Für den treuen Hog’n-Leser ist es sicher kein Geheimnis, dass unser Musikexperte Wolfgang Weitzdörfer das neue Album von „The Night Flight Orchestra“ mit dem glorreichen Titel „Sometimes The World Ain’t Enough“ ziemlich gut findet – was wohl auch an den funky Disco-Vibes liegen mag, die einem direkt in Hintern und Beine fahren. Daher hat er sich Gitarrist David Andersson für einen kleinen Interview-Nachschlag geschnappt, um noch ein paar Hintergrundinfos über die schwedische Band und deren neues Album zu erfahren.
David, Du fliegst gerne, oder? Oder wie kommt es, dass das Fliegen so ein omnipräsentes Thema beim Orchester ist?
Das Fliegen ist eine sehr romantische – und immer noch etwas futuristische – Angelegenheit. Es ist doch fantastisch, irgendwo über dem Pazifik mit einem Drink in der Hand im Flieger zu sitzen, Billy Joel zu hören und über all das nachzudenken, was du hinter dir gelassen hast – und was noch vor dir liegt!
„Leider haben wir eine hässliche Rechts-Außen-Bewegung“
Du singst ja bei Soilwork und bei The Night Flight Orchestra auch – wie entscheidest Du, welche Songidee für welche Band passt?
Das ist normalerweise ganz offensichtlich: Wenn du dich hinsetzt, eine runtergestimmte Gitarre in der Hand, und dich plötzlich growlen hörst, dann weißt du, dass du nicht mehr im Classic-Rock-Bereich unterwegs bist.
Wenn Du wählen müsstest: Classic Rock oder Melodic-Death-Metal?
Ich glaube: Classic Rock. Es wäre nicht ganz so offensichtlich, wenn Du mich gefragt hättest, mich zwischen Classic Rock und Black/Death Metal zu entscheiden. Ich finde, dass die Idee von Melodic-Death-Metal als Genre sich mittlerweile ein wenig altbacken anhört. Die meisten Bands, die sich in diesem Genre gegründet haben, versuchen mittlerweile, sich dort heraus zu entwickeln. Die Grenzen sind einfach zu eng. Übrigens – wie es bei den meisten Sub-Genres der Fall ist: Keine der beteiligten Bands war bei der Namensgebung oder überhaupt der Erschaffung als Genre beteiligt.
Nenne Deine Lieblingssongs des jeweiligen Genres!
„Night’s Blood“ von Dissection und „Rebel Son“ von Survivor. Welcher Song zu welchem Genre gehört, müsst ihr aber schon selbst herausfinden (grinst)…
Wie kommt es, dass aus Skandinavien so viele großartige Bands kommen?
Das ist eine schwierige Frage, auf die es viele Antworten gibt. Ein wichtiger Faktor ist sicherlich, dass Schweden und Skandinavier insgesamt nicht so sehr patriotisch veranlagt sind. Das wiederum heißt, dass wir keine Probleme damit haben, alle möglichen Einflüsse zu verarbeiten. Auch aus fremden Kulturen – wir haben einfach keine Angst davor, dass es unsere kulturelle Identität beeinflussen könnte. Schon in den 1960er Jahren hatten wir hier in Schweden tolle Bands wie „Tages“ oder „Made In Sweden“, die die 60er-Jahre-Pop-Bewegung in etwas ganz Eigenes verwandelt haben. Außerdem gab es bislang staatlich geförderten Musikunterricht für alle Kids. Leider haben wir nun auch eine hässliche und widerwärtige Rechts-Außen-Bewegung in Skandinavien. Das bedeutet wohl, dass das nicht mehr allzu lange der Fall sein wird…
„Unsere Eltern beanstandeten die umgedrehten Kreuze nicht“
Und woher kommen die ganzen Metal-Bands aus praktisch jedem kleinen Dorf in Schweden?
Wir haben hier eine sehr anti-hierarchisch geprägte Gesellschaft – und im Metal ging es immer schon um Rebellion. Also war es für die Schweden ganz einfach logisch, Metal zu spielen. Dazu kam, dass wir an den örtlichen Musikschulen erste Sporen sammeln konnten – und außerdem waren unsere Eltern nicht übermäßig christlich geprägt, so dass sie die gelegentlichen umgedrehten Kreuze nicht beanstandeten.
Welcher Disco-Song sollte auf jeder Party laufen?
„Spacer“ von Sheila & Black Devotion.
Und welcher auf Deiner Beerdigung?
„Misled“ von Kool & The Gang.
Welchen Song auf „Sometimes The World Ain’t Enough“ magst Du am liebsten?
„Lovers In The Rain“. Der Song fängt perfekt diese Stimmung von flatterhafter Stabilität ein, die jeden epischen Moment im Leben umgibt. Denn neben aller Euphorie gibt es immer auch einen kleinen Touch Traurigkeit darin – weil du genau weißt, dass er jeden Augenblick vorbei sein wird.
Abschließend: Deine Gedanken zur Discokugel!
Das Ding ist tatsächlich eine schwedische Erfindung! Der Protoyp wurde in den späten 1930er-Jahren entwickelt – mit einer ganz anderen Intention als Partys zu untermalen. Sie sollte Sonnenstrahlen in gebündelte Energie umwandeln – zur Linderung von Angst und Depression. Das Projekt wurde aber bald aufgegeben – weil es nicht funktioniert hat. Als dann im Jahr 1972 Disco-Freaks eine alte Irrenanstalt in Schwedens erste Discothek umwandelten, hing da noch so ein Anti-Depressions-Ball an der Decke. Als dann der DJ die Lichter anmachte, merkte man, dass es die perfekte visuelle Ergänzung zu Disco-Musik war…
Spaßig liest sich die Geschichte auf jeden Fall…
Na, wenn das mal nicht schwedisches Gitarristen-Latein war… Spaßig liest sich die Geschichte auf jeden Fall. Und außerdem schreit das nun nach der erneuten Einfuhr von „Sometimes The World Ain’t Enough“, oder? Viel Spaß dabei!
Interview: Wolfgang Weitzdörfer