FRG. Gerade erst ist der Startschuss gefallen für das Projekt „iMONA – intelligente Mobilität und Nahversorgung„. Der Landkreis Freyung-Grafenau entwickelt dabei in den nächsten zwei Jahren Ideen, wie die Mobilität und Nahversorgung der Bürger optimiert werden kann. Die Bundesregierung hat Gelder bereitgestellt für Projekte, die das Leben im ländlichen Raum verbessern. iMONA hat sich bei einer bundesweiten Ausschreibung als förderfähiges Projekt durchgesetzt – übrigens als einziges in Bayern – und wird nun zu hundert Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Wie wird das Ganze ablaufen? Was kann am Ende dabei rauskommen? Wie viel von der auf den ersten Blick recht hohen Fördersumme (rund 660.000 Euro) fließt tatsächlich in die Umsetzung einzelner Projekte? Wir haben mit Projektleiterin Sonja Weigerstorfer gesprochen.
Frau Weigerstorfer: Der Landkreis hat sich mit einem Projekt beworben, das Mobilität und Nahversorgung verbessern soll. Wieso diese Themenbereiche?
Weil das die brennenden Themen im ländlichen Raum sind. Die Infrastruktur, die vorgehalten werden müsste, ist selten da. Der öffentliche Personennahverkehr fußt oft stark auf dem Schülernahverkehr und hat andere Zielgruppen nicht mehr wirklich im Blick.
„Es ist nicht unbedingt das Ziel, dass sich das wirtschaftlich trägt“
Im ländlichen Raum ist man häufig auf das Auto angewiesen, um Nahversorgungseinrichtungen, aber auch soziale Treffpunkte, Freizeiteinrichtungen und Ärzte zu erreichen. Damit der ÖPNV nicht das Einzige ist, womit man sich im ländlichen Raum – abgesehen vom eigenen Auto – bewegen kann, gilt es jetzt kreative Ideen zu finden, um den ÖPNV zu ergänzen. Und eben auch die Nahversorgung nochmal neu zu denken und zu fragen: Gibt es eine Möglichkeit, Güter des täglichen Bedarfs in irgendeiner Form zu den Verbrauchern transportieren zu können?
Wir haben fast so viele zugelassene Fahrzeuge im Landkreis FRG wie Einwohner. Ist es Ihr Ziel, mehr Leute weg zu kriegen vom Auto, andere Lösungen in Sachen Mobilität zu finden?
Das primäre Ziel ist nicht, die Leute vom Auto weg zu kriegen. Es geht eher darum, mobilitätseingeschränkten Personen die Möglichkeiten zu bieten, sich dennoch von A nach B bewegen zu können. Das sind Personen, die nicht oder noch nicht Auto fahren können; Personen, die kein Auto besitzen; oder Familien, die nur ein Auto besitzen, aber eigentlich ein zweites bräuchten.
Aber gibt es genügend solcher Menschen, damit diese Ideen dann auch wirtschaftlich funktionieren?
Es ist nicht unbedingt das Ziel, dass sich das wirtschaftlich trägt, sondern es klappt nur dann, wenn Bürger sich engagieren. Es gibt zum Beispiel die Idee einer Mitfahrbank. Bei einer Mitfahrbank geht es darum, dass jemand, der eine gewisse Strecke mit dem Auto fährt, jemanden mitnimmt, der in die gleiche Richtung möchte. Sozusagen eine Weiterentwicklung des Trampens. Allerdings stellt man sich dabei nicht an den Straßenrand, hält den Daumen raus oder hat ein Pappschild in der Hand, sondern man sitzt auf der Mitfahrbank, die eindeutig erkennbar ist – vielleicht durch eine Farbe, vielleicht weil es drauf steht und man die Möglichkeit hat, Richtungsschilder so aufzustellen, dass Autofahrer direkt sehen: Die Person möchte dorthin, ich fahre dorthin, also kann ich sie mitnehmen.
