Das Ganze Hin und Her rund um Ghost, die Grammy-Gewinner und Classic-Rock-Großmeister um Sänger Cardinal Copia alias Papa Emeritus I-bims-was-weiß-ich alias Tobias Forge, mit Klage, Gegenklage, Schmu und Schmäh, Hü und Hott, kann man getrost beiseitelegen. Forge wird unterstützt von fünf Nameless Ghouls, die zwar austauschbar zu sein scheinen – wie die diversen Klagen und Verfahren von öffentlich gewordenen Ghouls beweisen -, aber dennoch auf allen bisherigen Alben einen famosen Job erledigt haben. Dieses Beiwerk ist die Glamour-Sahne, die dem Superstar-Kuchen obendrauf gesetzt wurde, um ihm noch ein wenig mehr Bling-Bling zu verleihen. Kann man dumm und unnötig finden, kann man aber, wie gesagt, einfach mal so hinnehmen – bei Kiss und Co. beschwert man sich schließlich auch nur bedingt übers Image…
Und alle Freunde von hochmelodischem Classic Rock, der in den besten Momenten so unfassbar gänsehäutig daherkommt, dass man beinahe heulen möchte, sollten genau das auch bei „Prequelle“ machen, dem vierten vollständigen Studioalbum. War der Vorgänger „Meliora“ schon ein kleines Gesellenstück in Sachen AOR/Classic Rock und sauber austariertem Budenspuk mit Masken, verschleierten Identitäten und tollen Live-Shows, hat Bandkopf Forge mit „Prequelle“ jetzt definitiv sein Meisterstück vorgelegt. Die zehn neuen Songs sind ohne Ausnahme Hochkaräter, die auch nach dutzendfacher Einfuhr keinerlei Abnutzungserscheinungen zeigen.
Faith: Düsterer Stampfer mit dickem Entwicklungspotenzial
Das Intro „Ashes“ überrascht mit Kindergesang auf Schwedisch – witzigerweise zur bei uns bekannten „Backe, backe Kuchen“-Melodie – und geht nach knapp anderthalb Minuten in den ersten Tanzflächenfeger „Rats“ über. Dazu wurde ein herrlich anarchischer – und dennoch hochprofessioneller – Videoclip gedreht, der weiter unten zu sehen ist. Der Chorus geht einem nach dem ersten Hören schon nicht mehr aus dem Kopf – und die Instrumentierung mit der Mischung aus schweren Riffs, pumpendem Bass und feiner Hammondorgel macht daraus den ersten, sehr offensichtlichen Hit. „Faith“ hat nix mit George Michael zu tun, ist im Gegenteil ein düsterer Stampfer mit dickem Entwicklungspotenzial in der Langzeitwirkung.
„See The Light“ ist so etwas wie eine AOR-Halb-Ballade, bei der vor allem Forges früher – und in diversen Foren auch heute noch – kritisierter Gesang so etwas wie einen echten Quantensprung hinlegt. Die erste Seite rundet der Fünfminüter „Miasma“ würdevoll ab. Es handelt sich dabei um das erste von zwei Instrumentals, das mit tollen Soli, dramatischem Songaufbau sowie jeder Menge Abwechslungsreichtum und einem großartigen Finish zu überzeugen weiß.
Die zweite Seite beginnt mit dem nächsten Hammer – und das gleich im Doppelpack: „Dance Macabre“ ist wieder ein so dermaßen offensichtlicher Hit, dass man sich fragt, bei welchen Classic-Rock-AOR-Großmeistern Forge eigentlich in die Lehre gegangen ist. Für solch einen Refrain hätten selbst Blue Öyster Cult und CCR seinerzeit getötet. „Pro Memoria“ ist ebenfalls für die eine oder andere Gänsehaut – im ausschließlich positiven Sinne, also: vor Freude – gut. Balladesk, eindringlich, grandios – und wieder mit einem Wahnsinns-Refrain gesegnet.
„Prequelle“ hat definitiv das Zeug zum Album des Jahres
„Witch Image“ führt den Reigen übergangslos fort, ist wieder nicht ganz so offensichtlich, auch wenn man schon bald mitsingen kann. Das zweite Instrumental heißt „Helvetesfonster“ und ist mit knapp sechs Minuten nicht nur der längste Song auf „Prequelle“, sondern lädt auch zum verträumten Schwelgen in geisterhaften Melodiesphären ein.
Wäre eigentlich ein famoser Ausklang für das Album gewesen, dafür haben sich der Cardinal und seine Nameless Ghouls aber noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen: „Life Eternal“ macht diesen superben Budenspaß mit einer (dem Titel gemäßen) Endloswiederholung des Refrains perfekt zu.
„Prequelle“ hat definitiv das Zeug zum Album des Jahres – wenn nicht des Jahrzehnts. Wow!
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 1. Juni 2018
- Label: Concord Loma Vista/Universal
- Songs: 10
- Spielzeit: 41:43 Minuten
- Preis: ca. 12 Euro