Dimmu Borgir als Black Metal zu bezeichnen, das ist in orthodoxen Szene-Kreisen ungefähr so en vogue wie in der Metzgerei kernig einen Grünkohl-Burger – „aber schön roh in der Mitte!“ – zu ordern. Die Norweger Düsterheimer mühen und rackern sich seit vielen, vielen Jahren ab, um künstlerisch ernst genommen und akzeptiert zu werden – und schaffen das eben nur so mittel. Zu eingängig, zu bombastisch, zu viele Keyboards, zu viel Kleister, zu wenig Rohheit und Brutalität – die „Dagegen!“-Schreier in der Szene sind, um im Jargon zu bleiben, „Legion“.

Ändert aber alles nix daran, liebe Fanatiker, dass Shagrath, Silenoz und Co. einfach begnadete Songwriter sind, die es schaffen, eine tolle Mixtur aus Härte, Kälte, Eingängigkeit und, ja, Wärme in ihren Songs zu erschaffen. Das klappte auf den 90er-Werken „Enthrone Darkness Triumphant“ oder „Spiritual Black Dimensions“ genauso gut wie auf dem neuen Album „Eonian“ – dem ersten Studiowerk seit fast acht Jahren übrigens.
Hackt in Nähmaschinengeschwindigkeit auf seine Trommeln ein
Den langen Zeitraum hört man den zehn Songs nicht an – im positiven Sinne. Denn dass die Band sich einiges beim Komponieren gedacht hat, das merkt man durchaus. Etwa im Opener „The Unveiling“, der schon deutlich macht, dass die Melodien diesmal eine große Rolle spielen. Besonders hervorzuheben ist der zweite Song „Interdimensional Summit“, dessen Refrain eine echte Göttergabe ist und wie mit Butter geschmiert ins Ohr huscht. „Aetheric'“ ist da schon etwas sperriger, aber immer noch eingängig genug, dass man es sich öfter anhören mag.
„Council Of Wolves And Snakes“ verpackt im Titel zwar das ein oder andere Klischee, weiß aber mit wuchtigen Drums und einem vielschichtigen Songaufbau zu überzeugen. Über allem thront bei Songs wie „Lightbringer“ oder „I Am Sovereign“ die Melodie, die auf „Eonian“ (wie gesagt) eine besonders gewichtige Rolle spielt. Und spätestens bei „The Empyrean Phoenix“ sollte man als aufgeschlossener Hörer soweit gekommen sein, alle „Dimmu-Borgir-sind-Poser-und-doof“-Gedanken in den Mülleimer kloppen zu können und das Album als das zu nehmen, was es ist: eine runde Sache, die jedem Freund von Epik, Dramatik und Symphonischem wunderbar in die Glieder fahren dürfte.
Shagrath krächzt außerdem nach wie vor herrlich garstig, schnauft und ächzt im Hintergrund wie ein Igel beim Paarungsakt, während die Riffs von Silenoz mal sperrig, dann eingängig aus den Boxen kommen und Galder seine nachvollziehbaren und meist hochmelodischen Leads obendrauf packt. Session-Drummer Daray hackt in Nähmaschinengeschwindigkeit auf seine Trommeln ein, während Session-Keyboarder Gerlioz die restlichen Soundlöcher mit einer wahren Kathedrale an Keyboards füllt.
Die Zielgruppe wird das neue Album auf jeden Fall lieben
Klar, es ist schon richtig – das Ganze ist in etwa so erschreckend wie ein Besuch in der Geisterbahn auf dem örtlichen Jahrmarkt. Aber wer sich wirklich ernsthaften und orthodoxen Black Metal anhören mag, der hat ja schließlich genügend Auswahl. Manchmal will man eben lieber den Hollywood-Blockbuster sehen, als die künstlerisch wertvollere Independent-Scharzweiß-Verfilmung eines James-Joyce-Romans zu goutieren. Und dafür ist „Eonian“ bestens geeignet. Vorwürfe der Szenepolizei hin oder her: Die Zielgruppe wird das neue Album auf jeden Fall lieben. Und hey – warum denn auch nicht, wo da doch so viel stimmig ist?
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 04. Mai 2018
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 10
- Spielzeit: 54:19 Minuten
- Preis: ca. 19 Euro