.
Jonas: Wie bist Du auf die Idee gekommen, einen Film über František Hadrava, den fliegenden Schlosser aus Zdíkov im Böhmerwald, zu machen?
Tja, ich würde gerne etwas Spektakuläreres erzählen, aber ich bin im Netz zufällig darüber gestolpert. Da war ein Artikel über einen Kerl aus Tschechien, der mit dem Flugzeug in die Arbeit fliegt. Ich hab dann recherchiert und rausgefunden, dass er in der Nähe von Winterberg wohnt. Einen Film über ihn gab es noch nicht – da dachte ich mir: Zeit wird’s. Dabei war mir wichtig, mehr über ihn als Person zu machen, als die bloße Schlagzeile „Typ fliegt mit Flugzeug in die Arbeit“ wiederzugeben. Ich wollte seine Story erzählen, die Leute seine Leidenschaft spüren lassen.
„Es bringt ihm sehr viel auf der Suche nach dem eigenen Glück“
Was ist František Hadrava für ein Typ?
František ist ein im positiven Sinne Verrückter. Er lebt seinen Traum, ohne Kompromisse. Er hat sich voll und ganz der Fliegerei verschrieben. Es bringt ihm sehr viel auf der Suche nach dem eigenen Glück. Aber gleichzeitig ist so eine bedingungslose Leidenschaft auch immer irgendwo mit Verzicht auf anderen Ebenen verbunden. Das muss man schon auch berücksichtigen.
Wie findest Du seine Idee, sich ein eigenes Flugzeug zu bauen, um damit schneller zur Arbeit zu gelangen?
Ich finde die Idee grandios. Man muss ja nur mal überlegen, wie lange man in seinem Leben im Verkehr steckt. Das sind ja Monate, wenn nicht sogar Jahre. Erst heute bin ich wieder im Stau gestanden und hab mir gedacht: Ein Flugzeug wäre nicht schlecht. Man muss halt erstmal eins haben…
Als ich František bei unserem ersten Treffen darauf angesprochen habe, hat sich das Bild ein wenig relativiert. Er fliegt natürlich nicht jeden Tag in die Arbeit. Denn eigentlich ist das auch immer ein ziemlicher Aufwand. Die äußeren Bedingungen lassen das auch nicht immer zu.
„Enorm wichtig, dass man auch mal den Mainstream verlässt“
Warum braucht die Welt Menschen wie František Hadrava?
Ohne hier jetzt mit Plattitüden kommen zu wollen, aber: Ich finde es enorm wichtig, dass man auch mal den Mainstream verlässt und verrückte Sachen ausprobiert. Dass man nicht immer den einfachen Weg geht, sondern sich auch mal was traut. Denn nur dadurch erkennt man, was man wirklich will. Wenn man solche Erfahrungen nicht zulässt, verbaut man sich meiner Meinung nach sehr viele Wege, die einem vielleicht zu einem erfüllteren, besseren Leben führen können. Geschichten wie die von František erinnern uns wieder daran, dass es diese Wege gibt. Und dass sie auch gar nicht so weit weg sind, wie wir manchmal glauben.
Er ist offenbar einer, der Grenzen überwindet. Ist es auch ein Ziel von Dir als Filmemacher, mit Deinem Schaffen Grenzen zu überwinden?
Ja, das kann man so sagen. Ich möchte mit meinen Filmen den Leuten etwas vom „echten“ Leben erzählen, von „echten“ Charakteren und ihren Geschichten. Ich möchte die Leute rausholen aus ihrer Filter-Blase und zeigen, dass es da draußen auch was Anderes gibt. Außerhalb von dieser glatt gebürsteten Scheinwelt, in der wir viel zu oft gefangen sind.
Welche besonderen Herausforderungen galt es beim Dreh zu bewältigen?
Es gab viele Herausforderungen, um ehrlich zu sein. Die kann ich hier nicht alle auflisten. Ich hatte ja von František weder eine Nummer noch eine Adresse. Deshalb bin ich letzten Sommer einfach mal nach Winterberg gefahren und hab ihn gesucht. Als ich dann endlich vor ihm stand, habe ich festgestellt, dass er weder Deutsch noch Englisch spricht. Und ich kann kein Tschechisch. Das hatte zur Folge, dass wir uns erst einmal nur über eine App am Smartphone unterhalten konnten (lacht).
„Die größte Herausforderung waren definitiv die Luftaufnahmen“
Wie aufwendig war die Produktion? Wie viele Leute waren daran beteiligt?
Es war recht aufwendig: Ich habe ja Drehbuch, Produktion, Regie, Kamera, Schnitt und Farbkorrektur in Personalunion realisiert – das ist nie einfach. Insgesamt waren etwa zehn Leute beteiligt, ohne die das Projekt nie so geworden wäre, wie es jetzt ist.
Wie beeinträchtigend waren die Verständigungsschwierigkeiten am Set?
Die Sprachbarriere war natürlich ein erhebliches Problem. Ich war an fast allen Drehtagen auf eine Dolmetscherin angewiesen. Und wenn man sich immer nur, wie es so schön heißt, über ein Hauseck mit jemanden unterhalten kann, über den man aber einen Film machen will, ist das natürlich nicht gerade ideal.
Die Aufnahmen in der Luft stammen von einem Begleithubschrauber. Warst Du auch in der Luft mit dabei? Wie war’s für Dich?
Die größte Herausforderung waren definitiv die Luftaufnahmen. Einen Film über František ohne Flugaufnahmen braucht man nicht machen, das war mir von Anfang an klar. Über meine Dolmetscherin habe ich einen Piloten gefunden, der Bock auf das Projekt hatte und mit mir die Flugaufnahmen realisiert hat. Nicht umsonst natürlich, aber verhältnismäßig günstig.
The Aviator from Jonas Julian Köck on Vimeo.
Vom Flug selbst habe ich nicht viel mitbekommen, weil ich ja nur auf den Monitor bzw. durch meinen Sucher geschaut habe. Ich habe zur Seitentür hinausgefilmt – und durch die Vibration des Rotors, den Wind und die Bewegungen des Helikopters war das Filmen auch gar nicht so einfach. Aber in einigen Momenten bin ich innerlich vor Freude gehüpft, weil die Bilder und die Stimmung so bombastisch waren.
„Will Projekte machen, an denen mein Herz hängt“
An welchem Projekt arbeitest Du derzeit?
Aktuell befinde ich mich in der Recherche für einen Langfilm. Es ist wieder ein Doku-Projekt, aber zum Thema kann ich noch nichts verraten.
Welche Pläne verfolgst Du in Zukunft?
Wichtig ist mir, dass ich Projekte mache, an denen mein Herz hängt und die es wert sind, dass man seine Mühen und seine Energie investiert. Eigentlich geht es mir da so ähnlich wie dem František…
Interview: Stephan Hörhammer
hallo zusammen,
sehr schön, der Film von Julian Köck über den „Fliegenden Schlosser
über dem Böhmerwald“. Echt gut, …. Stimmung , Luftaufnahmen, Musik drunter, das Interview mit dem Typen, gut eingefangen. Sehenswert. Einfach eine Freude. Merci.
mfg
johanna starl