Freyung. Ein bewegtes Leben liegt bereits hinter Alexander Spann. Er ist mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wurde verurteilt, musste ins Gefängnis. Mit diesem strafrechtlich-relevanten Kapitel hat der 32-Jährige inzwischen aber abgeschlossen, wie er sagt. Er hat geheiratet und gemeinsam mit seiner Frau eine neue Wohnung bezogen, will sein Leben in geordnete Bahnen lenken. Ihm sei bewusst, dass er viele Fehler begangen habe und diese inzwischen zutiefst bereue. Er versichert, sich gebessert zu haben. Doch immer wieder holen ihn frühere Fehltritte ein. Nun soll er seiner Krankenkasse, der AOK Bayern, Versicherungsbeiträge nachzahlen – inklusive diverser Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten summiert sich die Forderung inzwischen auf rund 15.000 Euro. Eine Schuld, die Alexander Spann nicht begleichen kann – und will.
Einerseits ist es für den 32-Jährigen derzeit unmöglich, diese für seine Verhältnisse exorbitant hohe Summe aufzubringen. Gleichbedeutend mit neuen Schulden wäre wohl ein Rückfall in alte, justiziabele Zeiten und Verhaltensmuster. Andererseits ist die Forderung seiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. „Die AOK hat mir Beiträge berechnet, die während meiner Zeit in Haft angefallen sein sollen“, erklärt Alexander Spann, der u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis von Dezember 2009 bis Juli 2012 und April 2014 bis September 2015 in der JVA Landshut inhaftiert war. „Das ist doch gar nicht zulässig. Während der Inhaftierung sind Häftlinge von Krankenkassen-Beiträgen befreit“, insistiert er.
Spann: „Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen“
Bereits mehrmals sei er aufgrund dieser Angelegenheit mit der AOK in Kontakt gewesen – sowohl schriftlich als persönlich. Auch einen Anwalt hat Alexander Spann bereits eingeschaltet. Der Freyunger fühlt sich schickaniert, fürchtet um seine neue, noch auf wackeligen Beinen stehende Existenz. Mit Schikane begründet er auch eine verbale Eskalation während eines Besuches der AOK-Geschäftstelle in Freyung – seitdem hat er dort Hausverbot. „Ich habe mir einfach nicht mehr helfen können. Das kann doch alles nicht sein. Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen und weiß nicht, warum ich diese Nachzahlung machen soll.“
Dass die Krankenversicherung von Verurteilten während ihrer Haftzeit ruht bzw. Häftlinge währenddessen „in der Regel“ von Krankenkassen-Beiträgen befreit sind, bestätigt Dr. Rebekka Übler, Sprecherin des Bayerischen Justizministeriums, auf Nachfrage des Onlinemagazins da Hog’n. Nach Antritt einer Haftstrafe entfalle nämlich – Sonderfälle ausgeschlossen – der begründete Sachverhalt (wie etwa ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis oder der Bezug von Arbeitslosengeld I oder II) für eine Versicherungspflicht. „Die Kosten für die medizinisch notwendige Behandlung, die regelmäßig durch eigens hierfür beschäftigte Anstaltsärzte sowie erforderlichenfalls auch externe Ärzte erfolgt, einschließlich der medizinisch notwendigen Medikation übernimmt grundsätzlich der Justizvollzug, also der Freistaat Bayern.“
Über ihren Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt und einer damit verbundenen Befreiung von der Beitragspflicht müssten die Häftlinge laut Dr. Rebekka Übler ihre Krankenversicherung selber informieren. Trotzdem ließe man die Verurteilten in dieser Hinsicht nicht gänzlich alleine: Zum einen würden alle Neuankömmlinge ein Merkblatt bekommen, in dem sie über die Auswirkungen der Inhaftierung auf die Sozialversicherung unterrichtet werden. Zum anderen werde laut Übler auch im Zugangsgespräch, das mit jedem Häftling geführt wird, auf die soziale Sicherung des Gefangenen eingegangen. „Auf Wunsch werden die JVA-Insassen von den Sozialarbeitern der Justizvollzugsanstalt unterstützt.“
Windpassinger: „Der Kunde hat Mitteilungspflicht“
Unter Berücksichtigung der Erläuterungen seitens des Bayerischen Justizministeriums entspricht also Alexander Spanns Vermutung, die Forderungen der AOK seien nicht begründet, einer Tatsache – unter der Voraussetzung, der 32-Jährige sei kein Sonderfall, was im Rahmen der Hog’n-Recherchen weder bejaht noch verneint werden kann. Zu einzelnen, expliziten Fällen äußert sich das Justizministerium nämlich nicht. „Dies gilt umso mehr für diesen Fall, in dem es um Ansprüche einer gesetzlichen Krankenversicherung geht“, teilt Dr. Rebekka Übler auf Hog’n-Nachfrage mit.
