Waldkirchen/Passau. Die evangelische Laienpredigerin Elisabeth W. (51) aus Waldkirchen steht unter Verdacht, ihrem zweiten Ehemann (68) Blutverdünner-Tabletten untergejubelt zu haben, um ihn zu vergiften (da Hog’n berichtete). Im Schwurgerichtsprozess des Landgerichts Passau sind am Montag, 16. Juli, die Plädoyers geplant, nachdem am sechsten Prozesstag weitere Damen aus dem kirchlichen Umfeld der Angeklagten aussagten. Den Schlusspunkt an jenem Verhandlungstag setzte dabei der forensische Psychiater und Psychologe. Er beantwortete nicht nur Fragen zur Angeklagten, sondern – was unüblich ist – auch zu einem Zeugen: zu ihrem Ehemann Ludwig W., dem mutmaßlichen Opfer.
Der pensionierte Lehrer hatte in der vergangenen Woche unaufgefordert im Prozess das Wort ergriffen und behauptet, er selbst hätte das Marcumar geschluckt, damit seine im Job, in der Kirche, in der Flüchtlingshilfe und in einer Affäre mit ihrem Chef (49) überaus engagierte Frau sich wieder mehr um ihn kümmere. Weil er damit seiner ersten Zeugenaussage widersprach, ließ der Staatsanwalt ihn wegen Falschaussage festnehmen. Ludwig W. sitzt nach Informationen des Onlinemagazins da Hog’n weiterhin in U-Haft.
„Eine Grenze, die hätte sie niemals überschritten“
Die Prozessbeobachter sind in mehrere Lager gespalten. Da gibt es vor allem nahe Angehörige der Angeklagten, die schon vor dem Gefühlsausbruch des Ehemanns auf ihn deuteten – die davon überzeugt sind, dass er im Sommer 2017 die lebensgefährlichen Pillen freiwillig geschluckt hätte. Dann gibt es die Unentschiedenen, die einfach nur gespannt jenen wendungsreichen Prozess verfolgen. Andere wiederum stehen auf der Seite des Staatsanwalts, der Elisabeth W. vorwirft, sie wäre ihres 17 Jahre älteren Mannes überdrüssig gewesen, wollte ihn loswerden und sich dem jüngeren Liebhaber zuwenden. Dazu wurde das Gericht nun noch deutlicher: „Sie war ihres Ehemanns vollständig überdrüssig, wollte frei sein für den Geliebten.“ Sie hätte bei einer Scheidung um ihr Ansehen in der Kirchengemeinde und um die Achtung ihrer Kinder vor ihr gefürchtet. „Das Ableben ihres Ehemanns wäre als natürlicher Tod durchgegangen, davon ging die Angeklagte aus.“
Aufgrund des regen Medieninteresses sorgen entsprechende Prozessdetails auch im sozialen Umfeld des Ehepaars immer wieder für Gesprächsstoff. Unter den aktuellen und früheren Freundinnen der Angeklagten finden sich ebenfalls Fans wie Gegner der Laienpredigerin. Eine Neureichenauerin (59) erfuhr von einer Tochter der Angeklagten im September 2017 von deren Verhaftung. Sie sagt im Zeugenstand: „Dass die Elisabeth den Ludwig vergiftet hat, glaube ich niemals. Schon wegen ihrem Glauben. Das ist eine Grenze, die hätte sie niemals überschritten.“ Obwohl sich die 59-Jährige als „die beste Freundin der Angeklagten“ bezeichnet, habe sie erst bei einem Besuch in der U-Haft von deren Verhältnis mit dem Agentur-Chef erfahren. „In der Kirchengemeinde hätten die Leute bei Bekanntwerden der Affäre gesagt: Sieben Jahre ein Verhältnis, das geht gar nicht. Als Predigerin geht das gar nicht. Ich differenziere da. Für mich ist das eine Hormongeschichte. Dieser ruhige Ludwig, dagegen der Geliebte, dieser Schönling von der Versicherungsagentur – das ist ein Kick, ein Reiz. Der eine Mensch hat eine Affäre, ein anderer Mensch macht Bungee-Jumping.“
„Sie handelt immer zu ihren Gunsten, nimmt keine Rücksicht“
Dass die Angeklagte sieben Jahre auch mit dem Chef ins Bett gegangen war, passe zu ihr. Die Zeugin: „Beste Freundin zu sein heißt nicht, dass man sich alles sagen muss. Ich verurteile das nicht, das steht mir nicht zu. Hätte sie es mir eher gesagt, hätte ich gesagt, sie soll sich für einen entscheiden. Aber ich hätte unsere Freundschaft nicht gekündigt, weil das mit mir nichts zu tun hat.“ Der Richter fragte nach: „Was halten Sie von der Aussage des Ehemanns, er hätte das Marcumar selbst eingenommen?“ Die beste Freundin: „Das war meine erste Vermutung, als Elisabeth verhaftet wurde. Wegen dem Verhältnis hat Ludwig jahrelang mit der Vogel-Strauß-Taktik gelebt, dann hatte er Depressionen und dann solche Überlegungen. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie sich um ihn sorgt.“ Der Richter wollte wissen, ob der Ehemann sich auch zu Unrecht selbst beschuldigen würde, um seine Frau aus der U-Haft zu bekommen? Die Zeugin: „Das glaube ich nicht. Ludwig wollte sie schon für sich haben. Wenn sie in Haft sitzt, hat er immer noch mehr von ihr als bei einer Trennung.“
Aus dem Umfeld der Angeklagten gibt es weitere Stimmen. So hat eine Passauerin, die von Elisabeth W. bereits 2014 in deren Verhältnis mit dem Chef eingeweiht worden war, ihr deshalb die Freundschaft gekündigt. Diese sagte nun im Zeugenstand: „Sie erzählte mir Anfang 2014 davon, dass das angeblich erst seit gut einem Jahr läuft – ich hatte schon einige Male so einen Verdacht. Ich merkte erst am nächsten Tag, was das mit mir machte. Ein Mensch, der so gläubig ist und so mit Gott lebt, der lügt nicht, der betrügt nicht, der begeht keinen Ehebruch.“ Sie wusste, dass die Angeklagte sich vor ihrem Ehemann ekelte, besonders, wenn dieser Potenzmittel genommen hatte.
Doch: „Sie kann ihren Mann nicht verlassen, er war so gut zu ihr, sie verdankt ihm so viel.“ Über die Affäre sagte sie: „Ich verurteile nicht ein neues Verlieben, sondern das Zweigleisige, das Vortäuschen.“ Die Angeklagte hätte der damaligen Vertrauten auch von einem anonymen Anruf wegen der Affäre erzählt. „Sie schaute mich so an. Ich war das nicht. Ich bin ein Mensch, der offen ist. Ich musste sehr mit mir kämpfen, nicht zum Ehemann zu gehen und es ihm zu sagen. Ich wollte nicht Mitwisserin sein. Sie sagte, das ist meine Suppe, die löffle ich auch. Da war für mich Ende. Ich konnte ihr nichts mehr glauben. Sie handelt immer nur zu ihren Gunsten – sie nimmt keine Rücksicht. Sie hatte für mich kein Verständnis. Aalglatt geht sie durch alles durch.“
Facharzt glaubt nicht an eine Selbsteinnahme von Marcumar
Auch diese Zeugin stellt eine der Quellen für den Gerichtspsychologen dar. Die Angeklagte hatte sich nicht von ihm untersuchen lassen wollen. Also beobachtetete er sie an jedem Prozesstag genau, studierte die Akten, hörte den Zeugen zu. Sein Fazit: „Elisabeth W. ist sehr intelligent, sehr ehrgeizig und zielstrebig. Sie ist eifersüchtig und manipulativ. Vor ihrer Verhaftung gab sie die sorgende Ehefrau, die sich aber doch gegen ihren Mann entschieden hatte. Sie ist uneingeschränkt schuldfähig.“
Über den Ehemann sagt der Experte: „Er hat starke dependente Züge, er ist abhängig von seiner Ehefrau.“ Weder wäre Ludwig W. ein Simulant noch leide er unter dem Münchhausen-Syndrom, bei dem jemand sich selbst krank macht – getrieben von dem Wunsch nach dieser Krankenrolle. Auch glaubt der Facharzt nicht an eine Selbsteinnahme von Marcumar. Für die Hörigkeit sprechen das Klammern, die Trennungsängste, der Wunsch, umsorgt zu werden. Nach der ersten Aussage flehte Ludwig W. darum, seine Frau, sein Leben, zurück zu bekommen. „Die zweite Aussage machte er, um seine Frau zu entlasten.“
da Hog’n
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