Noch nicht einmal über deren Namen scheint man sich recht einig zu sein. Zehn Jahre nach deren Ausbruch. Die Finanz-, Banken-, Wirtschafts-, Immobilien- oder Staatsschuldenkrise? Mit 15. September 2008 verschwand die Lehman-Brothers-Bank von der Bildfläche – und mit ihr rund 690 Milliarden Dollar an Firmenwert. Weltweit zählten die Verluste an den Börsen rund 20 Billionen Dollar. Das Weltfinanzsystem befand sich dieser Tage bedrohlich nahe am Abgrund. Die Krise aus dem Jahr 2008 war eine, die in ihrer Heftigkeit an das Jahr 1929 erinnerte.
In den U.S.A verloren in Folge der Krise Zehntausende ihr Eigenheim und landeten auf der Straße. Acht Millionen Amerikaner standen plötzlich ohne Job da. Doch in einer Welt des hyperglobalisierten Kapitalismus beschränkt sich ein Crash solchen Ausmaßes nicht auf ein Land – und auch nicht nur auf die Finanzmärkte. Zahlreiche europäische Finanzhäuser wurden daraufhin verstaatlicht – oder ganz geschlossen. In Europa mussten insgesamt rund 750 Milliarden Euro in die Rettung von Banken gepumpt werden. Die gesamte europäische Wirtschaft geriet durch den Finanz-Crash in eine schwerwiegende Rezession.
Chronologie einer Krise
„Es ist vorbei. Geht nach Hause“, soll es am 15. September 2008 in den Gemäuern der New Yorker Bank „Lehman Brothers“ geheißen haben. Aus und vorbei. Die Fotos zahlreicher Mitarbeiter der Investment Bank, die mit Kartons und Kisten ihren einstigen Arbeitsplatz verließen, gingen um die Welt. Genauso wie die Finanzkatastrophe um die Welt ging, die dadurch ausgelöst wurde.
Doch wie kam es zu diesem Crash? Vorausgegangen war der Finanzkrise die sog. Immobilienblase. Bereits seit den 1970ern sank das Realeinkommen der unteren Einkommensschichten in den USA, der Wunsch nach materiellem Wohlstand aber blieb. Viele amerikanische Haushalte nahmen daraufhin Kredite auf und verschuldeten sich teilweise erheblich. Doch der Deal schien in Ordnung: Niedrigverdiener konnten trotz Einkommenseinbußen ihren materiellen Bedürfnissen nachgehen, während die wirtschaftliche Nachfrage im Land stabil blieb. Bereits im Jahr 2005 betrug die Verschuldung der privaten Haushalte in den USA 135 Prozent.
Aufgrund der Niedrigzinspolitik der Federal Reserve, der Amerikanischen Zentralbank, wurden Finanzhäuser zu dieser Zeit mit besonders „billigem Geld“ ausgestattet. Zudem gingen Geldhäuser dazu über, die Hürden zur Aufnahme eines privaten Kredits stetig zu senken – für Kredite aller Art.
Viele dieser Banken vergaben Immobilienkredite zu Spottbedingungen, an Menschen ohne geregeltes Einkommen, ohne festen Job oder entsprechende Sicherheiten. Praktisch: An jeden. Das Kalkül dahinter: Kann ein Kunde seinen Kredit nicht zurückbezahlen, geht die Immobilie einfach in den Besitz der Bank über. Da die Immobilienpreise in den USA ohnehin seit Jahren steigen, ein Geschäft das vermeintlich nur Gewinner kennt (alleine von 1990 bis 2000 hatten sich die Immobilienpreise in den USA verdoppelt). Entweder der Kunde zahlt den Kredit fristgerecht zurück: In diesem Fall verdient die Bank an den Kreditzinsen. Oder aber der Kunde wird zahlungsunfähig: In diesem Fall erwirbt die Bank eine Immobilie, deren Wert in Zukunft vermutlich stark ansteigen wird.
Es braucht nicht viel Phantasie, um zu erahnen, dass diese Art der Kreditvergabe nicht ewig gut gehen kann. Heute weiß man: Der „Traum vom Eigenheim“ wurde für viele US-Amerikaner zum Albtraum.
Banken wie Lehman Brothers gingen nun dazu über, diese Kredite zu hochspekulativen Finanzpaketen zu bündeln. Amerikanische Ratingagenturen statteten diese Kreditbündel fälschlicherweise mit „AAA“, der höchsten Bonitätsstufe, aus. Damit galten sie als besonders sicher. Ein Irrtum mit Folgen – und einer, der bewusst in Kauf genommen wurde, denn mittlerweile ist klar: Die Bewertung dieser Papiere wurde in vollem Wissen der Beteiligten beschönigt:
„Lasst uns hoffen, dass wir alle reich und im Ruhestand sind, wenn dieses Kartenhaus in sich zusammenfällt. :o)“
– E-Mail eines Angestellten der Ratingagentur Standard & Poor’s (2006)
Aufgrund der vermeintlich hohen Bonitätsstufe schienen viele dieser Kreditderivate auch für europäische und deutsche Banken äußerst attraktiv. Dass man in vielen Fällen selbst nicht mehr ganz nachvollziehen konnte, was es mit diesen hochkomplexen Derivaten auf sich hatte, schien zu diesem Zeitpunkt nur wenige zu stören. Warnungen, dass die hochriskanten Geschäfte irgendwann böse enden könnten, hatte der damalige Lehman-Brothers-CEO Dick Fuld nach Aussagen ehemaliger Mitarbeiter konstant ignoriert. Dass diese Art von Derivathandel, dessen Inhalt man teilweise nicht einmal mehr selbst begriff, nicht ewig so weiter gehen könne, davon wollte Fuld nichts wissen.