Etwas Licht ins Dunkel bringt Andreas Windpassinger von der AOK-Direktion Passau, zu deren Betreuungsgebiet die Region Freyung gehört. Er erklärt, dass die hohe Summe von rund 15.000 Euro deshalb zustande gekommen sei, da im Falle Spann eine „fehlende Mitwirkung“ seinerseits vorliege. Das bedeutet: „Der Kunde trägt dafür Sorge, z.B. Fragebögen zu beantworten und Einkommensnachweise zu liefern. Wirkt er bei der Beitragsbemessung nicht mit, ist die AOK verpflichtet, vom Höchstsatz – monatlich 792,08 Euro – auszugehen.“ Um eventuelle Komplikationen im Voraus zu vermeiden, müsse der Krankenversicherung ein lückenloser Versicherungsverlauf vorliegen – nur so könne sichergestellt werden, dass Kunden im Krankheitsfall versichert werden können, erklärt Windpassinger.
Natürlich, so der AOK-Sprecher weiter, würden für Häftlinge während ihrer Haftzeit keine Krankversicherungsbeiträge anfallen. „Aber der Kunde hat die Mitteilungspflicht. Er muss seiner Kasse Bescheid geben, wenn er in Haft ist. Dann wird auch kein Beitrag erhoben.“ Dies ist Windpassinger zufolge, der den Fall Alexander Spann generell als „wahnsinnig komplex“ einschätzt, nicht der Fall gewesen. Daher habe die Krankenkasse die Höchststufe für die Beitragsbemessung angesetzt. In Verbindung mit Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten sei schlussendlich eine Rückforderungssumme in Höhe von 14.438,42 Euro zusammen gekommen.
„Eine Korrektur wäre möglich“ – „Ich kümmere mich drum“
Fix und verbindlich sei dieser Beitrag allerdings noch nicht, wie Andreas Windpassinger gegenüber dem Hog’n erklärt: „Die Sache steht und fällt mit der Mitwirkung von Herrn Spann. In weiten Teilen kann/könnte die Beitragsberechnung noch zugunsten von Herrn Spann bereinigt werden. Eine Korrektur wäre nach Vorlage von Einkommensnachweisen bzw. Angaben zum Einkommen im Rahmen des entsprechenden Fragebogens möglich.“
Wie der AOK-Sprecher am 27. März auf Hog’n-Nachfrage weiter mitteilt, hat Alexander Spann inzwischen seine Vermögensverhältnisse gegenüber dem zuständigen Gerichtsvollzieher, der die AOK vertritt, offengelegt und den sogenannten Offenbarungseid geleistet. Dabei hat der 32-Jährige versichert, kein Geld zu besitzen und somit die offenstehende Summe nicht begleichen zu können. „Nach einer gewissen Zeit – nämlich drei Jahren – wird die AOK von sich aus wieder tätig werden. Herr Spann bleibt gegenüber der AOK Beitragsschuldner“, teilt Windpassinger mit.
Weiter habe die Krankenkasse noch einmal Kontakt zu Spann aufgenommen und die fehlenden Unterlagen eingefordert – bisher jedoch ohne Rückmeldung. Aufgrund des Umfangs der betroffenen Zeiträume und der Tatsache, dass der Freyunger bisher keinerlei Zahlungen geleistet habe, sei nicht davon auszugehen, dass ein überschaubarer Rahmen bei der Rückzahlungshöhe eingehalten werden könne, teilt der AOK-Mitarbeiter mit. „Bis dato hatte die AOK keine Kenntnis über die tatsächliche Einkommenssituation“, betont dieser erneut.
Gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n beteuert Spann, dass er die AOK jedoch noch kontaktieren und die fehlenden Dokumente nachreichen werde. „Ich kümmere mich drum.“
Helmut Weigerstorfer
UPDATE (vom 6. September 2018): AOK-Sprecher Andreas Windpassinger teilt auf Hog’n-Nachfrage mit:
„Herr Spann ist nicht mehr bei der AOK Bayern krankenversichert, er hat seine Mitgliedschaft zum 30. November 2017 gekündigt. Die Beitragsschulden von rund 15.000 Euro konnte unser Kunde nicht begleichen, es sind keine Zahlungen von ihm geleistet worden. Aufgrund der Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens ist der Beitragsrückstand dauerhaft erlassen worden. Herr Spann hat keine Mittel und Möglichkeiten, seine Schulden zu tilgen.“
man soll ja vorsichtig sein mit solchen ausdrücken aber ich nenne die AOK ganz einfach VER******; ich habe meine arbeit verloren weil keine behandlung genehmigt wird, habe mich FREIWILLIG versichert, 5000 euro in 3 jahren bezahlt und siesie behaupten nix erhalten zu haben, habe seit 1 1/2 jahren keine zähne, behandlung abgelehnt, seit 17 jahren schlaflosigkeit mit einhergehenden körperlichen einschränkungen, behandlung mehrfach abgeleh begr. chronisch da gibts nix, habe schon mehrfach gekündigt, mit ihrer bestätigung und bekommetrotzdem regelmäßig eine rechnung. mitterweile wollen sie weitere 6000 euro. außerdem stieg der beitrag innerhalb 2 jahren von 155 auf 198 euro monatlich, wie soll das ein alleinstehender renter mit 750 euro rente reißen. mein vorschlag: gemeinschaftsklage
Sehr geehrter Herr Pawlitschko,
bleiben Sie mit Ihrem Kommentar bitte bei der Sache. Ihr offensichtlich persönlicher Ärger mit der AOK hat nichts mit dem Fall von Herrn Spann zu tun. Herr Spann ist seiner Mitwirkungspflicht trotz Aufforderung durch die AOK bislang nicht nachgekommen, wie in dem Artikel deutlich wird, und er hat daher diese hohe Zahlungsaufforderung erhalten. Sie sind u. a. unzufrieden wegen nicht genehmigter Leistungen. Dies sollten Sie auf anderem Wege klären und nicht in diesem Forum Ihrem Ärger Luft machen. Das bringt weder Sie noch Herrn Spann weiter.
Ich arbeite bei einer gesetzlichen Krankenkasse in diesem Bereich, zwar nicht bei der AOK aber bei einer großen Ersatzkasse. Ich kenne solche Sachverhalte nur zu gut. Beitragsbescheide in solch einer hohen Summe, wie im genannten Fall gezeigt, verschicke ich ein paar Mal im Monat. Erst letzte Woche wieder, habe ich solch einen Bescheid in dieser Größensumme verschickt.
Seit 2007 muss jeder in Deutschland versichert sein. Wir Krankenkassen sind dazu verpflichtet, dies auch sicherzustellen. Wie kommt oben genannter Sachverhalt zu Stande? Ich erhalte eine Abmeldung des Arbeitgebers/ der Agentur für Arbeit, daraufhin habe ich ein ungeklärtes Versicherungsverhältnis. Dieses muss geklärt werden, dem Versicherten lasse ich danach mehrere Schreiben zukommen. In den Schreiben wird abgefragt, was er zur Zeit macht. Studium evtl geplant, neuer Job, arbeitslos gemeldet. Bei sehr vielen Leuten erhalte ich einfach gar keine Antwort. Ich erinnere und erinnere und erhalte keine Antwort (mal abgesehen von Postrückläufern, dann ist mir auch klar, dass ich keine Antwort erhalte). Oft haben diese Leute dann auch noch Anspruch auf Familienversicherung, könnten theoretisch einen Antrag stellen. Parallel schicke ich dann noch einen Antrag auf Familienversicherung los an den Hauptversicherten. Oft erhalte ich auch darauf keine Antwort. Zu diesem Zeitpunkt habe ich bereits sehr viele Schreiben verschickt, die Klärung des Sachverhaltes zieht sich zu diesem Zeitpunkt schon circa 6 Wochen. Falls mir dann noch immer keine Rückmeldung vorliegt (Versicherte darf sich auch gerne telefonisch melden), stelle ich eine Obligatorische Anschlussversicherung auf Höchstbeitrag her (dazu bin ich verpflichtet). Ich lasse ihm einen Beitragsbescheid in Höhe der aktuell gültigen Beitragsbemessungsgrenze zu kommen. Wenn der Bescheid zugestellt wurde, kommt meistens die überraschende Wendung, der Versicherte meldet sich urplötzlich und ist überrascht, dass er so viel zahlen soll. Der Versicherte hat nach Bescheidzugang 3 Monate Zeit die geforderten Angaben vorzulegen, dann kann ich die Einstufung korrigieren. Falls sich herausstellt, dass er in diesem Zeitraum versicherungspflichtig war oder er Anspruch auf Familienversicherung hatte, muss ich die Obligatorische sowieso rückwirkend stornieren. Ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, weshalb soviele Leute darüber echauffiert sind, wenn Sie einen solchen Bescheid erhalten. Ist ja nicht so als würden, wir diese Sachen auswürfeln und zufällig Leute auswählen und diesen solch einen Bescheid zukommen lassen. Wenn man nach mehreren Monaten nicht in der Lage ist, sich zu melden, dann kann ich den Leuten leider auch nicht mehr weiterhelfen.
