Berlin. Nach rund viereinhalb Monaten nun also doch: Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD steht – zumindest vorläufig. Ehe die GroKo für weitere vier Jahre ans Werk gehen kann, muss der Koalitionsvertrag noch von der SPD-Basis abgesegnet werden. Dass diese den Vertrag gutheißen wird, gilt jedoch nicht als gesichert. Die „neue alte“ Koalition galt schon während der Verhandlungen mehr als Zweckgemeinschaft denn als politisches Liebespaar. Mehrmals betonte SPD-Parteichef Martin Schulz im vergangenen Jahr, dass es eine Regierungsbeteiligung seiner Partei unter einer Kanzlerin Merkel nicht geben werde. Aller Voraussicht nach wird Schulz nun Außenminister. Andrea Nahles neue Parteichefin. Horst Seehofer wird Innen- und Heimatminister. Olaf Scholz soll SPD-Vizekanzler werden. Das Wichtigste im Überblick…
Eigentlich hätte bereits am Sonntag der Feinschliff am Vertrag erfolgen und alles unter Dach und Fach gebracht werden sollen. Am Montag kam man dann noch einmal zusammen – um sich am Dienstag ein weiteres Mal zu treffen. Bis zuletzt galten unterschiedliche Honorare für Ärzte bei der Behandlung von privat bzw. gesetzlich Versicherten sowie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung bei Arbeitsverträgen höchst umstrittene Punkte. Auch der Zwist um die Ressortverteilung soll nach Angaben der Verhandlungsteilnehmer noch zusätzlich Sand ins Getriebe gestreut haben.
Nach @DerSPIEGEL-Infos übergibt Schulz den SPD-Vorsitz nach dem Mitgliedervotum an Andrea Nahles. Er besteht auch nicht auf Vizekanzleramt – das soll künftig beim Finanzministerium angesiedelt sein. #Groko
— Veit Medick (@vmedick) February 7, 2018
Nach einer langen Nacht und 25 Stunden Verhandlungsmarathon konnte Mittwochvormittag dann aber doch eine Einigung erzielt werden. 177 Seiten lang soll der neue Vertrag sein und laut Nachrichtenagentur AFP den Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ tragen. In der Präambel heißt es: „Das Wahlergebnis hat gezeigt, dass viele Menschen unzufrieden und verunsichert sind…“
Die Ressortverteilung
Bis zuletzt umkämpft war die Verteilung der einzelnen Ressorts. Die CDU wird weiterhin das Kanzleramt für sich reklamieren dürfen, Angela Merkel bleibt also – wie zu erwarten – Kanzlerin. Auch die Bereiche Wirtschaft, Bildung und Verteidigung fallen zukünftig in den Aufgabenbereich der CDU. Ersteres soll vom bisherigen Kanzleramtschef Peter Altmeier übernommen werden. Ursula von der Leyen bleibt Verteidigungsministerin. Auch das Gesundheitsministerium sowie das Landwirtschaftsministerium soll von CDU-Abgeordneten besetzt werden. Bei letzterem heißt es, dass Parteivize-Chefin Julia Klöckner diese Aufgabe übernimmt.
Das Innenministerium, das um einen sogenannten „Heimatbereich“ erweitert werden soll, geht an die CSU. Als Favorit auf das Amt des Innenministers gilt Horst Seehofer. In den Stunden nach der Einigung hagelte es hierzu bereits Kritik. Eine Abgeordnete der Partei „Die Linke“ sieht im Heimatministerium „die Institutionalisierung des Rechtsrucks“, wie dies auch in Österreich der Fall sei. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der im Gespräch als neuer Verkehrsminister ist, spricht derweil von einem „Super-Innenministerium“. Weiterhin beibehalten soll die bayerische Union die Ressorts Verkehr und Digitales sowie Entwicklungshilfe.