Eine Blase wäre keine Blase, bestünde nicht die Gefahr, dass sie irgendwann platzt. Auf rund 57 Billionen Dollar war das Kreditvolumen des Jahres 2007 in den USA angewachsen. Bis die Blase eben platzte. Und damit standen auch die Banken vor einem Problem: Die zuvor leichtfertig vergebenen Kredite konnten in vielen Fällen nicht mehr zurückbezahlt werden. Diverse Finanzhäuser sahen sich mit erheblichen Liquiditätsproblemen konfrontiert. Und aufgrunddessen, dass nun die Immobilienpreise in den Keller rauschten, stiegen zusätzlich auch noch die Zinsen für (die ohnehin schon hochverschuldeten) Kreditnehmer. Mit sinkenden Immobilienpreisen waren auch die einzig verbliebenen „Sicherheiten“ passé. Während einige kleinere Finanzhäuser bereits von 2005 an mit Problemen zu kämpfen hatten, läutete der Konkurs von Lehman Brothers den endgültigen Kollaps ein.
Auch die Deutsche Bank geriet ins Straucheln, im Januar 2009 wurden Teile der Commerzbank verstaatlicht, um sie vor der Insolvenz zu bewahren. Im Oktober desselben Jahres wurde die Münchner Hypo Real Estate Staatseigentum. Viele kleinere Banken (wie die Mittelstandsbank IKB) gingen Konkurs. Insgesamt betrachtet, machten europäische Geldhäuser sogar mehr Verluste als ihre Pendants jenseits des Atlantiks.
Laut dem niederländischen Think Tank Transnational Institute (TNI) kostete die Bankenrettung die europäischen Steuerzahler rund 747 Milliarden Euro. Hinzu kommen fast 1,2 Billionen Euro „für Bürgschaften und Garantien“. Allein der deutsche Steuerzahler wurde mit rund 50 Milliarden Euro zur Kasse gebeten.
Politische und soziale Folgen
Weltweit, so eine Studie der ILO, gingen durch die Krise bis Ende 2009 rund 34 Millionen Arbeitsplätze verloren. Da Industriestaaten von der globalen Rezession besonders betroffen gewesen sind, waren es in der EU rund 13,7 Millionen Stellen, die der Wirtschaftskrise zum Opfer fielen. In Deutschland dauerte es bis Ende 2013 bis die Arbeitslosenquote wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht hatte.
Weitaus schlimmer betroffen waren Griechenland und Spanien: Während die durchschnittliche Arbeitslosenquote der EU im Jahr 2014 bei gut zehn Prozent lag, fiel sie in den beiden Ländern mit rund 25 Prozent mehr als doppelt so hoch aus. Zum Vergleich: Vor der Krise waren in Griechenland lediglich sieben Prozent arbeitslos, in Spanien gut acht Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit in den beiden Ländern stieg in Folge der Krise auf über 50 Prozent. Wer in den vergangenen Jahren die Hauptstädte Athen oder Madrid besuchte, konnte Menschen beobachten, die in Restaurants um Essenreste bettelten, ganze Familien, die plötzlich mit Sack und Pack auf der Straße lebten. Als Auswirkung des auferlegten „Sparprogramms“ kürzte Griechenland das Gesundheitsbudget um ein Drittel. Seither mangelt es in Krankenhäusern selbst an alltäglichen Dingen wie Spritzen, Nadeln oder elementaren Medikamenten. Fast 1,5 Millionen Griechen sind derzeit akut armutsgefährdet – in einem Land der Europäischen Union.
Dass Regierungen bei der Rettung von Banken deutlich mehr Eifer zeigten als bei der Versorgung der eigenen Bürger, stieß vielen sauer auf. Während im Sozial- und Bildungsbereich massive Sparprogramme durchgepeitscht, Arbeitslosengeld sowie Renten gekürzt wurden, der Ausbau der Infrastruktur und Investitionen in den Klimaschutz nur noch von sekundärer Wichtigkeit waren, butterte man Milliarden in die Rettung „systemrelevanter“ Banken. So wurde aus einer einstiegen Immobilien- und Finanzkrise zunächst eine Wirtschaftskrise – und letztlich eine Staatsschuldenkrise.
Nicht wenige gehen davon aus, dass diese auch unmittelbare Auswirkungen auf die derzeitige politische Krise hat. Wenn das eigene Wohl in Bedrängnis gerät, weil sich ein paar Banker am anderen Ende der Welt verzockt haben, ist eine globalisierungskritische Haltung nicht weit. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Antwort auf ein solches Ereignis die Rückbesinnung auf den Nationalstaat ist – und dass plötzlich alles Fremde als Sündenbock herhalten muss.
