Freyung-Grafenau. Dass die jungen Leute von heute nichts oder nur sehr wenig von Politik und Parteien wissen wollen, scheint eine weit verbreitete sowie häufig nicht ganz unbegründete Meinung in dieser Gesellschaft darzustellen. Ein Stereotyp, das die Verantwortlichen des Kreisjugendrings Freyung-Grafenau (KJR) mit der vom 1. bis 5. Oktober erstmals stattfindenden U-18-Wahl widerlegen möchten. Wir haben uns mit KJR-Geschäftsführer Martin Wagner über die Details zur Wahl unterhalten – und einen Blick auf den parallel stattfindenden „Kandidaten-Check“ geworfen.
Der Kreisjugendring FRG führt heuer erstmals die sog. U-18-Wahl im Landkreis durch. Welchen Hintergrund hat dieses Vorhaben?
Die U18-Wahl hat das große Ziel, Kinder und Jugendliche neugierig auf Politik zu machen. Durch die Simulation soll das Interesse geweckt werden, sich mit politischen Positionen oder Parteiprogrammen auseinanderzusetzen – und sich so eine Meinung zu bilden.
Unkompliziert: Zum Wählen kann jeder unter 18-Jährige kommen
Wie läuft die U18-Wahl konkret ab? Wer darf wählen gehen?
Im Grunde läuft die U18-Wahl wie die richtige Wahl ab: Man kommt in ein Wahllokal, füllt in der Kabine den Stimmzettel aus und schmeißt ihn anschließend in die Wahlurne. Ein paar Unterschiede gibt es aber schon: Es werden keine Wahlbenachrichtigungen versandt, zum Wählen kann jeder ganz unkompliziert kommen, der noch nicht 18 Jahre alt ist. Außerdem bieten wir die Möglichkeit, an mehreren Tagen wählen zu gehen. Dadurch können wir mehrere Wahllokale im Landkreis verteilt anbieten: Am 1.10. sind wir in der TSV-Turnhalle Waldkirchen und am 4.10. in der Städtischen Mehrzweckhalle Grafenau – an den beiden Tagen jeweils von 8 bis 15 Uhr. Am 5.10. kann im Mehrgenerationenhaus Freyung von 8 bis 16 Uhr und in der Josef-Eder-Halle Röhrnbach von 14 bis 18 Uhr gewählt werden.
Ein weiterer Unterschied ist, dass man in FRG bei der U18-Wahl nur die Zweitstimme abgeben, also nur die Partei wählen kann. Durch die Aufteilung unseres Landkreises in zwei Wahlkreise wäre der Aufwand ansonsten zu groß geworden.
Welche konkrete Rolle spielt dabei der Kreisjugendring FRG?
Wir haben beim Bayerischen Jugendring, der zentralen Koordinierungsstelle der U18, die Wahllokale registriert. Der KJR kümmert sich nun in Zusammenarbeit mit der Kommunalen Jugendarbeit um deren Betreuung und zählt am Freitag, den 5.10., dem offiziellen Termin der U18-Wahl, die Stimmen aus. Die Ergebnisse werden dann am Wahlabend unter www.u18.org veröffentlicht. Dort sind übrigens auch alle Wahllokale in Bayern zu finden.
Junge Menschen wollen und können die Gesellschaft mitgestalten
Warum ist es wichtig, dass auch Jugendliche unter 18 Jahren ihre Stimme abgeben können?
Vor sämtlichen Wahlen bestimmen politische Zukunftsdiskussionen das Interesse der Öffentlichkeit. Dazu gehören natürlich Kinder und Jugendliche – auch sie stellen sich Fragen und haben Wünsche an die Politik.
Die Nachwuchs-Wählerinnen und –Wähler sollen natürlich nicht nur ihr Kreuzchen machen, sondern sich vorher Gedanken machen und eine Meinung bilden. Auch wenn das Ergebnis der U18-Wahl keine Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Landtags hat, gibt es doch ein gutes Stimmungsbild der nachfolgenden Generation wieder. So soll die Aktion in beide Richtungen gehen: Jugendliche beschäftigen sich mit Politik – und bringen dabei Themen der Jugend in die Politik ein. Häufig finden die Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Politik nur wenig Beachtung – mit den Ergebnissen der U18-Wahl kann man da vielleicht ein kleines Zeichen setzen.
