Waldkirchen/Passau. Sechs Tage lang hat das Landgericht Passau Beweise für und gegen die Waldkirchnerin Elisabeth W. (51) gesammelt. Die evangelische Laienpredigerin soll ihren Ehemann (68) im vergangenen Sommer heimlich mit Blutverdünner vergiftet haben (da Hog’n berichtete). Er überlebte. Eine Regensburger Spezialklinik hatte angesichts seiner Blutwerte die Kripo eingeschaltet. Der Ehemann Ludwig W., ein pensionierter Lehrer, behauptet inzwischen, das Marcumar selbst geschluckt zu haben, sitzt nun selbst in U-Haft. Nun legten der Staatsanwalt und der Verteidiger in ihren Schlussplädoyers dar, was sie aus allen Akten, Zeugenbefragungen, Gutachten und Erklärungen der Angeklagten schließen.
Nicht nur weil ihr berufliches Dasein offenkundig Gegenstücke darstellen, kommen beide zu sehr gegensätzlichen Ergebnissen, sondern wohl auch, weil dieser Fall in menschlicher wie juristischer Hinsicht kompliziert ist. Ohne sich länger mit strafrechtlichen Finessen aufzuhalten, sind sich jedoch beide darin einig, die Selbstbezichtigung des Ehemanns anzuzweifeln. „Das war eine Falschaussage zu Gunsten der Ehefrau“, sagt der Staatsanwalt. „Das ist schwer nachvollziehbar, dass Opfer für den Täter ins Gefängnis gehen.“
Die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Verteidiger Sebastian Kahlert ist davon überzeugt, die sechs Verhandlungstage hätten die Angeklagte nicht zweifelsfrei überführt. „Wann fasste sie den Tatentschluss, wie lief die Tatausführung ab? Man fand beim Ehemann Vergiftungserscheinungen und große Mengen Marcumar im Blut – und schloss auf sie als Täterin. Die Dosierung und, wann das Mittel verabreicht wurde, fehlen.“ Er vertritt auch die durchaus diskutable Meinung: „Erst, wenn die Täterschaft bewiesen ist, kann man sich Gedanken über das Motiv machen – und nicht andersherum.“
Der Anwalt gibt aber auch zu, dass die Argumentation des Staatsanwalts „auf den ersten Blick überzeugt“. Dieser sagt, Elisabeth W. hätte „ihrem Mann heimlich Marcumar gegeben, weil sie seiner völlig überdrüssig war und endlich frei sein wollte für den langjährigen Geliebten, um sich diesem zuzuwenden“. Für beide – die Angeklagte und das vermeintliche Opfer – ist es die zweite Ehe. Eine weitere Scheidung hätte die seit 2010 anhaltende Affäre ans Licht gebracht. „Aus Sorge um ihr Ansehen in der Kirchengemeinde“ wäre eine erneute Scheidung keine Lösung gewesen. Der Staatsanwalt wischt alle Äußerungen der Angeklagten im Prozess als „Schutzbehauptung“ vom Tisch.
Sie hätte mehrfach gelogen, in der U-Haft sogar eine Geschichte vom eigenen Selbstmord mit Marcumar-Tee konstruiert, ihre angeblich ausweglose Situation wortreich geschildert. Eine ehemalige Freundin der Angeklagten hätte es gut beschrieben, als sie nun erklärte, sie hätte sich von Elisabeth W „beschauspielert gefühlt“, sie „aalglatt“ nannte und sagte, „die lügt einfach so ohne Rücksicht auf Verluste“. Der Staatsanwalt konstatierte: „Sie handelte mit Heimtücke und aus niedrigen Beweggründen.“ Daher fordert er zwölf Jahre Gefängnis.
Der Verteidiger hält dagegen – selbst, wenn die Motivlage so gewesen sei, wie vom Ankläger beschrieben, „fehlt es an Substanz. Frau W. hatte eine Affäre, von der ihr Mann wusste oder nicht wissen wollte. Das macht sie noch nicht zur Mörderin.“ Er fordert Freispruch. Selbst, falls das Gericht doch davon ausgehe, dass sie ihrem Mann das Marcumar gab, wäre sie freizusprechen. Sie hätte aufgehört damit und „ihn zu Ärzten gezerrt“. Kahlert: „Sie durfte darauf vertrauen, dass ein zum Arzt Bringen ausreicht, um die Vergiftung zu stoppen.“ Somit wäre sie vom Mordversuch zurückgetreten, es bleibe bei gefährlicher Körperverletzung. Dafür seien zwei Jahre Haft auf Bewährung ausreichend. Sollte das Gericht den Rücktritt verneinen, sollten trotzdem maximal drei Jahre Gefängnis die Strafe dafür sein.
Die Angeklagte Elisabeth W. hatte das letzte Wort
Reglos, fast unbeteiligt, saß Elisabeth W. die beiden Plädoyers aus. Sie hatte das letzte Wort vor dem Urteil, das am Freitag verkündet werden soll. Eindringlich wandte sie sich an das Gericht: „Wie es zur Vergiftung meines Mannes kam, weiß ich nicht. Ich habe damit nichts zu tun. Ich brachte ihn zu Ärzten, bis er wieder gesund war, ohne mein Drängen wäre er gar nicht zum Arzt gegangen. Das macht doch keinen Sinn, den Mann zu vergiften und ihn dann ins Krankenhaus zu bringen. Ich bitte Sie ganz einfach, mir zu glauben, dass ich unschuldig bin.“
da Hog’n
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