Zwiesel. Ein öffentlich ausgetragener Maibaumstreit, eine abgesagte Schmankerlnacht, ein offenbar bewusst nur in Auszügen zitiertes Schreiben, eine verärgerte Landrätin, der unvollendete Vollzug der Gemeindeordnung, nicht-gezahlte Personalkosten – die Liste der jüngsten Negativ-Ereignisse im Dauerstreit zwischen Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger und der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald (FNBW) ist lang. Noch länger ist das Gesamtverzeichnis der Zwistigkeiten, die sich in den vergangenen vier, fünf Jahren angehäuft haben. Das Attribut „Wahnsinn“ war in dieser Zeit mehrmals zu vernehmen, begleitet von heftigem Kopfschütteln und verständnislosem Achselzucken. Die einzige und längst überfällige Konsequenz müsste eigentlich das Ende dieser unglückseligen Verbindung sein, wie Hog’n-Redakteur Stephan Hörhammer findet. Eine utopische Glosse – mit zwei Ausgängen und einem Fazit.*
Utopie-Variante I: Der für alle erfolgreiche „Zwexit“
Wir schreiben das Jahr 2021. Der Tourismusverbund FNBW hat sich nach dem „Zwexit“ der Glasstädter vor drei Jahren bestens entwickelt. Die Zahl der Mitgliedskommunen konnte gesteigert werden: Neben den Neuzugängen Ringelai, Schöfweg und Philippsreut sowie Rinchnach, Kirchdorf i. Wald und Bodenmais hatten sich auch größere Orte wie Teisnach, die Stadt Regen sowie Waldkirchen, Freyung und Grafenau der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald angeschlossen. Max Niedermeier, Bürgermeister der Bärenstadt und Nachfolger von Herbert Schreiner im Amt des FNBW-Aufsichtsratvorsitzenden, wird auch heute nicht müde zu betonen, dass die Trennung von Zwiesel „das Beste war, was uns und dem Bayerischen Wald touristisch betrachtet passieren konnte“.
Dem stimmt auch Neu-Geschäftsführer und FNBW-Urgestein Daniel Eder vollumfänglich zu – dieser folgte jüngst auf Heinz-Peter Schwendinger, unter dessen Ägide der Austritt Zwiesels vollzogen wurde: „Dass die Mehrheit der Aufsichtsräte damals für den Zwexit gestimmt hatte, war die einzig logische Konsequenz. Das Maß war längst voll, eine Kooperation auf vertraulicher Basis unmöglich.“ Die permanenten Störfeuer seitens Bürgermeister Franz Xaver Steininger hätten viel Kraft und Energie gekostet – und nicht zuletzt der Glasstadt sowie dem Bayerischen Wald als wiederauferstehende Tourismus-Destination großen Schaden zugefügt, den es (immer noch) zu reparieren gelte. „Dies alles ist – Gott sei Dank – Geschichte. Wir blicken positiv in die Zukunft und freuen uns, dass wir uns seit der Trennung voll auf unsere Aufgaben und das Alltagsgeschäft konzentrieren können“, betont Eder. „Die FNBW blüht auf.“
Und auch für Zwiesel hat sich der Zwexit gelohnt, wie Franz Xaver Steininger auf Hog’n-Nachfrage informiert. „Seitdem die Stadtverwaltung wieder die touristische Oberhoheit hat und nun mit der ArberlandREGio gemeinsame Sache macht, geht’s auch mit der Glasstadt aufwärts. Es ist Ruhe eingekehrt, die Feste und Feierlichkeiten werden von uns organisiert und durchgeführt – so, wie es auch vor der FNBW-Zeit schon der Fall war.“ Sein Nervenkostüm habe sich entspannt, die Freude am Arbeiten sei ins Rathaus zurückgekehrt. Und auch im Stadtrat, der nach dem Aufsichtsratsveto mehrheitlich für die Beendigung des Vertrags mit der FNBW gestimmt hatte, herrscht große Erleichterung. Erstmals seit Langem sei in Zwiesel ein Gefühl des Miteinanders eingekehrt. „Der Knopf ist nach dem Zwexit aufgegangen – es ging im Endeffekt nur darum, endlich loszulassen“, blickt Grünen-Stadtrat Jens Schlüter zurück.
Utopie-Variante II: Alles reibt sich auf!
