Neureichenau. Ein Raunen, dem allüberall Entsetzen und ungläubiges Schweigen folgen, geht gerade um in der Region: Michael Pele Winter, im Jahre 1991 der Erfinder, Geist, Verstand und – gemeinsam mit seiner Frau Gabriele Treiss – Macher und Herz der Mund+Art-Bühne, ist gestorben. Das aus Garmisch-Patenkirchen stammende Paar, das erst im fernen München im Ensemble der Iberl-Bühne zusammenfand, hatte sich in Neureichenau niedergelassen, ein romantisches, aber schlichtes Bauernhaus nach eigenen Bedürfnissen saniert und umgebaut. Dort starb Pele Winter (68) nun einen plötzlichen Herztod. Seine Urne wird in der oberbayerischen Heimat beigesetzt werden.
Gut 135.000 Mund+Art-Besucher hat das Paar bei 34 Produktionen bis zur Abschiedsvorstellung 2012 in seinem „Theater mit Eigensinn“ auf den selbst maßgezimmerten und hochtechnisierten Bühnen gezählt: zunächst in Ringelai (Hotel Groß) und ab 2000 auch in Passau (Vogl-Stadl) sowie bei Gastspielen in ganz Bayern, etliche Jahre im Advent auch im Eginger Pullman City. Ende 1999 belohnte Kultusminister Hans Zehetmair beider Engagement und Kreativität mit dem Kulturförderpreis des Freistaats.
„Es gibt noch so viel zu entdecken, so viel zu lernen“
Nach der Theaterschließung ging das Theater-Paar neue, mehr Spontaneität erlaubende Wege, tourte als flexible Mini-Bühne durch Deutschland, war auch für private und Firmen-Feste sowie als Coach für Schauspielprüflinge buchbar. Pele Winter damals: „Es gibt noch so viel zu entdecken, so viel zu lernen. Und so viel Spaß zu haben.“ Anfang 2017 erkor Neureichenau Gabi Treiss und Pele Winter zu Werbebotschaftern der Region am Dreisessel.
Mit Michael Pele Winter ist ein unermüdlicher Rufer für Kreativität, Mut und Hirn-Einschalten für immer verstummt. Der auch handwerklich geschickte Perfektionist, der seine Lehrerausbildung für die Rockmusik an den Nagel hängte (und dort hängen ließ), dachte sich in den 1980er Jahren eine Kunstfigur aus, die er als One-Man-Show schließlich auch auf die Mund-Art-Bühne brachte. Das war sein „XYNN“, ein faszinierendes Mosaik aus Musik, Texten, Pantomime, Tanz und Elementen des Theaters, des Kinos, der Bühnentechnik, durchaus mit Reminiszenzen an David Bowie. Zu einer Zeit übrigens, in der Musikclips und YouTube gemeinhin noch nicht mal angedacht waren.
Autoritär und stur – herzlich, interessiert und hilfsbereit
Eben dieses Kreative sowie Winters Talent als Pädagoge ließen für seine Ensemble-Mitglieder – fast durchweg Laien – jede Vorstellung und jede Probe zum Erlebnis werden.
So autoritär und stur der Regisseur, Autor und Mitspieler dabei stundenlang auf einer bestimmten Szene herumreiten lassen konnte, so herzlich, interessiert und hilfsbereit hat jeder im Ensemble ihn gleichfalls kennen und schätzen lernen dürfen. Und auch das Publikum vor der Bühne war bald Feuer und Flamme und nicht selten Mitkämpfer im Mund+Art-Feldzug gegen die Ver-Steiner-ung des Volkstheaters.
Pele, tot ist nur, wer vergessen wird. Du lebst.
Dein Chicken
Hirnforscher Gerald Hüther sagt: Vor der Einschulung sind 98% der Kinder kreativ und hochbegabt, nach Schulabschluß sind es nur noch 2%. Das Problem sind die Normalen.