Deggendorf. Eine Landtagswahl läuft in aller Regel so ab: Mit der Erststimme entscheidet ein Wähler sich für den präferierten Kandidaten seines Stimmkreises; mit der Zweitstimme für den Kandidaten seiner bevorzugten Partei. Um seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen, setzt man an der dafür vorgegebenen Stelle ein Kreuzchen. In Deggendorf läuft das zur Landtagswahl im Oktober offensichtlich etwas anders. Wer im Stimmkreis 201 die V-Partei³ wählen will, muss kreativer sein. Da sowohl der Name des Kandidaten als auch der dafür vorgesehene Kreis fehlt, fordert die „Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer“ nun einen Neudruck der Stimmzettel.
Ein für die Zweitstimme vorgesehener Wahlzettel umfasst zwei Zellen. Eine für die zur Wahl stehenden Parteien, darunter eine mit den Kandidaten der jeweiligen Partei. Bei der Landtagswahl 2018 heißt es unter „Wahlkreisvorschlag Nr. 13“: V-Partei³ – Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer. Darunter: Kein Kandidat, gähnende Leere. Für die V-Partei³ zieht im Stimmkreis 201, der neben Deggendorf auch die Regionen Osterhofen und Plattling umfasst, Johannes Kiermaier in den Stimmkampf. Der Kandidat der Kleinpartei, die 2016 in München gegründet wurde, sieht sich jedoch mit einer Herausforderung konfrontiert: Der Name Kiermaier erscheint auf dem Wahlzettel nunmal nicht. Auch ein entsprechender Kreis zum Ankreuzen fehlt.
„Ein klarer Eingriff in die Chancengleichheit“
Der Bundesvorsitzende der V-Partei³, Roland Wegner, fordert deshalb die Stimmzettel im Wahlkreis Deggendorf neu zu drucken. Er sieht dadurch eine klare Benachteiligung für seine Partei und seinen Kandidaten. „Alternativ muss ein den Stimmzetteln beizulegendes Hinweisblatt darüber aufklären, wie stattdessen die V-Partei³ gültig gewählt werden kann“, reklamiert Wegner. Beides wurde ihm zufolge vom zuständigen Ministerium bis dato abgelehnt.
Der Augsburger Wegner befürchtet, dass „Wählerinnen und Wähler aus Verunsicherung ihr Kreuz eher dort setzen werden, wo ein Kreis vorhanden ist“. Sollte sich ein Wähler dennoch für die Öko-Partei entscheiden und ein Kreuz in „Eigenregie“ anfertigen, werde in vielen Fällen nicht klar sein, ob dieses Kreuz den Gültigkeitskriterien des Auszählteams entspricht. Wegner sieht daher einen „klaren Eingriff in die Chancengleichheit“.
Doch zunächst die Frage, wie es zu derartigen Komplikationen kommen kann. Ein Blick ins Landeswahlgesetz (LWG) klärt auf: Stehe, wie im Falle der V-Partei³, in einem Stimmkreis nur ein Kandidat zur Auswahl, scheint dieser nicht namentlich auf. Mit dem inexistenten Namen verliere auch der Kreis seine Notwendigkeit. Ergo: Wo nur ein Kandidat, da kein Name – und auch kein Kreis. Genau das ist im Deggendorfer Stimmkreis 201 der Fall: Kiermaier ist dort der einzige Kandidat, der für die V-Partei³ antritt. Daher befindet sich laut LWG nur der Name seiner Partei auf dem Stimmzettel – darunter eine leere Spalte. Das mag man für widersinnig halten, doch so steht’s im Gesetzestext.
Eine Wahl ins Leere?
Der V-Partei³-Bezirksvorsitzende Jan Turner mag das Ganze nicht wirklich wahrhaben: „Es macht doch keinen Sinn, wenn eine Partei gelistet wird, sie aber von der Wählerin und dem Wähler offensichtlich nicht gewählt werden kann.“
Nachgefragt bei der Regierung von Niederbayern, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Mit der Zweitstimme sei es „bei allen Parteien oder Wählergruppen möglich, keine Person zu wählen, sondern die Liste zu kennzeichnen“, erklärt Pressesprecherin Katharina Kellnberger. Statt einer einzelnen Person könne man demnach also auch für eine Partei als Ganzes stimmen, indem man diese unterstreicht bzw. einkreist (ohne sich für einen einzelnen Kandidaten zu entscheiden).
„Eine Benachteiligung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Stimmzettel dafür bei keiner Partei oder Wählergruppe einen Kreis oder Ähnliches in der Kopfleiste aufweist“, so Kellnberger weiter. Da dieses Problem aber offenbar bekannt zu sein scheint, werde am Wahlsonntag ein entsprechender Hinweis ausgehängt. Dieser soll „auf die oben dargestellte Möglichkeit der Stimmabgabe in allgemeiner Form“ verweisen. Es bleibe aber bei einem allgemeinen Hinweis ohne explizite Nennung der V-Partei³, denn dies sei mit der Neutralitätspflicht unvereinbar, betont Kellnberger. Außerdem seien die Wahlvorstände in besagtem Wahlkreis entsprechend informiert worden.
„Das versteht keiner“
Darauf angesprochen, heißt es vom V-Partei³-Bezirksvorsitzenden Turner: Wenn das so wie beschrieben gehandhabt werde, werde man das auch so akzeptieren. Trotzdem sei es seiner Meinung nach die logischere Variante, den Namen eines Kandidaten mit entsprechendem Kreis anzuführen – auch wenn dieser als einziger für eine Partei kandidiere. Nicht nur seine eigene Partei, auch die Piratenpartei würde im Wahlkreis 201 davon profitieren.
Warum das so gehandhabt werde: „Das versteht keiner“, so Turner. Ihm zufolge wird das in anderen Wahlkreisen, beispielsweise in Straubing, anders gemacht. Auch einzelne Kandidaten hätten hier einen Namen und einen Kreis. Ob man die Wahl anficht, wisse man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Man plane eine Befragung der Wähler – und wolle dann abwägen, wie Turner erläutert.
Johannes Gress
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