Ich vertrete nicht die AOK!
Ich bin von der AOK, als Gläubiger, beauftragt worden, gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung durchzuführen. Dies habe ich getan. Ich vertrete grundsätzlich niemand.
M. Hecht, Obergerichtsvollzieher beim Amtsgericht Freyung
Seinen Pflichten nicht nachkommen, aber sich in den Medien als Opfer darstellen lassen.
Wäre Herr Spann seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen, dann wäre es gar nicht so weit gekommen, dass er fast 15.000 € zahlen muss. Zettel ausfüllen und den Nachweis über die aktuelle Einkommenssituation an die AOK schicken ist doch wohl nicht zu viel verlangt, oder? Woher soll die Krankenkasse sonst wissen, dass jemand in der JVA ist oder kein Einkommen bezieht. Hellsehen können die Mitarbeiter nicht.
Herrn Spann wünsche ich, dass er nach seiner schwierigen Zeit wieder Fuß fassen und ein geregeltes Leben führen kann. Dazu gehört aber auch, sich an gewisse Regeln zu halten und bestimmten Pflichten nachzukommen (z. B. Schreiben der AOK zu beantworten), um auch die Vorteile unserer Solidargemeinschaft nutzen zu können. Geben und nehmen lautet die Devise.
Da ich den o. g. Herrn kenne….. Ich hoffe, dass es nicht wieder ein riesen Getöse ist, weil ihm das Leben so schwer gemacht wird! Er hätte helfende Hände gehabt, die er mit Füßen getreten hat!!!!
Es gibt ein großer Unterschied zwischen jemanden „kennen“ und jemanden schon mal „gesehen zu haben“ und ich persönlich, empfinde es als Frechheit oder unter mildernden Umständen gesehen als großmäulige geistige Unterentwicklung, seine Ahnungslosigkeit als „Meinung“ hier vertreten zu wollen… Für den Kleingeist einfach ausgedrückt: Im Ersnstfall einfach schweigen! In diesem Sinne: si tacuisses, philosophus mansisses…
Sollte ich auch Verwandtschaftsgrad u. s. w. dazu schreiben?
Ich weiß nicht, was Sie schon alles für Herrn Spann getan haben?! Haben Sie ihn vom Knast abgeholt und beherbergt, damit er erst mal unterkommt? Bei Behörden und anderen Dingen unterstützen wollen? Dann ewig versucht, ihn zu erreichen, weil er wieder mal alles über den Haufen geworfen hat, aber angeblich soooo dankbar ist??? Ich bin weder frech, noch geistig unterentwickelt oder grossmäulig!!!
ich bin Alters-Rentner (500) und beziehe 278 € Grundsicherung und war übers Amt krankenversichert bei der IKK.
Von November 2015 bis Oktober 2018 war ich in Haft
Seit einem Jahr streite ich – Widerspruch um Widerspruch – mich mit der Krankekasse um mehr als 60000 euro und verstehe nicht, daß ich für die Haftzeit wo ich die IKK nicht in Anspruch genommen habe- trotzdem derart hohe Zahlungen (incl. Säumniszuschläge) leisten soll.
Nach Aussage der IKK gäbe es ein Gesetz, daß die IKK wehrend der Haftzeit Beiträge verlangen kann. Bisher fand ich ein solches Gesetz nicht.