Passau/Freyung-Grafenau. In Zeiten, in denen Betriebe um Schulabgänger regelrecht „kämpfen“ müssen, um ihre Ausbildungsstellen besetzen zu können, sprießen Ausbildungsmessen landauf landab wie Pilze aus dem Boden. Ein wichtiger Termin, der sich bereits über Jahre hinweg etabliert hat, ist die Ausbildungsmesse Passau, organisiert von der Agentur für Arbeit, die alljährlich in der Dreiländerhalle stattfindet. Chef-Organisatorin Barbara Jaschke spricht im Hog’n-Interview über die diesjährige Veranstaltung am 23. und 24. Februar und wirft dabei einen Blick auf die allgemeine Entwicklung auf dem regionalen Arbeitsmarkt.
Frau Jaschke: Die 11. Ausbildungsmesse Passau steht an – was erwartet die Besucher in diesem Jahr?
Die Jugendlichen erhalten an einem Ort viele Informationen über verschiedene Ausbildungsberufe. Wir wollen, dass sie sich nicht auf einige wenige, ohnehin bekannte Ausbildungsberufe konzentrieren, sondern ihren Blick öffnen zu unbekannten, aber nicht zwingend uninteressanten Berufen. Viele Firmen haben ihre Azubis dabei, um den Jugendlichen die Scheu für eine Kontaktaufnahme zu nehmen. Alle sollen die Chance nutzen, an diesem Tag ihre Fragen loszuwerden. Wer schon genau weiß, was er werden will, kann sich gezielter informieren – und vielleicht schon erste Kontakte in Richtung Ausbildungsvertrag knüpfen.
„Wir wollen die Messe für die Besucher erlebbar machen“
Unserer Erfahrung nach sind Vier-Augen-Gespräche durch nichts zu ersetzen. In den vergangenen Jahren haben wir darauf hingewirkt, dass auf der Ausbildungsmesse nur regional agierende Unternehmen auf unsere hiesigen Jugendlichen treffen. Konkret heißt dies, dass jeder Aussteller auch vor Ort ausbildet. Damit unterscheiden wir uns von sogenannten Bildungsmessen. Ebenfalls legen wir seit Jahren großen Wert darauf, die Messe für die Besucher „erlebbar“ zu machen. Das heißt: Nahezu jeder Aussteller ist bemüht, seine Ausbildungsberufe möglichst wirklichkeitsnah darzustellen. Daher erwarten die Besucher zahlreiche Aktionen an den Ständen, bei denen die Jugendlichen selbst Hand anlegen können und den jeweiligen Beruf gleich vor Ort ausprobieren können.
Welche Unternehmen, Behörden und Einrichtungen sind heuer dabei?
An der diesjährigen Messe nehmen 112 Ausbildungsbetriebe teil. Den Messebesuchern steht damit ein breites Angebot von mehr als 220 Ausbildungsberufen und Studiengängen zur Verfügung, über die sie sich intensiv informieren können. Es ist vom kleinen, regionalen Handwerksbetrieb bis hin zum internationalen, überregional agierenden Konzern alles vertreten. Die Unternehmen stammen überwiegend aus den Landkreisen Freyung-Grafenau und Passau sowie der Stadt Passau. Mehr als 90 Prozent der Aussteller hatten sich bereits im Vorjahr einen Platz für 2018 gesichert. Es sind aber auch acht neue Ausbildungsbetriebe mit dabei.
Wie will man es schaffen, die bisherigen Messen, die scheinbar jedes Jahr neue Rekorde vermelden, noch einmal zu toppen?
Nun, die Zahl der teilnehmenden Betriebe lässt sich nicht mehr toppen, da die Dreiländerhalle seit Monaten ausgebucht ist. Die Besucherzahl lässt sich irgendwann auch nicht mehr toppen – ganz einfach weil die Zahl der Schulabgänger sinkt. Das Projektteam, das in der Agentur für Arbeit Passau für die Messe verantwortlich zeichnet, ist dennoch jedes Jahr bestrebt, die Abläufe für alle Beteiligten zu verbessern, interessante Aussteller zu akquirieren und darauf hinzuwirken, dass gute Gespräche an den Ständen stattfinden können. Das Feedback, das wir nach jeder Messe sowohl von den Ausstellern als auch von den Schulen erhalten, zeigt uns, dass die Veranstaltung tatsächlich jedes Jahr besser wird.
