Die Hersteller von Smartphones haben ihre Kameras im Laufe der Jahre so perfektioniert, dass sie den analogen und digitalen Fotokameras fast schon den Rang abzulaufen schienen. Schnell ein Selfie schießen oder ein Video drehen und gleich irgendwo zur Ansicht für Freunde oder für die breite Öffentlichkeit ins Social Network hochladen: Das gehört bereits zur täglichen Routine für Millionen von Menschen in Deutschland. Doch ein Gegentrend, der eigentlich gar nicht neu ist, zeichnet sich gerade ab – jener der langsamen und bedachten fotografischen Arbeit, der sogenannten „Slow Photography“.
Smartphones sind ständige Begleiter der wohl meisten Menschen. Sie sind immer da, wenn man ein mehr oder weniger bedeutendes Ereignis festhalten will. Mit der Handykamera trifft es einen nie unvorbereitet. Mit zwei, drei Klicks hat man ein Foto vom Sonnenuntergang, der Einschulung des Kindes oder des Abendessens – aber was fängt man damit eigentlich an? Das traurige Schicksal der meisten Aufnahmen besteht heute darin, auf einem riesigen digitalen Speichermedium abgelegt zu werden. Viele Verbraucher wünschen sich mittlerweile aber lieber wieder etwas „zum Anfassen“. Um die Fotos nicht auf einer Festplatte oder in einer Cloud auf ewig aus den Augen zu verlieren, lassen sie sie deshalb lieber als Fotobücher, Poster oder als Motiv auf Grußkarten, Kissen und Tassen drucken. Deshalb erfreuen sich Online-Fotodienste wie der CEWE Fotoservice so großer Beliebtheit.
Hersteller von Foto-Zubehör und Kameras verzeichnen ebenfalls einen Trend zur Aufwertung der digitalen Fotografie. Thomas Güttler, der Geschäftsführer der Kamera-Equipment-Marke Rollei, erwartet für dieses Jahr eine höhere Nachfrage nach Stativen, Blitzen und Filtern. Eine Ablösung der klassischen Fotografie durch Smartphone-Kameras sieht er jedoch nicht kommen: „Gerade mit der aufstrebenden Slow-Photography-Bewegung geht der Trend zur Entschleunigung der Fotografie und zur Ästhetik des Bildes. Ambitionierte Fotografen legen großen Wert auf die Bildkomposition und authentischen Bildinhalt und verwenden dazu vermehrt Hilfsmittel wie zum Beispiel hochwertige Stative oder Filter. Durch technische Fortschritte in den letzten Jahren wird auch mobiles Blitzen im Outdoor-Bereich immer mehr genutzt, um das Motiv ins richtige Licht zu rücken und von vornherein eine stimmige Lichtatmosphäre zu schaffen“, so Güttler.
Ein besonderer Vertreter der Slow-Photography-Bewegung ist Oleg Farynyuk. In seinem Berliner Atelier verbindet der Fotograf eine 100 Jahre alte Foto-Kunst mit neuen Technologien. Da wird die Entstehung des Bildes zum wahren Erlebnis, denn für eine Porträt-Aufnahme soll ein Kunde bis zu 30 Sekunden still sitzen. Solche einzigartigen Foto-Sessions werden wieder mehr wertgeschätzt und auch gern verschenkt.
Die analoge Bildentwicklung erfordert Wissen, ein künstlerisches Verständnis und Zubehör. Doch auch die digitalen Slow Photographer durchdenken die Aufnahme vor dem Betätigen des Auslösers erst einmal gründlich, statt zig Schnappschüsse zu schießen. Sie messen der Konzeption des Bildes einen höheren Stellenwert bei als der Bildbearbeitung nach der Aufnahme. Die Fotografie wird im Rahmen dieses Trends endlich wieder mehr als eine Kunst verstanden.