Waldkirchen. Wer zukünftig die Emerenz-Meier-Mittelschule Waldkirchen verlässt, hat idealerweise längst den Betrieb gefunden, bei dem er oder sie seine Ausbildung beginnt. Denn die Schule vergibt eine sogenannte Ausbildungsgarantie. Das bedeutet konkret, dass die Mittelschüler schon ab der fünften Klasse die Betriebe in Waldkirchen und Umgebung kennen lernen und erfahren können, welche Ausbildung zu ihnen passt. Das bedeutet im Gegenzug aber nicht, dass jeder noch so schlechte Schüler garantiert einen Ausbildungsplatz erhält.
Zum neuen Schuljahr bezieht die Mittelschule ihr neu errichtetes Schulgebäude. Laut Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak der perfekte Zeitpunkt, um der Schule ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken: „Hauzenberg hat eine Sport-Mittelschule, es gibt Musik-Mittelschulen“, erklärt er. „Wir wollten etwas finden, wo die Leute sagen: Es ist gut, auf die Mittelschule zu gehen.“
Auf Biegen und Brechen auf Realschule oder Gymnasium
Dass sich Schüler gegen den Wechsel an die Mittelschule entscheiden, obwohl sie sich an der Realschule von Anfang an abrackern müssen, um es irgendwie zu schaffen, dem würden sowohl Pollak als auch Schulleiterin Marita Schiller mit dem Projekt „Ausbildungsgarantie“ gerne entgegen wirken. Momentan versuchten viel zu viele Eltern, ihre Kinder auf Biegen und Brechen auf Realschule oder Gymnasium zu schicken. Dabei habe man mit einem guten Quali oder der Mittleren Reife an der Mittelschule genauso gute Jobchancen – und das wolle man publik machen. Die Mittelschule habe ein Imageproblem, so Pollak, weil die Eltern sich nicht sicher seien, ob ihre Kinder danach eine gute Ausbildung bekommen.
An der Mittelschule heißt die neue Prämisse nun also „Ausbildung garantiert“. Rund 40 Betriebe machen bei diesem Projekt mit. Ein großer Pool an offenen Ausbildungsstellen steht damit zur Verfügung. Die Mittelschule möchte die Schüler dabei von Beginn an bei der Berufswahl unterstützen, ihnen schon sehr frühzeitig die Möglichkeiten aufzeigen, die es in Waldkirchen und Umgebung für sie gibt – und schon frühzeitig den Kontakt zwischen Ausbildungsbetrieb und künftigem Azubi herstellen.
„Die Schüler erfahren von uns, dass es in Waldkirchen einige vernünftige Betriebe gibt und dass wir neben klassischem Handwerk auch Hightech-Sachen machen“, sagt etwa Alois Jakob, Inhaber des gleichnamigen Metallbau-Betriebes. Im Handwerk wolle heutzutage kaum mehr jemand arbeiten: „Jeder möchte ins Büro, jeder möchte am PC sitzen.“ Er selbst stelle seinen Betrieb schon seit zehn Jahren an den Schulen vor und versuche so, Schüler für eine Ausbildung im Metallbau zu interessieren. „Jetzt machen es mir viele andere nach“, erzählt er und lacht.
„Es ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten“, weiß auch Schulleiterin Marita Schiller. Stadt und Schule schlagen mit der Ausbildungsgarantie zwei Fliegen mit einer Klappe, wie Bürgermeister Heinz Pollak erklärt: „Die Betriebe sind händeringend auf der Suche nach Azubis aus unserer Region.“ Deshalb unterstützen wohl auch so viele Unternehmen das Projekt und sind bereit, sich den Schülern vorzustellen, ihnen Praktika anzubieten und ausführliches Feedback zu ihrer Arbeitsleistung während der Praktika zu geben.
