-Achtung! Satire-
Waldkirchen, 27. August 2050
Waldkirchen. Der 1. September 2050 geht in die Geschichte der Kreisstadt Waldkirchen ein. Wie jüngst offiziell bekannt gegeben wurde, soll der Verkehrsknotenpunkt am Waldkirchener Bannholz – einst unter dem Namen „Monsterkreisel“ (Anm. d. Red.: Name musste in Folge einer einstweiligen Verfügung gestrichen werden) bekannt – an jenem Tag zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden. Das inzwischen historische Straßenmomument, das insbesondere vor und während seiner Errichtung für heftige Diskussionen innerhalb der Bevölkerung gesorgt hatte, zählt somit – nach rund 30 Jahren Bauzeit, in denen es 17 mal verändert bzw. erweitert wurde – zu den prägendsten und kulturstiftendsten Bauwerken der Menschenheit. „Eine große Ehre für Waldkirchen“, wie Bürgermeister Felix Pollak jun., Enkelsohn des frühren Rathauschefs Heinz Pollak, jene Nachricht, die das Rathaus noch per altmodischem Brief erreichte, dem Hog’n gegenüber kommentiert. „Opa wäre sicher stolz.“
Der Vekehrsknotenpunkt mit insgesamt elf abgesenkten bzw. erhöhten Kreisverkehren, achtzehn Brücken und dreizehn Unterführungen, der sich von der einstigen Mittelschule bis zum Areal des Funparks „Lobo“ erstreckt, stellt laut UNESCO-Pressemitteilung ein „Meisterwerk der menschlichen Schöpfungskraft dar“ – und wird deshalb nun in den erlesenen Kreis einzigartiger Bauwerke aufgenommen. „Schloss Sanssouci, der Kölner Dom, Goethes Wohnhaus – und jetzt unser Knoten. Ich bin sprachlos“, lässt Pollak jun. seinen Emotionen freien Lauf.
Nicht nur, dass mit dieser ehrbaren Auszeichnung die leidgeprüften, rund 1,5 Millionen Einwohner Waldkirchens (die Bayerwald-Metropole ist seit 25 Jahren eine kreisfreie Stadt) endlich ihren Frieden mit dem genannten Straßenkonstrukt finden können. Auch für Felix Pollak jun. persönlich ist es ein ganz besonderer Tag: Immerhin „vollendet“ der Rathaus-Chef nun quasi auf eindrucksvolle Art und Weise das, was sein Großvater einst in den 2010er Jahren – auf Druck der „höheren“ Politik hin – begonnen hatte…
1,9 Milliarden Euro Kosten, rund 12.000 Bauarbeiter
Vergessen sind die Zeiten, in denen sich Verkehrsminister a.D. Andreas Scheuer in Waldkirchen sein eigenes Denkmal setzen wollte. Vergessen die Zeiten, in denen Stadtpatron Heinz Pollak auf Drängen der Christsozialen ein ganzes Stadtviertel dem monströsen Bauplänen opfern musste. Vergessen sind auch die 1,9 Millarden Euro Gesamtkosten sowie die rund 12.000 eingesetzen Bauarbeiter, die im zwangsgeräumten Kapellenfeld – im Volksmund „Preußen-Ghetto“ genannt – über die Jahre hinweg untergebracht worden sind.
Die „Waldkirchener Medusa“, so die offizielle, gerichtlich legitimierte und nicht-justiziable Bezeichnung des Verkehrsknotenpunkts, ist nicht nur in baulicher Hinsicht ein einzigartiges Monument. Waldkirchen ist mit jenem Milliarden-Projekt „eine Großtat gelungen“, wie in der UNESCO-Pressemitteilung weiter zu lesen ist, die von der Nachbarstadt Freyung oft kopiert, jedoch nie erreicht werden konnte. (Hintergrund: Der sog. 16er-Knoten an der B12 in Freyung-Ort verschlang während seiner 18-jährigen Bauphase lediglich Kosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro; in Sachen Flächenverbrauch liegt dieser mit 31 Hektar ebenfalls weit hinter den Waldkirchener Verhältnissen zurück). Darüber hinaus soll nun das „Stroßn-Duaranand“, wie es von seitens der Bevölkerung liebevoll genannt wird, alsbald auch ins Guiness-Buch der Rekorde Einzug halten – als „Straße mit dem geringsten Verkehrsaufkommen weltweit“: nämlich genau 0,25 Autos pro Kilometer und Stunde.
Verschollen im Discounter-Dreieck
„Wir sind stolz auf unseren Kreisel, auf unsere Leistung“, verkündet auch der bayerische Bezirkstagspräsident Nils Olafson (CSU) beim eigens zur Feierstunde einberufenen politischen Nachmittag am Waldkirchener Volksfest, zu dem neben der christsozialen Kreisvorstandschaft drei weitere Personen erschienen. Bürgermeister Felix Pollak jun. konnte Gerüchten zufolge dem Festakt nicht beiwohnen, da er seit seiner jüngsten Triumphfahrt durch die „Medusa“ – im Beisein von MdB Gerhard Waschler jun. und Bauamtsleiter Robert Wufka jun. – als verschollen gilt. Augenzeugen zufolge hat man das Trio zuletzt auf Höhe des berühmt-berüchtigten Discounter-Dreiecks gesehen, in dem immer wieder mal Menschen auf mysteriöse Weise verschwinden…
Helmut Weigerstorfer
-Achutng! Satire-