Teisnach. Knapp 28 Jahre war Rita Röhrl Bürgermeisterin der Marktgemeinde Teisnach. 28 Jahre alt ist auch ihr Nachfolger Daniel Graßl, den die neue Regener Landrätin als ihren „Ziehsohn“ bezeichnet. Trotz aller Protektion durch die „ewige Rita“ will der neue Teisnacher Rathauschef nach erfolgreicher Wahl nun freilich sein eigenes Ding durchziehen, wie er betont. Seinen Job als Projektleiter für Funkkommunikationssysteme bei Rohde & Schwarz hat der gelernte Eletroniker bereits an den Nagel gehängt – am 1. Februar wird er mit der Vereidigung in sein neues Amt eingeführt. Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n spricht Daniel Graßl über die großen Fußstapfen seiner Vorgängerin, über sein Wahlergebnis und über seine Ziele als Bürgermeister.
Herr Graßl: Wie groß sind die Fußstapfen von Rita Röhrl, die über 27 Jahre Bürgermeisterin der Marktgemeinde Teisnach war?
Mein Start wird nicht unbedingt einfach sein. Ich sehe spannende Monate auf mich zukommen, bis ich die Abläufe innerhalb der Verwaltung kennengelernt und mich in die Themen eingearbeitet habe. Doch es war mein Wille, Bürgermeister der Marktgemeinde Teisnach zu werden. Und deshalb gebe ich alles, um den Erwartungen gerecht zu werden. Zutrauen tue ich mir diesen Posten allemal.
Mit Sicherheit wird es für die Bürger eine große Umstellung darstellen, wenn nach mehr als 27 Jahren nicht mehr Rita Röhrl das Rathaus leitet – sondern Daniel Graßl. Seitdem ich auf der Welt bin, hat es in Teisnach keinen anderen Rathaus-Chef als Rita Röhrl gegeben. Das muss man sich mal vorstellen (schmunzelt). Dennoch werde ich demnächst verstärkt versuchen, mein Profil zu schärfen. Die Leute sollen mich nicht als Rita-Röhrl-Nachfolger wahrnehmen, sondern als Daniel Graßl, als eigenständige, unabhängige Person.
„Rita Röhrl wird sich nicht in die aktive Politik einmischen“
In einem Hog’n-Interview bezeichnete Sie die neue Landrätin als „Ziehsohn“. Was kann man sich darunter vorstellen?
Zunächst einmal bin ich durch Rita Röhrl überhaupt zur SPD gekommen. Vor den vergangenen Gemeinderatswahlen 2013 waren die Parteien aktiv auf der Suche nach möglichen Ratsmitgliedern. Die CSU hat mich dabei genauso kontaktiert wie die SPD in Person von Rita Röhrl. Sie hat mich überzeugt, in die Politik zu gehen. Sie wollte mich auch zu ihrem Nachfolger aufbauen. Ursprünglich waren dafür sechs Jahre vorgesehen, doch wegen ihrer Wahl zur Landrätin musste das Ganze nun etwas schneller vonstattengehen. Doch, keine Angst: Das Ganze ist keine riesengroße Überraschung für mich. Wir standen stetig im Kontakt und haben seit längerer Zeit darauf hingearbeitet, die Wahl – wann immer sie auch stattfindet – zu gewinnen.
Wie kann man sich die Förderung durch Frau Röhrl explizit vorstellen?
Bei der letzten Gemeinderatswahl war sie gewillt, viele junge Nachwuchskräfte möglichst weit oben auf der SPD-Liste zu platzieren. So konnte sie sicherstellen, dass beispielsweise meine Person wahrgenommen und schließlich auch gewählt wurde. In der Folgezeit hatte sie immer ein offenes Ohr für mich. Sie hat mir Tipps gegeben, hat mich oft mit eingebunden.
Wie wird diese Unterstützung künftig aussehen?
Naja, sie ist jetzt Landrätin, ich bin Bürgermeister. Jeder hat seinen Aufgabenbereich. Rita Röhrl wird sich sicher nicht in die aktive Politik in Teisnach einmischen, doch ich weiß, ich kann sie immer kontaktieren, wenn ich Fragen habe. Das hat sie aber nicht nur mir zugesichert, sondern dem gesamten Gemeinderat und – im Vorfeld der Wahlen – allen anderen Bürgermeister-Kandidaten.
Lange Zeit galt Michael Adam als inoffizieller Ziehsohn von Rita Röhrl. Haben Sie Kontakt zum ehemaligen Regener Landrat?
(lacht) …bis auf den gemeinsamen Titel gibt es keine Berührungspunkte (lacht). Nein. Ich hatte bisher keinen Kontakt zu Michael Adam.