Ausbildungsplatzgarantie an diverse Bedingungen geknüpft
Das Projekt „Ausbildung garantiert“ beginnt bereits ab der fünften Klasse: Die Schüler erhalten von Anfang an Berufsberatung. „Im Lehrplan steht das ab der siebten Jahrgangsstufe, wir fangen schon früher damit an“, sagt Schulleiterin Schiller. In den folgenden Schuljahren gibt es dann Workshops und eine Kontaktbörse, auf der sich alle am Projekt beteiligten Betriebe vorstellen. „Wir schicken zum Beispiel unsere Lehrlinge in die sechsten Klassen. Und die löten dort dann mit den Schülern“, erklärt Metallbauer Jakob. Wichtig sei es, mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Spätestens ein Jahr vor dem Abschluss lernen die Schüler bei Praktika dann den Betrieb kennen, bei dem sie eine Ausbildung beginnen möchten. Und der Betrieb lernt sie kennen.
Es ist allerdings nicht so, dass wirklich jeder Schüler, der die Mittelschule verlässt, einen Ausbildungsplatz einfordern kann. „Es gibt ein paar Bedingungen, die die Schüler erfüllen müssen“, erklärt Schulleiterin Marita Schiller. Eine Garantie für einen Ausbildungsplatz bei einem der beteiligten Betriebe erhält nur, wer nie unentschuldigt fehlt, wer keine Fünf oder Sechs im Abschlusszeugnis hat, wer sich mindestens 80 Tage lang ehrenamtlich engagiert und wer bei Praktika in den Betrieben ein „angemessenes Arbeits- und Sozialverhalten“ an den Tag legt. Letzteres ist wohl der Knackpunkt: Wenn ein Betrieb nicht mit der Arbeitsleistung eines Schülers zufrieden ist, platzt die Ausbildungsgarantie. Allerdings müsse der Betrieb dann genau begründen, was nicht gut gelaufen ist. „Der Betrieb ist in der Erklärungspflicht“, formuliert es Marita Schiller.
Für Alois Jakob ist das kein Problem. Er sei als Chef immer „mitten dabei“ und könne so nach einem Praktikum sehen, ob jemand zu seiner Firma passe. „Meine Mitarbeiter müssen miteinander auskommen“, sagt er. „Wenn einer nicht mit meinen Leuten kann, dann klappt es nicht.“ Für ihn sind weniger die guten Noten eines Schülers ausschlaggebend, sondern seine Teamfähigkeit.
„Er muss umgänglich sein, anständig – und natürlich handwerklich begabt.“ Die Kriterien, die die Mittelschüler erfüllen müssen, um die Ausbildungsgarantie zu erhalten, findet er persönlich etwas zu streng: „Wer alle Kriterien erfüllt, der hat sowieso kein Problem, eine Ausbildungsstelle zu finden“, ist Jakob sich sicher. Er selbst habe auch schon Förderschüler eingestellt – und die seien im Handwerklichen genauso gut. „Nicht jeder muss ja am Ende Vorarbeiter werden“, sagt Jakob.
Profitieren dürften vor allem auch kleinere Betriebe
Braucht es also überhaupt eine Ausbildungsgarantie, wenn ein Schüler, der die vorgegebenen Bedingungen erfüllt, ohnehin mit großer Wahrscheinlichkeit einen Ausbildungsplatz finden würde? „Wir wollen die Schüler fordern“, entgegnet Schulleiterin Marita Schiller.
Und auf der anderen Seite biete man den Schülern im Hinblick auf ihre Berufskarriere so einiges: „Wir vernetzen uns durch das Projekt viel enger und systematischer mit den Betrieben“, betont Schiller. Durch die vielen berufsorientierenden Maßnahmen während der Schulzeit müssten Schüler und deren Eltern nicht selbst lange nach dem richtigen Ausbildungsbetrieb suchen, die Schule unterstütze sie dabei enorm. Profitieren dürften neben den Schülern aber vor allem auch kleinere Betriebe: Sie haben nun die Chance, an der Mittelschule für eine Ausbildung zu werben und damit Schüler zu erreichen, die nie auf die Idee gekommen wären, vielleicht doch etwas anderes als Bürokauffrau oder KfZ-Mechatroniker werden zu wollen.
Sabine Simon