Ihrer Erfahrung nach: Wie politikbegeistert bzw. –verdrossen sind die Jugendlichen von heute?
In meinem Umfeld, beispielsweise beim Betreuerteam des KJR, erlebe ich ein sehr großes Engagement von Jugendlichen, die sehr gerne mitbestimmen wollen und sich mit Ideen einbringen. Auch generell zeigt die Jugendarbeit, dass junge Menschen die Gesellschaft mitgestalten wollen und können. Bei den größeren Demos, beispielsweise in München, waren auch sehr viele Jugendorganisationen und –verbände vertreten.
Jugendliche können vielleicht (noch) nicht so viel mit politischen Parteien anfangen, aber eine Meinung zu politischen Themen können sie sich sehr wohl bilden. Das Interesse an Politik hat sich außerdem auch schon letztes Jahr bei unserem „Zukunftsforum“ vor der Bundestagswahl gezeigt: Bei der Podiumsdiskussion waren ca. 80 Gäste anwesend, davon überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene. Das kann sich auf jeden Fall sehen lassen – auch im Vergleich mit ähnlichen Veranstaltungen.
4. Oktober: Kandidaten-Check am Freyunger Gymnasium
Wie zukunftsträchtig ist die U18-Wahl Ihrer Meinung nach?
Die U18-Bewegung ist die vergangenen Jahre ziemlich gewachsen. Nachdem es bei der ersten Wahl 1996 in Berlin nur ein Wahllokal gab, konnten bei der Bundestagswahl 2017 Kinder und Jugendliche bereits an 1.660 Orten ihre Stimme abgeben. In Bayern haben sich rund 23.000 Minderjährige an der Wahl beteiligt. Für die aktuelle Wahl haben wir im Landkreis bereits Anmeldungen von Schulen für mehr als 1.100 Wählerinnen und Wähler erhalten.
Am Donnerstag, 4. Oktober, findet am Gymnasium Freyung im Rahmen des Zukunftsforums eine Podiums-Diskussion mit Online-Live-Übertragung statt. Wer ist dazu eingeladen? Um welche Themen geht es?
Eingeladen ist natürlich die gesamte Bevölkerung, konkret richtet sich die Veranstaltung aber an Jugendliche oder junge Erwachsene, die am 14.10. vielleicht zum ersten Mal ihr Kreuz machen dürfen. Deshalb stehen die Themen im Vordergrund, die junge Menschen bewegen. Eine (nicht-repräsentative) Umfrage im Sozialkunde-Unterricht am Gymnasium Freyung hat die Themen ergeben, die auch auf dem Veranstaltungsplakat zu finden sind: Migration und Asyl, Digitalisierung, Bildung und Schule, Kulturförderung und das Ehrenamt. Selbstverständlich sind an dem Abend auch spontane Fragen zu anderen Themen möglich.
Bei diesem „Kandidaten-Check“ fehlen die Vertreter der Parteien „Die Linke“ und der AfD. Warum?
Der KJR hatte bei den Zukunftsforen in der Vergangenheit immer die klare Linie: Alle Parteien, die aktuell im jeweiligen Parlament vertreten sind, kommen auf das Podium. Die Linke und die AfD sind deshalb nicht vertreten. Alexander Muthmann – einst Freie Wähler, jetzt FDP – ist dabei, weil er aktuell ebenfalls im Landtag sitzt.
Wunsch: Sachliche Diskussion mit ehrlich-konkreten Antworten
Was wünschen Sie sich persönlich für den Verlauf dieses Abends?
Ich wünsche mir vor allem eine sachliche Diskussion, bei der die Fragen der Gäste ehrlich und konkret von den Kandidaten beantwortet werden. Und es wäre natürlich schön, wenn die Diskussion bei den Leuten zur Wahlentscheidung beitragen kann.
Wir wünschen gutes Gelingen. Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte: Stephan Hörhammer