Wir schreiben das Jahr 2020. Nichts hat sich geändert. Der Streit zwischen FNBW und FXS ist schlimmer denn je. Intrigen, Täuschungsmanöver und öffentliche Auseinandersetzungen dominieren weiterhin das Geschehen. Dem Bayerwald-Boten liegt wöchentlich eine mehrseitige Sonderbeilage bei, in dem der aktuelle Hickhack zwischen den beiden Kontrahenten detaillreich geschildert wird. Die Eskalationsstufen mussten ohnehin neu definiert werden, nachdem es zu Handgreiflichkeiten zwischen FNBW-Anhängern und den Befürwortern der Steininger’schen Tourismusstragie gekommen war. Nicht nur die heimische Presse hatte davon berichtet, sondern auch überregionale Medien (CNN, SKY NEWS, BILD, RTL, BR-Magazin quer etc.) – seitdem zeigt die von Ministerpräsident Söder 2018 eingeführte Grenzpolizei verstärkt Präsenz in der Glasstadt, um den Ausbruch eines Bürgerkriegs zu verhindern.
Feststeht: Das Image der einstigen Tourismus-Perle des Bayerwalds hat extrem unter den Zwistigkeiten gelitten. Kaum ein Urlaubsgast verirrt sich noch dorthin. Und auch die Hotels und Beherbergungsbetriebe in den umliegenden Ortschaften sind nahezu verwaist. „Der Streit hat den ganzen Bayerischen Wald im Griff, überschattet ihn immer und immer wieder“, äußerst sich ein Landtagsabgeordneter, der anonym bleiben möchte, gegenüber dem Hog’n. Eine Ansicht, die Bürgermeister Franz Xaver Steininger nicht teilen kann: „Hier geht es ums Prinzip, hier geht es um Recht und Ordnung. Im Teilübergangsvertrag steht ganz klar geschrieben, dass die FNBW für die Organisation und Durchführung des Zwieseler Finks, des Grenzlandfestes sowie von Ostern und Weihnachten zuständig ist. Da können Sie meine Anwälte fragen – auch die Rechtsaufsicht am Landratsamt Regen wird Ihnen das so bestätigen.“
FNBW-Geschäftsführer Heinz-Peter Schwendinger sieht beim Ortstermin in Spiegelau erschöpft aus. Sein Bart ist lang und grau. „Was ich in den letzten Jahren hier im Bayerischen Wald mitgemacht habe, das geht auf keine Kuhhaut“, erzählt der gebürtige Österreicher und rauft sich die Haare. Gerade erst war wieder ein TV-Team des Senders „Al Dschasira“ bei ihm zu Gast, dem er „zum hundersten Mal“ die aktuellen Entwicklungen im FNBW-FXS-Dauerstreit erklären musste. Er wisse nicht, ob er die „Borniertheit und Durchtriebenheit“ jenes Zwieseler Bürgermeisters, der er sich zur Lebensaufgabe gemacht habe, die FNBW in Misskredit zu bringen, noch länger ertragen könne – und spiele mit dem Gedanken auszusteigen…
Fazit: Lieber ein Ende mit Schrecken…
…als ein Schrecken ohne Ende. Die Trennung der beiden Parteien ist – mit klarem Menschenverstand betrachtet – der letzte Ausweg aus einem mehr als zerrütteten Verhältnis. Sie ist unausweichlich und momentan ohne Alternative. Ein radikaler Schnitt muss her, das sollten auch die verantwortlichen Entscheidungsträger in den Gremien (FNBW-Aufsichtrat und Zwieseler Stadtrat) langsam aber sicher erkannt haben. Denn Zwiesel bzw. Bürgermeister Franz Xaver Steininger und die FNBW – das passt nunmal nicht zusammen. Die beiden können nicht miteinander. Und was nicht ist, wird auch nicht mehr werden. Es geht nun darum, sich diese Tatsache einzugestehen.
Klar: Die Glasstadt ist einer der stärksten Zahler innerhalb des Tourismusverbunds, weshalb das Ausscheiden Zwiesels für die FNBW aus finanzieller Sicht wohl nicht ganz so leicht wegzustecken sein dürfte. Doch betrachtet man den entstandenen Schaden, den die zweifelhafte Beziehung bis dato verursacht hat, dürfte der pekuniäre Aderlass in absehbarer Zeit sehr wohl verkraftet sein. Nochmal: Es muss einen harten Cut geben – ansonsten reiben sich alle Beteiligten auf bis zum Pyrrhussieg.
Veränderungen beginnen mit dem Loslassen von Altem, damit Platz für Neues entsteht…
Stephan Hörhammer
*Anmerkung der Redaktion: Sämtliche direkte wie indirekte Zitate sind frei erfunden und wurden in dieser Form zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n geäußert.
… Eure Utopie-Variante I scheint mir in jeder Beziehung die Reizvollere zu sein, obwohl … nur Gewinner wird`s halt doch nicht geben – auch deswegen Utopie?