Da fließt kein Geld an der Stelle, sondern es ist einfach dieses: „Ich fahre die Strecke sowieso und es macht keinen Unterschied, ob jetzt noch jemand mit im Auto sitzt, der das gleiche Ziel hat wie ich.“ Da geht’s darum, sich gegenseitig zu helfen, um Nachbarschaftshilfe, darum, aufeinander zu achten und sich mehr zu vernetzen und zu verbinden und wieder in Kontakt zu kommen.
„Man unterstützt sich gerne. Es geht nicht ohne ein Miteinander“
Es geht also darum, eine Kultur wiederzubeleben, die es kaum mehr gibt. Wenn man heute einen Tramper mitnimmt, denken die Leute, man geht ein enormes Risiko ein, weil der Typ am Straßenrand einen ja ausrauben oder sonst was mit einem machen könnte. Früher ist man auch als Jugendlicher häufiger mal einfach von der Schule heimgetrampt. Wie schafft man es, diese Kultur des Miteinanders wieder zu fördern?
Durch Gespräche. Dadurch, dass man den Menschen die Zuversicht gibt, dass das funktionieren kann. Dass es früher schon funktioniert hat, dass es andere bereits hier im Landkreis machen und dass es doch eigentlich eine Einstellungsfrage ist. Dass nicht jeder mit Messern bewaffnet ist, der gerne mitfahren möchte. Gerade in Zeiten wie diesen ist Angst ein permanentes Thema, aber die meisten wollen einfach nur von A nach B. In die Situation kann jeder kommen. Wenn man sich da einmal hineinversetzt, freut man sich, wenn es Alternativen gibt. Ich war vor Kurzem in Haidmühle und hab auf der Straße eine Frau kennengelernt, die ohne ihren Mann oder den Bus nirgendwo hinkommt, da sie selber keinen Führerschein hat. Die war hellauf begeistert von der Idee einer Mitfahrbank.
Man unterstützt sich ja gerne. Es geht nicht ohne ein Miteinander. Auto bedeutet neben Bequemlichkeit – ich steig ein und fahr los – auch immer Individualmobilität: Es bin ich alleine, die damit fährt. Aber es ist eigentlich in einer Gesellschaft sehr viel schöner, in irgendeiner Form teilen zu können, in Kontakt zu stehen, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Das ist der Gedanke, der dahinter steckt.
„Das Rad neu zu erfinden, ist ja gar nicht immer nötig“
Sie sind die Projektleiterin, arbeiten mit Wissenschaftlern der TU Dresden zusammen und sollen Lösungen für intelligente Mobilität und Nahversorgung im Landkreis entwickeln. Das klingt erstmal sehr theoretisch. Wie sieht denn ihr Arbeitsalltag aus? Was machen Sie genau?
Bisher bin ich hauptsächlich damit beschäftigt, mich einzuarbeiten und zu vernetzen, Menschen bei uns im Landkreis aber auch außerhalb des Landkreises zu kontaktieren, die sich mit denselben Themen beschäftigen, die schon Ideen umgesetzt und somit Erfahrungswerte haben. Das Rad neu zu erfinden, ist ja gar nicht immer nötig. Ich versuche mich bestmöglich zu informieren, wie man etwas umsetzen kann, damit es auch zum Erfolg führt hier im Landkreis. Wir müssen definieren: Wo gibt es Mängel, wo ist es schwierig, welche alternativen Möglichkeiten können wir uns vorstellen, um darauf zu reagieren.
Aktuell vereinbare ich Termine mit Bürgermeistern, aber auch mit hauptberuflich oder ehrenamtlich aktiven Menschen in den Gemeinden, in denen ich in Absprache mit der TU Dresden erstmal starten werde. Das sind vorrangig Gemeinden, die am weitesten entfernt sind von den Mittelzentren in unserem Landkreis, also von Freyung, Grafenau und Waldkirchen. Da dort der Anschluss an die Mittelzentren ein Thema ist – es sind weite Distanzen, die zu überwinden sind. Vor allem dort, wo die neuen Linienbündelungskonzepte noch nicht umgesetzt sind, drückt der Schuh gerade am meisten.
