Heute früh, Handy an, Nachrichten beiseite gewischt, doch halt! Trump sagt Tschüss zum UN-Menschenrechtsrat? Was macht der Mann da? Grad hab ich keine Zeit, mich näher damit zu befassen – Brotzeitbrot schmieren, Frühstück herrichten, all das – aber aus dem Kopf will mir diese Neuigkeit nicht mehr gehen. Denn sie klingt ebenso unwahrscheinlich wie die Nachricht vor einem knappen Jahr, als Trump das Pariser Klima-Abkommen kündigte…
Endlich sitze ich am Schreibtisch, Laptop auf, kurz gesucht, da steht es, alle berichten darüber: Die US-Regierung verabschiedet sich aus dem Gremium des UN-Menschenrechtsrats. Weil: Finden die Amis verlogen und israelfeindlich. Aha. Und was ist mit den kleinen, eingesperrten Mexikanerkindern gleich nochmal? Wie ist das nochmal mit den auseinandergerissenen Familien an der Grenze zu Mexiko? Und was will uns der inszenierte Kuschelkurs mit dem Kim Jong-un eigentlich sagen? Der Kim ist ja nun nicht grad als Menschenrechtsverfechter bekannt…
„Nö, brauch ich nicht, will ich nicht. Ihr stinkt und ich dufte“
So denk ich’s mir und komm nicht klar. Wie passt all das zusammen? Gar nicht. Muss es auch nicht. Trump macht das, weil er es kann. Menschenrechte, Klima? Was soll’s! Es bringt mir jetzt auch nichts, auf Trumps Neurosen rumzuhacken, zum wiederholten Male zu sagen: Schaut in sein Gesicht – da springt einem der Irrsinn doch schon an, diese kindlich-schmollige Schnute, das trotzige Gerede. Doch was kann ich tun, um die Zusammenhänge zu verstehen? Das würde ich nämlich wirklich gern.
Zu lesen bekomme ich heute nur, wie schade/fatal/bedauerlich/enttäuschend/besorgniserregend sämtliche Vertreter Trumps Entscheidung empfinden. Der genannte Grund, der UN-Menschenrechtsrat sei israelfeindlich und verlogen, klingt ganz nach der Ausrede eines Schlussmachers, der sagt, sein Partner sei – sagen wir mal – hässlich und doof. Unreflektiert klingt das – und der Trump’sche Trotz schwingt da wieder mit. Aber warum nun? Warum leistet sich einer der weltweit mächtigsten Männer, der Symbolik der Menschenrechte den Rücken zu kehren? Und der Symbolik des Klimaschutzes?
Ich sage „Symbolik“, weil diese Gremien und Abkommen nur symbolisch sein können. Sie sind gewiss nicht perfekt, da es ja um die Menschenrechte wie ums Klima nach wie vor nicht gut bestellt ist und die Erreichung gesteckter Ziele ruhig hinterfragt werden kann. Aber zumindest besteht ein weltweiter Konsens, ein Zusammenschluss, ein grundsätzlicher Wille, es gemeinsam besser zu machen. Und Trump sagt: „Nö, brauch ich nicht, will ich nicht. Ihr stinkt und ich dufte – auch wenn ihr tausendmal sagt, ich stinke doch auch, ätschbätsch, mir doch egal.“
Wie Trump Obamas mühsam gesetzte Pflänzchen zertrumpelt
Puh, richtig weitergekommen bin ich noch nicht mit meinem Hintergrundverständnis. Was macht der Mann also da? Ich recherchiere weiter. Und dabei fällt mir auf, was wohl eins der größten Probleme unserer Zeit ist: Ich muss glauben, was ich lese. Mit Trump persönlich kann ich ja nicht reden. Will ich auch gar nicht. Von einem Historiker oder Politologen kann ich mich auch nicht auf die Schnelle – und am besten jeden Morgen – beraten lassen. Und daran ist nicht mal die Digitalisierung schuld. Schuld ist die Welt, die sich irgendwann vergrößert hat, der eigene Kosmos, der irgendwann vor langer Zeit die Clangrenzen gesprengt hat. Auch diese Erkenntnis führt mich nicht weiter – ich seh’s schon.
Also recherchiere ich weiter. Das Klima-Abkommen fand Trump deshalb doof, weil es Schuld war an sämtlichen Miseren seines Landes, weil es andere Länder bevorzuge. „Wir sind die weltweit größten Naturschützer!“ hat er gerufen. „Ich bin der Größte und Du stinkst wohl!“ hätte er auch rufen können. Stimmt doch alles nicht. Da ist sie wieder, die Frage, die sich in meinem Kopf ausbreitet: Wie kann er nur?! Ja, weil er eben kann! Ist es so einfach? Ich mag es nicht glauben. Ich denke an Obama und frage mich, wie es ihm wohl gerade geht, wenn er all das mitverfolgt – wie Trump seine mühsam gesetzten Pflänzchen zertrumpelt. Ich stelle mir vor, wie er die Zeitung liest, Kaffee trinkt, den Kopf schüttelt, erst leise, dann laut weint und dann wahlweise seinen Psychologen anruft, einen Boxsack verdrischt oder vom Kaffee zu Wodka wechselt. Der arme Obama.
Was macht Trump also da? Ja, er zeigt der Welt, dass er sie nicht braucht, dass sie ihn am Arsch lecken kann. America first! Und gleichzeitig festigt er damit seine Bindung zu seinen Fans. Die braucht er, denn er will ja nochmal. Im Jahre 2020. Das hat er ja schon zu seinem Amtsantritt klar gestellt.
Er ist der König der Amerikaner und seiner Welt
Ich hab vor mittlerweile acht Jahren meine Diplomarbeit in Soziologie über die Entstehung von Identität in der amerikanischen Gesellschaft geschrieben. Dazu hab ich zwei Filme analysiert: „Easy Rider“ und „Into the Wild„. Dabei herausgekommen ist ein guter Zweier – und ein paar banale Erkenntnisse. Das Amiland ist das „Land of the Free“ und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und das Land, in dem der Tellerwäscher Millionär werden kann. Das mit dem Millionär hat bei Trump bestens geklappt, auch wenn er sein Lebtag gewiss noch keinen Spülschwamm in den Händen hielt. Dafür hatte er einen Papa, der sich recht schnell hochgearbeitet hat und seinen Buben als „König“ bezeichnete. Pyschologische Gutachten über Trump gibt es bereits – manche von ihnen kommen zu dem Schluss, dass es die Welt mit einem ausgewachsenen Soziopathen zu tun hat, dessen Psychosen und Neurosen zum Himmel schreien. Was soll’s, er ist der Präsident. Er ist der König der Amerikaner und seiner Welt.
So eine Nachricht, dass sich die USA aus dem UN-Menschenrechtsrat zurückziehen, erscheint wie ein Theaterstück – aber der Trump, der will nicht nur spielen. Ich halte es einfach so, wie mit allen Tatsachen, die ich nicht in ihrer Gänze begreifen kann: Was will mir das sagen? Was für einen Spiegel hält er mir als Teilnehmer des Zeitgeschehens vor? Und welche Konsequenzen ziehe ich daraus? Puh, ich glaub, ich muss mal eben die Johannisbeeren pflücken. Morgen soll das Wetter schlecht werden. Und in den Wald wollte ich auch noch gehen. Ganz tief in den Wald hinein, wo mich keiner schreien hört – die Heidelbeeren sind ja auch schon reif…
Gedanken zum Tag von: Eva Hörhammer
Bitt nimm mich mit in den Wald! Aber schnell – ich will auch was pflücken und schreien……….bevor ich was zertrumple!!!