Freyung. Wie lange das wohl noch dauern wird, bis in Freyung die ersten „Door2Door“-Shuttle-Busse umherfahren und die Leute im Stadtgebiet von A nach B befördern? Eigentlich sollte dies bereits seit 15. September des vergangenen Jahres der Fall sein. Zumindest wurde dieser Termin beim Weltverkehrsforum in Leipzig (Mai 2017), als Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich im Beisein von Bundesverkehrsminister Alexander Dorbrindt und Door2Door-Geschäftsführer Maxim Nohroudi die Verträge unterzeichnete, öffentlichkeitswirksam propagiert. Von der „Weltpremiere im Bayerischen Wald“ war damals die Rede. Vom „ersten On-Demand-ÖPNV im ländlichen Raum“. Vom „Freyung-Shuttle“, das man sich über eine Smartphone-App bestellen kann. Passiert ist seitdem genau – nichts.
Wird das digitale Nahverkehrsunterfangen „Door2Door“, das Dobrindt im Rahmen jener Vetragsunterzeichung als „tolles System, das große Beliebtheit bei den Bürgern erfahren wird“, anpries, zum Rohrkrepierer? Die Hog’n-Redakteure Hörhammer und Weigerstorfer, die immer wieder mal bei der Stadt Freyung nach dem Fortschritt des Projkets nachgefragt haben, hegen langsam aber sicher ihre Zweifel an einer tatsächlich zeitnahen Umsetzung…
Berlin ist nicht Freyung – die Großstadt nicht der ländliche Raum
Hörhammer: Ehrlich gesagt, bin ich skeptisch, ob das noch was wird mit diesem „Door2Door“-Dings. Es mag schon sein, dass sich der damit verbundene Genehmigungsprozess etwas aufwendiger „als sonst üblich“ gestaltet, wie uns Freyungs Klimaschutz- und Sanierungsmanager Markus Linkenheil vor wenigen Tagen auf Nachfrage mitgeteilt hat. Aber fast fünf Monate über Termin? Da scheinen mir die von Heinrich & Co. ins Feld geführten Verzögerungsargumente „innovativer Charakter“ und „fehlende Referenzprojekte“ nicht sonderlich stichhaltig. Was meinst Du?
Weigerstorfer: Hm. Ich dachte, dass das System bereits zwei Jahre lang in Berlin getestet worden sei – soll laut Tagespresse zumindest der „Door2Door“-Geschäftsführer bei der Vertragsunterzeichnung gesagt haben. Daher müsste es doch bereits „Referenzen“ geben. Aber gut, Berlin ist nicht Freyung. Die Großstadt nicht der ländliche Raum. Außerdem: Warum bist Du denn schon wieder so ungeduldig? Alles, was Herr Heinrich bis dato angepackt hat, ist irgendwann auch umgesetzt worden. Die paar Monate hin oder her fallen da nicht ins Gewicht…
Hörhammer: Die Betonung liegt auf „irgendwann“… Es gibt ja nicht nur eine beachtliche Verzögerung beim Door2Door-Projekt, sondern auch bei der hochgelobten und mit etlichen Vorschuss-Lorbeeren versehenen Volksmusik-Akademie.
Die wird nicht nur um einiges teurer als geplant, sondern soll auch um einiges später fertiggestellt werden. Vor dem Winter hat man „das Dach nicht mehr draufgebracht“, vermeldete das Stadtoberhaupt kurz vor Weihnachten in der Zeitung. Deshalb die „Zwangspause“. Zu „Problemen, die vorab nicht absehbar waren“, sei es beim 150 Jahre alten Langstadl gekommen, wie unsere Nachfrage ergeben hat. Heinrich nennt etwa „statische Mehrforderungen, die zu Mehraufwand bei der Baufirma führten“. Zudem sei der „frühe Schneefall“ Schuld an der Verschiebung – die Betonarbeiten hätten deshalb früher als geplant eingestellt werden müssen. Aber ich drifte vom Thema ab – wir waren bei Door2Door….