Da fällt das Stichwort Linienbündelung: Gerade sind ja ein paar Leute schlecht auf den ÖPNV zu sprechen, weil durch die Neu-Organisation vieles noch nicht funktioniert, Linien durch Rufbusse ersetzt werden etc. Inwieweit hat iMONA denn eigentlich mit der Neu-Organisation des ÖPNV zu tun?
Gar nicht. iMONA soll den ÖPNV ergänzen. Und da gerade viel umstrukturiert wird, ist das vielleicht genau der richtige Zeitpunkt für unser Projekt. Es basiert natürlich auf dem, was da ist. Persönlich bin ich recht positiv überrascht, wie gut der „neue“ ÖPNV aufgestellt ist. Ich nutze ihn auch, wo immer es mir möglich ist, und befürworte das Konzept, das seit September umgesetzt wird.
„Das steht und fällt mit den Menschen im Landkreis FRG“
Das würden derzeit wahrscheinlich einige Leute nicht unterschreiben. Kann iMONA da, wo es hakt beim ÖPNV, auch was machen? Gibt es da Dinge, die angedacht sind? Oder sagen Sie: Das ist ein anderer Bereich, den fassen wir gar nicht an?
Natürlich kann iMONA da was machen, weil diejenigen Flecken im Landkreis, die der ÖPNV nicht gut abdeckt, kann ich mir mit den Bürgern zusammen genauer anschauen und anhand des Bedarfs gemeinsam Ideen entwickeln, was man machen könnte. Mitfahrbänke, Bürgerbusse, Carsharing – einiges gibt es ja bereits, vieles ist denkbar und letztendlich gilt es, das was da ist intelligent zu verknüpfen, um das Angebot für die Bevölkerung so alltagstauglich wie möglich ergänzen zu können.
Das klingt nach sehr viel Theorie im Vorfeld. Heißt das, dass in den nächsten zwei Jahren eher noch keine konkreten Projekte umgesetzt werden?
Das steht und fällt mit den Menschen im Landkreis: Je aktiver sie sich einbringen, je offener sie Veränderungen gegenüber sind, umso mehr kann im gemeinsamen Wirken umgesetzt werden. Das Projekt endet offiziell im Februar 2020. Bis dahin kann ich aktiv Dinge auf den Weg bringen. Darüber hinaus gibt es noch ein Zeitfenster, um das weiterzuführen, was schon begonnen hat. Aber da Freyung-Grafenau ein Flächenlandkreis ist, wird es erstmal Insellösungen geben. Es wird im Kleinen starten, wo man gemeinsam schaut: Funktioniert das? Darauf aufbauend werden sich ein paar Umsetzungen hoffentlich flächendeckend über den Landkreis ausbreiten.
„Hoffe, dass wir so schnell wie möglich Ideen haben“
Es ist also durchaus möglich, dass in einem halben Jahr bei uns vor der Haustüre eine rote Mitfahrbank steht?
Zum Beispiel – wenn dort ein strategisch günstiger Ort dafür ist. Aber es ist ein Prozess. Es ist nichts, was man von jetzt auf gleich umsetzen kann. Es wird seine Zeit dauern und deswegen hoffe ich, dass wir so schnell wie möglich wirklich gut umsetzbare Ideen haben, die wir auch relativ unkompliziert in den ganzen Landkreis tragen können.
Interview: Sabine Simon
Im zweiten Teil unseres Interviews mit iMONA-Projektleiterin Sonja Weigerstorfer geht es u.a. ums Thema Maßnahmenfinanzierung sowie den Sinn von iMONA in Sachen Informationsweitergabe und -bündelung. Zudem zieht Hog’n-Autorin Sabine Simon ihr Fazit aus dem Gespräch mit Frau Weigerstorfer in Form eines Kommentars.
Übrigens: Wer interessiert ist, eigene Ideen einzubringen oder mitzumachen, kann über imona@lra.landkreis-frg.de Kontakt mit Sonja Weigerstorfer aufnehmen. Informationen gibt’s auf der Seite imona-frg.de.