Zehn Jahre Finanzkrise – und jetzt?
Es dauerte bis zum 20. August dieses Jahres bis Griechenland den sog. EU-Rettungsschirm verlassen durfte – und nun wieder auf eigenen, wenn auch wackeligen Beinen steht. In den Jahren nach der Krise schien es ein Zeitfenster zu geben, in dem es ernsthafte Bestrebungen gab über Alternativen zum derzeitigen Finanzmarktkapitalismus nachzudenken. Linke Ökonomen waren plötzlich wieder gefragt, wurden in Talkshows eingeladen und säumten die Titelseiten mit Kommentaren. Karl Marx und eine Welt jenseits einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung waren wieder en vogue. In Griechenland wurde mit Alexis Tsipras der Vorsitzende der sozialistischen SYRIZA zum Ministerpräsidenten gewählt.
Tsipras steht zwar auch heute noch an der Spitze Griechenlands – von einem Umdenken in Sachen Finanzkapitalismus ist jedoch nur noch wenig zu spüren. Meldungen über die hochtrabend verlautbarten „restriktiveren Regeln für den Finanzmarkt“ werden zunehmend abgelöst von jenen über neue Formen „hochriskanter Spekulationen“. Dass die nächste Krise kommt, gilt als gesichert. Die Frage ist nur: Wann? Im Schnitt dauert es sieben Jahre bis die Finanzmärkte erneut zu beben beginnen.
Dick Fuld, ehemaliger CEO von Lehman Brothers und einer der Hauptverantwortlichen jener Krise, wird all das nicht mehr jucken. Insgesamt 500 Millionen Euro hatte er mit dem ganzen Spielchen verdient. Größtenteils ist dieses Geld nun in Besitz seiner Frau – falls die Behörden mal auf dumme Gedanken kommen sollten. Doch diese Sorge dürfte nicht allzu groß ausfallen: Bisher musste sich keiner der beteiligten Wall-Street-Banker vor Gericht verantworten. Wie heißt es so schön: Kapitalismus für Arme, Sozialismus für Reiche!
Johannes Greß
wie kann so ein Politiker wie Olaf Scholz ein Amt wie Bundesfinanzminister inne haben?
kürzlich war zu lesen:
Im Rahmen der ersten großen Rettungsaktion zahlten die Länder 2009 3,5 Milliarden Euro ins Eigenkapital der HSH ein. Dazu gab es eine Garantie von zehn Milliarden Euro. Im Gegenzug sollte die Bank eine jährliche Provision zahlen und so langfristig die Kapitalspritze zurückzahlen. Einen Teil der 3,5 Milliarden Euro hat die Bank in der Zwischenzeit tatsächlich zurück gezahlt. Die Garantie von zehn Milliarden Euro wird jedoch mit dem Verkauf in vollem Umfang fällig. Bleiben rund elf Milliarden, die die Länder am Mittwoch sicher verloren haben.
Ergeben sich noch weitere Belastungen?
Die Schulden der Länder Hamburg und Schleswig-Holsteins aus der HSH-Pleite steigen damit auf mehr als die Hälfte ihrer Jahresetats. Außerdem ist noch unklar, ob sich weitere Belastungen für die Länder der Gewährträgerhaftung ergeben. Mit dieser haften die Länder für Schulden, die die HSH bis Juli 2005 gemacht hat.
Quelle: Verkauf der HSH Nordbank besiegelt – Teurer Deal für den Steuerzahler
wie kann so ein Politiker wie Seehofer ein Amt wie Bundesinnenminister inne haben?
kürzlich war zu lesen:
Welt: Seehofer nennt Milliarden-Verlust ein „Debakel“
Seehofer räumte in einer kurzfristig anberaumten Regierungserklärung zugleich ein, dass es sich bei den Verlusten durch die HGAA um ein „Debakel“ handelt. Es bestehe keinerlei Anlass zu „Schönrederei“. Es seien „gigantische Beträge“ verloren gegangen.
Focus: BayernLB – Desaster-Chef geht mit vollen Taschen. Unter seiner Ägide verlor die BayernLB Milliarden in Österreich. Dennoch tritt Michael Kemmer ohne finanzielle Sorgen zurück: Der Banker kassiert eine fürstliche Abfindung.
Fazit: noch nie haben auf deutschen Boden so wenige so viele einen so gigantischen Schaden zugefügt und wurden anstatt ultimativ bestraft zu werden noch mit Abfindungen in Millionenhöhe, feudale Altersversorgungen, lukrative Posten, Auszeichnungen, Orden und vieles mehr, bedacht.
Seitdem steht für mich fest, dieses Land befindet sich im Würgegriff einer Mafia, Meute, Sekte und ihre Schergen bei der Justiz, Medien, Polizei, Verwaltung und sonstige Nutznießer sind Teil davon und halten schützend ihre Hände über diese Staat- und Volksschädlinge.