Nicht dass Freyung vom Vorreiter zum Nachreiter wird
Weigerstorfer: Eben. Und bei dem Vorhaben ist es der Stadt Freyung wichtig, wie Herr Linkenheil uns mitgeteilt hatte, „dass der Service rechtlich einwandfrei geprüft und eine ordentliche Genehmigung erteilt wird“. Das klingt doch vernünftig. Bei so einer innovativen Shuttle-Sache gibt es bestimmt tausende kleiner Hürden und rechtliche Fallstricke, die es zu beachten gilt. Das machen die schon gut. Lieber a bisserl länger im Voraus herumgedoktert, als im Nachhinein das große Geschrei, wenn etwas nicht so funktioniert, wie gewünscht. Du weißt ja, wie die Leute sein können…
Hörhammer: Weiß ich, klar. Aber die sind auch darauf aus, dass gewisse Zeitvorgaben, die damals relativ schnell und vollmundig in den Raum geworfen wurden, eingehalten werden. Der Septembertermin ist ja auch nochmal im Juli ’17 im BR unter der Überschrift „Bald gibt’s On-Demand-ÖPNV im Bayerwald“ an die große PR-Glocke gehängt und darin ausgiebigst von Heinrich und Dobrindt gelobt worden. „Freyung als Vorreiter“ hieß es in dem Bauchpinsel-Bericht. Freyung darf aufpassen, dass es nicht – wie Dobrindts Pkw-Maut – zum Nachreiter wird. Apropos „rechtliche Fallstricke“ und „Hürden“ – worum geht’s denn da eigentlich genau?
Weigerstorfer: Zu den rechtlichen Prüfungen will Herr Linkenheil keine konkreten Angaben machen, wie er uns zuletzt mitgeteilt hat. Auch nicht, welches Ministerium die „ordentliche Genehmigung“ für den Betrieb erteilen wird. Alles, was er sagen darf, ist: „Da wir uns unter Beteiligung einer Vielzahl von Partnern mitten im Genehmigungsprozess befinden, möchten wir zum Wohle des Projekts aktuell keine weiteren Details bekanntgeben.“ Und er sagt, dass er diesbezüglich um Verständnis bittet. Und außerdem hofft er, „dass wir am Ende des seit Monaten laufenden Abstimmungsprozesses zu einer Genehmigung und Förderung druch den Freistaat Bayern kommen werden“. Wie hoch in etwa die Förderung für das Gesamtprojekt und die dafür benötigte App-Programmierung ausfallen wird, will er wiederum nicht sagen. Weil er’s wahrscheinlich noch nicht sagen kann. Weil er’s nicht weiß…
„Auf Hochtouren“ – da läuft ja der stärkste Shuttle-Bus heiß
Hörhammer: … weil sich seit Bekanntgabe irgendwie so gar nichts getan hat in Sachen Projektfortgang, wie es mir scheint. Bisher war immer nur die Rede davon, dass „Abstimmungen sowohl mit den Unternehmen als auch mit den Genehmigungsbehörden stattfinden“. Und dass all das „auf Hochtouren“ laufen würde, wie Heinrich im Juni unserem Onlinemagazin im typischen Bürgermeister-Positivsprech gegenüber sagte. Seit acht Monaten „auf Hochtouren“ – da läuft ja der stärkste Shuttle-Bus heiß… Aber offensichtlich mischen da wirklich zu viele Beteiligte mit, die es unter einen Hut zu bringen gilt. Die „große Politik“ in Berlin und München mit ihren Förderstellen, das „Door2Door“-Unternehmen, die Kreisstadt selbst – und die Freyunger Taxi- und Busunternehmen, die für den praktischen Teil ja auch noch mit ins Boot geholt werden müssen…
Weigerstorfer: Hm. Offensichtlich komplizierter als gedacht. Und dann soll ja auch noch eine Art Telefonvermittlung eingerichtet werden, wie uns Herr Heinrich im Juni erklärt hatte. Für die Generation Ü 60. Denn, so der Bürgermeister: „Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der potenziellen Fahrgäste nicht von Anfang an bereit oder in der Lage ist die App zu verwenden“. Die Stadtverwaltung werde dann zur Telefonzentrale umgemodelt, um Fahrten zu vermitteln. So könne dann auch derjenige das Angebot nutzen, der kein Smartphone hat – was ich persönlich für eine gute Idee halte.