„Betriebe müssen mit hohem Aufwand Azubis suchen“
Weiterhin ist die Suche nach Auszubildenden das wohl wichtigste Thema der Wirtschaft. Weiterhin bleiben viele Stellen unbesetzt. Wie ist die aktuelle Lage?
Im Berufsberatungsjahr 2016/2017 waren rein rechnerisch 1,9 Ausbildungsstellen pro Bewerber vorhanden. Somit hat jeder Bewerber praktisch Berufswahlfreiheit. Unsere Berufsberater stehen jederzeit auf der Ausbildungsmesse, aber auch direkt an den Schulen für ein Beratungsgespräch zur Verfügung. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen steigt jährlich – zuletzt waren es 510 Stellen im Agenturbezirk Passau. Offene Lehrstellen gibt es vorwiegend im Verkauf und im Lebensmittelbereich, aber auch Ausbildungsplätze als ElektronikerIn oder als IndustriemechanikerIn konnten nicht besetzt werden.
Viele Unternehmen wollen vermehrt ausbilden und wenden sich bei ihrer Suche nach geeignetem Nachwuchs an uns. Zugleich haben Betriebe zunehmend Schwierigkeiten, ihre angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Zur Reduzierung dieser Probleme rate ich den Betrieben, die Jugendlichen bereits in der Phase der Berufsorientierung abzuholen und anschaulich über ihre Ausbildungsberufe und – inhalte zu informieren. Die Ausbildungsmesse bietet dafür eine sehr gute Gelegenheit.
Ist – auf Dauer gesehen – Besserung in Sicht?
Wir haben auf dem Ausbildungsmarkt im Raum Passau seit 2007/2008 eine veränderte Situation. Seitdem haben wir mehr Bewerber als Ausbildungsstellen gemeldet. In den vergangenen Jahren geht die Schere auch immer weiter auseinander, das heißt die Bewerber werden jährlich weniger und die angebotenen Ausbildungsstellen mehr. Aufgrund dieser Entwicklung ist es wahrscheinlich, dass sich die Betriebe in Zukunft mit hohem Aufwand um Azubis bemühen müssen – und im Umkehrschluss die Azubis eine immer bessere Perspektive erhalten.
Was muss geschehen, damit wieder mehr Schulabgänger in handwerkliche Berufe wechseln?
Es ist richtig, dass das Handwerk trotz steigender Umsätze Probleme hat, Auszubildende zu finden. Gerade in der Lebensmittelbranche macht sich das stark bemerkbar. Ursachen dafür sind der demografische Wandel, der Trend hin zum Abitur und Studium sowie die Konkurrenzsituation zur Industrie, die in der Regel auf der Gehaltsseite mehr zu bieten hat.
So wird sich die Arbeitswelt in naher Zukunft entwickeln
Meiner Ansicht nach sollte das Handwerk noch intensiver für die einzelnen Berufe werben und verstärkt über Bildungswege, die nach einer abgeschlossenen Lehre möglich sind, informieren. Dazu gehört etwa in Schulen direkt über die 130 Berufe des Handwerks zu informieren, Vorträge zu halten, mit Eltern in Kontakt zu treten und Workshops und Praxiskurse bei Innungen zu organisieren.
Viele wissen nach dem Abi nicht, was sie machen wollen und gehen dann erst einmal studieren. Wissenschaftliches Arbeiten liegt jedoch nicht jedem. Es kann durchaus sinnvoll sein, erst eine Berufsausbildung abzuschließen und danach die Möglichkeit eines Studiums zu nutzen. Das eine schließt das andere nicht aus.
Blick in die Zukunft: Wie wird sich der Arbeitsmarkt – vor allem für junge Menschen – verändern?
Da fällt mir als erstes das Stichwort „Digitalisierung“ ein. Zum einen wird es in Zukunft dank der technischen Möglichkeiten so sein, dass der Arbeitnehmer keinen festen Arbeitsplatz – sprich: keinen eigenen Schreibtisch – mehr benötigt. In einigen Branchen ist es bereits so, dass man die Kollegen nur noch zu den Besprechungsterminen trifft, weil jeder immer und überall arbeiten kann.
Andererseits werden sich die Berufe an sich ändern, neue Berufsfelder werden entstehen und damit auch neue Ausbildungsberufe. Dies bedeutet einen ständigen Wandel, erfordert von den jungen Leuten mehr Flexibilität und Mobilität und die permanente Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen. Es werden sich diejenigen behaupten, die sich mit den neuen Gegebenheiten arrangieren können.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Ausbildungsmesse.
Interview: da Hog’n