Legendär. #Schulz #Außenminister #GroKo #SPD pic.twitter.com/ZVq4M7Wl2F
— Johannes Hillje (@JHillje) February 7, 2018
Das Außenministerium sowie das Ressort für Finanzen geht an die Sozialdemokraten. Weiters gehen auch die Ministerien für Familien, Justiz und Umwelt an die Genossen. Besonders wird man sich in Reihen der SPD über das Ministerium für Arbeit und Soziales freuen, auf welches auch die CSU lange Zeit ein Auge geworfen hatte. Die Besetzung der Ministerien wolle man „offiziell“ bis zum Entscheid der SPD-Mitglieder nicht bekanntgeben. Ob diese Vorgabe aufrechterhalten bleiben kann – der Entscheid dauert rund drei Wochen – ist fragwürdig.
Schon jetzt ist nach übereinstimmenden Medienangaben bekannt, dass der Hamburger Olaf Scholz das Finanzministerium sowie den Posten des Vizekanzlers übernehmen soll. Martin Schulz – 2017 noch roter Allheilsbringer, mittlerweile auf wackeligem Stuhl – soll laut dpa Außenminister werden. Dieser hatte nach den Bundestagswahlen noch vehement ausgeschlossen in eine erneute Koalition mit der Union einzutreten. Ein Ministerposten im Kabinett Merkel galt als ausgeschlossen. Jedoch soll Schulz nun auf seinen Posten als Parteivorsitzender verzichten – diesen könnte künftig Andrea Nahles übernehmen.
Bis zuletzt umstritten…
… waren die Themen „Sachgrundlose Befristung“ und „Zwei-Klassenmedizin“. Bei der sogenannten sachgrundlosen Befristung für Arbeitsverträge geht es im Kern darum, dass Arbeitsverträge nicht ohne Angabe von gesetzlich geregelten Gründen („sachgrundlos“) befristet werden dürfen. Dies betrifft vor allem junge Arbeitnehmer und Jobeinsteiger. Bisher war eine solche sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen für einen Zeitraum von zwei Jahren möglich. Ein Verbot dieser Regelung, wie von der SPD gefordert, fand keinen Einzug in den Koalitionsvertrag, jedoch eine Reduzierung von bisher zwei auf nun eineinhalb Jahre. Zudem wurde die sogenannte Kettenbefristung, also eine andauernde und sich wiederholende Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen, abgeschafft. Ob die SPD diesen Kompromiss der eigenen Basis als Verhandlungserfolg verkaufen kann, bleibt abzuwarten.
Was der #FPÖ unter Schwarz-Blau in Österreich noch verwehrt wurde, bekommt die #CSU in der #GroKo. Ein Heimat(-Schutz)Ministerium ist die Institutionalisierung des Rechtsrucks in Deutschland.
— Martina Renner (@MartinaRenner) February 7, 2018
Beim Zwist um die „Zwei-Klassenmedizin“ kritisierte die SPD, dass Ärzte für die Behandlung von Privat-Versicherten oftmals das Dreifache im Vergleich zu einem gesetzlich Versicherten verdienen. Die Folge: Privatpatienten sind in vielen Arztpraxen gern gesehene Gäste, warten deutlich kürzer auf einen Behandlungstermin. Zudem liegt Zeit wie Qualität der Behandlung deutlich über jener eines gesetzlich versicherten Patienten. Laut dem Koalitionspapier wird nun eine Kommission zur Angleichung der Arzthonorare eingesetzt. Diese soll eine gemeinsame Honorarordnung ausarbeiten.
So richtig warm wurde man auch bis zuletzt nicht in Sachen Rüstungsexporte und Entwicklungshilfe. Derzeit gebe man rund 1,2 Prozent des BIP für Verteidigung aus, also rund 35,1 Milliarden Euro. Das von der NATO vorgegebene Ziel liegt jedoch bei zwei Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Die Union forderte nun, diese Lücke künftig weiter zu schließen. Die SPD hingegen plädierte für eine Ausweitung der Gelder für die Entwicklungshilfe. Auch hier hinkt Deutschland der Vorgabe von 0,7 Prozent des BIPs hinterher.
