Passau/Waldkirchen. Sie ist eine Laienpredigerin der evangelischen Kirche und war auch in der Waldkirchener Flüchtlingshilfe aktiv. Bis vergangenen September. Da kam Elisabeth W. in U-Haft. Sie nennt sich selbst „guttätig“. Der Staatsanwalt sieht das jedoch etwas anders. Die 50-Jährige soll vergangenen Sommer ihrem Ehemann heimlich mehrfach das blutverdünnende Mittel Marcumar ins Essen gemischt, ihn heimtückisch vergiftet haben. Mit starkem Nasen- und Zahnfleischbluten sowie Blut im Urin wandte sich der 67-Jährige an verschiedene Ärzte, wurde ambulant und stationär behandelt. Und gerettet. Deshalb geht es seit Dienstag am Passauer Landgericht nicht um Mord, sondern um Mordversuch und gefährliche Körperverletzung. Beides wirft der Ankläger der Mitarbeiterin eines Versicherungsbüros vor.

Der Prozessauftakt beinhaltete vor allem sehr ausführlichen Schilderungen der Waldkirchenerin aus ihrem Leben. Die zum zweiten Mal verheiratete, dreifache Mutter weiß sich auszudrücken, hat auf jede Frage des Gerichts eine Antwort – mag diese oft auch weitschweifig und nicht selten ausweichend ausfallen. Ob sie die Richter auf diese Weise überzeugt? Ob sie den Staatsanwalt damit beeindruckt? Für diesen ist der Hergang klar:
In der Zwickmühle zwischen den beiden Männern: Selbstmord?
Die Angeklagte ist seit August 2009 mit ihrem heute 67-jährigen Ehemman, einem pensionierten Lehrer, verheiratet. Ab 2010 arbeitete sie bei einem Versicherungsagenten, mit dem sie schließlich eine Affäre begann. Die beiden planten gar eine gemeinsame Zukunft. Jeder hielt aber seine „heile“ Familie aufrecht. „Ich lebte in zwei Welten, daheim und in der Arbeit – das war beides schön“, beschrieb die Waldkirchenerin im Gerichtssaal die Situation. Doch die rosarote Brille war bei beiden nicht festgewachsen, der vermeintlich ideale Partner war doch auch nur ein Mensch mit Macken und Fehlern.
Spätestens ab Pfingsten 2017 wäre nichts mehr mit dem Chef der Versicherungsagentur gelaufen, hätte sie sich für das Leben mit ihrem Ehemann entschieden, bekannte die Angeklagte nun. Der Staatsanwalt geht vom Gegenteil aus: Sie wäre „in ihrer Ehe unglücklich und frustriert“ gewesen, hätte sich zur Ablenkung und für mehr Anerkennung in der Kirche und bei den Flüchtlingen als Helferin ins Zeug gelegt. Spätestens Mitte 2017 wäre sie ihres Ehemanns „vollständig überdrüssig“ gewesen, hätte aus der Ehe ausbrechen und ganz für den Geliebten da sein wollen. „Sie beschloss, den Ehemann zu töten“, ist in der Anklageschrift zu lesen. Dafür hätte sie ein Marcumar-Rezept einer herzkranken Afghanin eingelöst, dieser von insgesamt 98 Tabletten aber nur 20 übergeben. Diese und weitere 80 Tabletten hätte sie ab 10. August ihrem Ehemann heimlich ins Essen und in die Getränke gemischt. Ab 12. August liegen – ambulant und stationär – Arztberichte über starke Blutungen des Rentners vor. Er starb nicht.
„Ich bin unschuldig. Ich habe zu keinem Zeitpunkt versucht, meinen Mann zu vergiften“, begann Elisabeth W. ihre Erklärungen. Später las der Richter – als Reaktion auf ihre Schilderungen – immer wieder Briefe der Frau aus der U-Haft sowie ältere Handy-Nachrichten an den Geliebten vor. Es ging auch um einen angeblichen Selbstmord, den sie mit dem Marcumar vorgehabt hätte – in der Zwickmühle zwischen den beiden Männern. Ihr Mann hätte wohl versehentlich ihren Gifttee getrunken, während sie gerade in der Badewanne lag.
Sie sagte: „Selbstmord stellt sich deutlich gegen Gottes Gebote. Es hat mich sehr viel Überwindung gekostet, dies zu bekennen.“ Und sie schrieb, „dass ich ein guttätiger Mensch bin, eine Laienpredigerin. Ich bin kein Mörder, sondern eine Frau, die sich aus purer Verzweiflung aus dem Leben stehlen wollte“. Allerdings korrigierte sie diese Theorie, die ihr Mann zunächst bestätigt hatte, im März dieses Jahres – und nun auch im Prozess: „Das war falsch. Ich möchte mich dafür entschuldigen, möchte berichten, wie es dazu kam.“ Dabei soll ihre vormalige Anwältin eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Tabletten im Tütchen: Es hätte auch Süßstoff sein können
Was also stimmt? Hat sie Rezepte eingelöst und die meisten Marcumar-Pillen behalten? Sie weist dies weit von sich. Einmal hätte sie in der Gemeinschaftsunterkunft Tabletten im Flur vor der Tür der herzkranken Afghanin entdeckt, aufgesammelt und ihr in einem Tütchen übergeben – hätte aber nicht gewusst, was es war. Es hätte auch Süßstoff sein können. Hatte sie sich für oder gegen ihren Ehemann entschieden, der sie durchaus zu nerven verstand? Der Rentner soll im nächsten Termin, am 26. Juni, in den Zeugenstand treten. Er braucht gegen seine Ehefrau nicht auszusagen, kann aber freiwillig Angaben machen. Der vorerst letzte der neun Termine findet am 20. Juli statt.
da Hog’n