Hörhammer: Angesichts der Tatsache, dass unsere Bevölkerung immer älter wird, sehe ich da „telefonreiche“ Zeiten auf die Stadtverwaltung zukommen. Da gibt’s dann Telefonistinnen – wie in ganz alten Zeiten. Zwar schaffen sich auch immer mehr ältere Menschen heutzutage ein Tablet oder ein Smartphone an, doch die große Mehrheit der Senioren ist noch analog unterwegs. Mit Wählscheiben-Telefon, wenn’s pressiert. Und die jungen Leute fahren eh alle mit dem Auto, nicht mit dem Bus. Wie gesagt: Ich bin da eher skeptisch, ob das Angebot – wenn es denn mal irgendwann kommen sollte – generell so genutzt wird, wie man sich das wünscht.
Weigerstorfer: Mich würde die Meinung unserer Leser zum Thema interessieren: Was sie von dem Projekt „Door2Door“ halten, ob sie es selbst nutzen würden – und wie sie zu der Zeitverzögerung stehen. Daher möchte ich die Fragen gerne ans Hog’n-Publikum weitergeben.
So soll es sein. Wir sind gespannt und freuen uns auf Eure Meinungen in unserer Kommentarleiste.
da Hog’n
Warum soll das eine Neuheit sein? Das ist, von der Abfahrt an der heimischen Adresse abgesehen, doch ein ganz normaler Rufbus bzw. ein Anrufsammeltaxi. Die gibt’s schon seit Jahrzehnten, sodaß man organisatorische Vorbilder grad gnug hat, sogar welche aus Freyung selber. Daran liegts also wohl eher nicht.
Ob und wie das Angebot dann dermaleinst angenommen wird, hängt ausschließlich von zwei Faktoren ab: Service und Preis.
Hauptklientel wird eher die ältere Generation sein. Menschen, die sich aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen kein Auto halten können. Das heißt, die meisten Fahrten werden zu Lebensmittelgeschäften, Ärzten, Apotheken und zum Krankenhaus, zur Kirche und zum Friedhof führen. Der Fahrplan muß entsprechend ausgelegt sein, d.h. der Service muß mit Blick auf die letzeren drei Fahrziele auch Sonn- und Feiertags angeboten werden. Da wird’s dann allein schon wegen der entsprechenden Gehaltszuschläge der Fahrer schwierig.
Erheblicher Widerstand ist von den örtlichen Taxi- und Busunternehmen zu erwarten, da die ja die Verlierer sind, wenn der neue Rufbus gut angenommen wird. Busunternehmen wollen lieber einen festen unflexiblen Fahrplan, mit dem sie kalkulieren können. Flexible Fahrpläne sind für sie logistisch ein Problem, da ja nebenher auch noch Schul- und Linienbusse eingesetzt werden müssen, der Fuhrpark also entsprechend ausgelastet ist. Und ist der Rufbus billiger als das Taxi, wird auch diese Branche nicht begeistert sein. Kurz – keine der beiden Gruppen hätte Grund, sich an dem Projekt zu beteiligen. Freyung müßte die nötigen Fahrzeuge, Fahrer und Wartungspersonal teuer anmieten oder selber kaufen, respektive einstellen. Es würde mich nicht überraschen, wenn das der eigentliche Grund hinter der Verzögerung wäre.