Kevin Kühnert der GroKo-Schreck?
Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen zwischen Union, SPD, Grünen und FPD zum Jahresende gelten die aktuellen Verhandlungen als die längsten in der Geschichte der Bundesrepublik. Durch ist der Vertrag, auf dem man sich nun einigen konnte, allerdings noch lange nicht. Zuvor müssen alle 463.723 Mitglieder der SPD über das neue Bündnis abstimmen.
Allen voran Kevin Kühnert, Chef der SPD-Jugendorganisation JUSOS, ist seit Monaten auf #NoGroKo-Tour und wirbt gegen einen erneuten Eintritt in die Koalition mit der Union. Unter dem Slogan „Tritt ein, sag nein“ rief die Parteijugend zudem dazu auf, in die SPD einzutreten – mit dem Ziel bei der Mitgliederbefragung eine GroKo zu verhindern. Insgesamt konnte die SPD seit Jahresbeginn 24.339 Neumitglieder für sich gewinnen.
https://twitter.com/KuehniKev/status/961198918381002752
Ob eine Mehrheit der Sozialdemokraten für den erneuten Eintritt in das schwarz-rote Bündnis stimmt, gilt als höchst fragwürdig. Bei einem Sonderparteitag in Bonn am 21. Januar wurden 642 SPD-Delegierte und Vorstandsmitglieder befragt, ob ihre Partei überhaupt Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnehmen sollten. Zwar stimmten 56 Prozent der Befragten für die Aufnahme der Verhandlungen – ein eindeutigeres Votum hätte der Parteispitze aber mit Sicherheit ruhigere Nächte beschert. Mit einem Ergebnis der Mitgliederbefragung rechnet man nach Informationen von ZEIT-Online voraussichtlich am 4. März. Bis dahin werden sowohl das „ProGroKo“ als auch das „NoGroKo“-Lager alles tun, um möglichst viele Mitglieder für sich zu gewinnen.
Sollte die Basis der Sozialdemokraten sich gegen den Koaltionsvertrag und somit gegen die GroKo entscheiden, ist wieder alles offen und der gesamte Polit-Zirkus beginnt von Neuem: Möglich sind dann Neuwahlen, eine Minderheitsregierung, neue Sondierungsgespräche…
Johannes Greß
Die Politiker von SPD und CDU/CSU, für mich vor Wahlen wie Nacktschnecken die im Wettbewerb um ein Salatblatt stehen! Beide haben nur das grüne Salatblatt bzw. den Posten im Auge. Kommt der Wähler ins Blickfeld, werden auch schon die Fühler ausgerichtet und der Wähler wird, ob er will oder nicht, auch schon mit Schleim bespritzt und auf jeden Fall bleibt eine Schleimspur zurück. Wer von den Nackschnecken bzw. Politikern den meisten Schleim schnell produzieren kann, der macht wahrscheinlich das Rennen. Wegen ihrer Artgenossen, die in allen wichtigen Position platziert wurden, besteht kaum die Möglichkeit den Schleimspritzern auszuweichen, denn haben die Fühler einen günstige Stelle ausgemacht, werden auch schon die eingenen Eier und Larven abgelegt, um das eigene Revier abzustecken und zu sichern. Meistens kommt schon nach kurzer Zeit die Ernüchterung, d.h. das Salatblatt ist weg bzw. Versprechungen sind nur noch Schall und Worthülsen gefüllt mit üblem Mundgeruch. Müntefering von der SPD hat es ja gesagt: „dass es „unfair“ sei, die CDU und die SPD an ihren Wahlkampfversprechen zu messen.“ und Röttgen von der CDU sagte:“Bedauerlicherweise entscheiden die Wähler“.