Die Aufgaben des Neu-Bürgermeisters Daniel Graßl
Fernab von Rita Röhrl und Michael Adam: Für welche Politik steht Daniel Graßl?
Erst einmal muss ich mich einfinden, ganz klar. Für mich ist das Bürgermeister-Amt ein völlig fremdes Gebiet. Deshalb werde ich demnächst intensiv mit den Verwaltungsmitarbeitern zusammenarbeiten, um die Abläufe kennenzulernen. Ist dieser Punkt abgeschlossen, werde ich versuchen, meine eigenen Ideen durchzusetzen – ohne natürlich bereits Bestehendes, das sich etabliert hat, für nichtig zu erklären.
Wie arbeitet man sich als Bürgermeister ein? Gibt es da eine Art Leitfaden?
Nein, sowas gibt es nicht. Ich werde versuchen, durch viele Gespräche einen Einblick in die Materie zu bekommen. Zu verstehen, was jeder Mitarbeiter in den einzelnen Sachgebieten genau macht, wird meine erste große Aufgabe sein. Genauso möchte ich aber einen umfassenden Einblick in alle weiteren Teilbereiche der Gemeinde bekommen, wie beispielsweise in die Arbeit des Bauhofs oder im Kindergarten. So will ich in Erfahrung bringen, was bereits gut läuft – und wo vielleicht der Schuh drückt.
Es gibt auch einen Lehrgang für Neu-Bürgermeister. Das schwierig dabei: Die Wahlen in Teisnach haben außertourlich stattgefunden, folglich gibt es derzeit nicht viele potenzielle Teilnehmer. Mal abwarten, was sich da ergibt…
Mit 28 Jahren sind Sie der jüngste Bürgermeister im Landkreis Regen. Ist es ein Vor- oder Nachteil, das kommunalpolitische Nesthäkchen zu sein?
Weder noch. In erster Linie ist es sehr erfreulich, dass mir die Bürger das Vertrauen geschenkt haben. Ich bin doch relativ deutlich zum Bürgermeister gewählt worden. Das zeigt, dass das Alter eher zweitrangig ist.
54,6 Prozent der Teisnacher haben für Sie gestimmt – Sind sie überrascht ob des klaren Sieges im ersten Wahldurchgang?
Absolut, das hätte ich in dieser Deutlichkeit nicht für möglich gehalten. Umso mehr habe ich mich dann auch gefreut.
„Einige Störfeuer“ beim Bürgermeister-Wahlkampf
Empfanden Sie den Wahlkampf als fair?
Bis auf einige wenige Störfeuer, auf die ich nicht näher eingehen will: Ja.
Ein anderes Thema: Teisnach gilt als „reiche“ Gemeinde. Große Firmen sorgen für hohe Gewerbesteuer-Einnahmen. Ein zweiter Campus soll entstehen. Gibt es angesichts dieser positiven Nachrichten überhaupt noch Verbesserungspotenzial?
(lacht) Ich hoffe doch. Gemeinhin gilt: Stillstand ist Rückschritt. Und genau das unterschreibe ich. Trotz der zweifelsohne guten Situation muss man dafür sorgen, dass sich die Marktgemeinde immer weiterentwickelt.
Gibt es hier konkrete Lösungsansätze?
Finanztechnisch sind die nächsten Jahre ja schon verplant. Ziel ist es, keine neuen Schulden zu machen und gleichzeitig zu investieren. Außerdem müssen wir uns beispielsweise dafür einsetzen, dass die Verkehrsanbindung verbessert wird. Durch neue Straßen wollen wir einerseits dafür sorgen, dass unsere Firmen besser erreichbar sind. Andererseits sollen die Bürger nicht unter dem wachsenden Verkehr leiden müssen. Hier muss die Gemeinde fordernd auftreten, denn die Rede ist nicht von Gemeindestraßen – weshalb wir hier eng mit dem Landkreis zusammenarbeiten wollen.
Das Thema Flüchtlinge, das von Ihrer Vorgängerin Rita Röhrl sehr offensiv angegangen worden ist, ist in Teisnach weiterhin sehr präsent, oder?
Ja. Inzwischen sind die Flüchtlinge aber nicht mehr in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, sondern haben längst Wohnungen bezogen. Viele von ihnen haben einen festen Arbeitsplatz und sind in unserer Gesellschaft integriert. Hier hat Rita Röhrl viel Vorarbeit geleistet, wovon wir nun profitieren. Mit diesem Thema müssen wir weiterhin sehr sensibel umgehen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir diese Aufgabe ohne größere Probleme meistern.
Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer