Okay, wir sind uns einig: Die 80er-Jahre waren modisch eine einzige Katastrophe. Konkreter: Die 80er-Jahre im Metal waren der modische Super-GAU. Mit Pudel-Föhnfrisuren, Spandexhosen in knallbunten Neonfarben und anderen Sünden präsentierten sich die Heavy-Metal-Größen (und auch die Kleinen…) bei aller unbestreitbaren musikalischen Klasse meist auf einem Augenkrebs-Niveau der schlimmsten Sorte. Aber gut, damals hat sich keiner diesbezüglich mit Ruhm bekleckert – und diese insgesamt zu betrachtende Wurschtigkeit hatte natürlich für sich betrachtet auch schon fast wieder was für sich.
Unsere heutigen Helden von Stryper, bei denen das Kreuz noch richtig herum hängt und der Deibel den Latz versohlt bekommt (man erinnere sich an Kerniges wie „To Hell With The Devil“), übten sich seinerzeit mit ihren Biene-Maja-Outfits in gelb-schwarz auch nicht in Zurückhaltung – wer aber bei Konzerten Bibeln ins Publikum pfefferte, dürfte mit der eigenen Meinung ohnehin eher, nun ja, offensiv umgehen…
„God Damn Evil“ lebt und atmet den typischen Heavy Metal
Die optischen Sünden sind lange her, vergeben und vergessen. Musikalisch ist die Band indes nach einer längeren Auszeit in den 90er -Jahren seit den 00er-Jahren dieses Jahrtausends wieder durchaus fleißig, mit „God Damn Evil“ hat man nun schon das siebte Studioalbum seit der offiziellen Reunion im Jahr 2005 veröffentlicht. Und, was soll man sagen, das Ding macht richtig viel Spaß! Vor allem auch deswegen, weil es ein frisches, lebendiges und groovendes Werk geworden ist, das nicht nach vorgestern riecht und angenehm aggressiv aus den Boxen kommt.
Der Opener „Take It To The Cross“ ist zwar ein wenig zu hektisch, vor allem im Refrain, der zudem in hauptsächlich für Hunde vernehmbaren Frequenzen angesiedelt ist. Allerdings entschädigen dafür die Death-Metal-Vocals von Gastsänger Matt Bachand („Shadows Fall“). Death-Metal? Jawoll, die Herren Michael Sweet (Gitarre/Gesang), Oz Fox (Gitarre/Begleitgesang), Robert Sweet (Schlagzeug/Begleitgesang) und Tracy Ferrie (Bass/Begleitgesang) sind nicht wirklich altersmilde geworden – und das ist gut so!
Was allerdings auch klar ist: „God Damn Evil“ lebt und atmet den typischen Heavy Metal aus der Zeit, in der das Genre durch die Decke gegangen ist. So sind „Sorry“ und „Lost“ absolut ikonische Hymnen, die – mit schlechterer Produktion – auch 1985 hätten erscheinen können. Der Titelsong geht ebenso als Hit durch, wie das stampfende, wuchtig-langsame „You Don’t Even Know“. Und neben der modernen Produktion zeigt nur der ab und zu dezent durchschimmernde Groove dem Hörer, dass man schon mehr als 30 Jahre weiter ist.
Im Ernst: Stryper befinden sich in perfekter Rockform
„Sea Of Thieves“ ist eine ordentlich nach vorne rockende Stadionhymne mit schönen Soli und einem Michael Sweet, der besonders in den mittleren Stimmlagen besonders gut gefällt. Bei „Can’t Live Without Your Love“ zeigt die Band, dass sie ihr Balladen-Feeling keineswegs verloren hat. Das zudem auf gänzlich unkitschige Art und Weise, so dass der Song ebenfalls auf die Habenseite wandert. „Own Up“ ist dagegen beinahe wieder garstig zu nennen, auch wenn die Melodien einmal mehr mehrheitsfähig sind. Beim abschließenden „The Devil Doesn’t Live Here“ zuckt die Augenbraue ob des wuchtigen Double-Bass-Intros und des nahezu Motörhead-artigen Riffing direkt noch einmal anerkennend in die Höhe. Der kurz-knapp-und-knackig-Song rundet „God Damn Evil“ wunderbar ab – mag nicht den sonntäglichen Kirchgang ersetzen, aber durchaus für das eine oder andere Halleluja gut sein. Nein, ernsthaft: Stryper befinden sich in perfekter Rockform und können so gerne noch für einige weitere Scheiben weitermachen!
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 20. April 2018
- Label: Frontiers Music s.r.l.
- Songs: 11
- Spielzeit: 44:35 Minuten
- Preis: ca. 18 Euro